Wim Fissette exklusiv: „Kerber erinnert mich an Azarenka“
Angelique Kerber bestätigt in den Tagen von Indian Wells ihre tolle Form. Vor dem Viertelfinale gegen Daria Kasatkina gibt es als kleines Schmankerl größere Teile des exklusiven Interviews mit Kerber-Coach Wim Fissette aus der aktuellen tM-Ausgabe (HIER geht es zu allen Inhalten).
Wie hat der Belgier, der unter anderem Victoria Azarenka und Simona Halep betreut hat, die Deutsche wieder auf Kurs gebracht? Das wollte tennis MAGAZIN während der Australian Open herausfinden und ergatterte eine von nur insgesamt zwei exklusiven Interviewmöglichkeiten mit dem neuen Trainer.
tennis MAGAZIN: Herr Fissette, eines der ersten Ziele, die Sie sich mit Angelique Kerber gesetzt hatten, war die Rückkehr in die Top 10 der Weltrangliste. Sind Sie etwas überrascht, dass es so schnell ging?
Wim Fissette: (schmunzelt) Ja und nein! Es war eine schwierige Zeit, als wir angefangen haben. Sie hatte ein schlechtes Jahr hinter sich, in dem sie wenig Matches gewonnen hatte und bei den großen Turnieren ist sie nicht weit gekommen. Das waren die Fakten. Als ich dann aber gesehen habe, wie sie im Training nach kurzer Zeit schon richtig gut gespielt hat, wurde ich schon optimistischer.
tennis MAGAZIN: Wann haben Sie konkret angefangen mit dem Training?
Wim Fissette: In der letzten Novemberwoche des vergangenen Jahres war das, mit dem neuen Team samt neuem Konditionstrainer. Auf die Fitness haben wir auch zwei Wochen zunächst den Fokus gelegt. Anschließend haben wir beide in Polen in der Akademie ihrer Großeltern zwei Wochen trainiert.
tennis MAGAZIN: Hat Angelique Kerber nach dem für sie schlecht schlecht gelaufenen Jahr wirklich schon nach kurzer Zeit gut trainiert?
Wim Fissette: Nein, ein bisschen hat es schon gedauert. Das lag aber in erster Linie daran, dass wir zunächst recht wenig Tennis gespielt haben und der Fokus auf dem Körperlichen lag. In den ersten beiden Wochen haben wir nur eine Stunde am Tag Tennis gespielt. Schon da haben wir viel Wert auf den Aufschlag gelegt. Sie hat von der ohnehin schon geringen Tenniszeit viel aufgeschlagen. Ab Ende der dritten, Anfang der vierten Woche habe ich gemerkt, dass sie wirklich gut spielt. Letztlich kommt es aber auf die Spiele an. Wie startet sie in das Jahr? Wie reagiert sie in großen Matches, wie beispielsweise in der dritten Runde der Australian Open gegen Maria Scharapova. Den mentalen Aspekt muss man natürlich immer abwarten. Aber rein vom Niveau her im Training war ich mir schnell recht sicher, dass wir das schaffen.
tennis MAGAZIN: Einer der Mitgründe dafür ist der von Ihnen schon angesprochene veränderte Aufschlag samt anderer Bewegung. Viele haben sich gewundert, dass dieser neue Automatismus schon so schnell funktioniert hat.
Wim Fissette: Dass sie den Fuß nicht mehr mitzieht, der Impuls kam sogar eher von ihr. Ich hatte sie lediglich gefragt, wie sie den Ablauf in der Jugend gemacht hat und daraufhin hat sie es mir gezeigt und gesagt: Das kann ich mal wieder so probieren. Anschließend haben wir gemerkt, dass es dem Rhythmus ganz guttut und nur noch Kleinigkeiten verändert. Generell muss ich aber mal festhalten, dass Angie wahnsinnig schnell lernt. Sie ist sehr talentiert. Und: Ich glaube, dass Angie in ihrem ganzen Leben noch nicht so viel aufgeschlagen hat, wie in dieser Vorbereitung.
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— Frank Molter (@frankmolter) February 26, 2018
tennis MAGAZIN: Hat sie sich direkt auf das viele Aufschlagtraining eingelassen oder gab es Gespräche oder gar Diskussionen darüber?
Wim Fissette: Nein, gestritten oder diskutiert haben wir überhaupt nicht. Angie ist sehr kritisch, vor allem im Umgang mit sich selbst. Sie wusste selbst, dass sie sich dort verbessern musste und als sie gesehen hat, dass sich erste Erfolgserlebnisse eingestellt haben, war die Motivation ohnehin da.
tennis MAGAZIN: Sie sprechen diese kritische Selbstreflexion an. Viele behaupten, Angelique Kerber sei ein Kopfmensch, der ganz viel reflektiert. Was in so einem Jahr wie 2017 wohl nicht unbedingt die beste Eigenschaft gewesen ist. Wo haben Sie mental bei Ihr angesetzt?
Wim Fissette: Ich habe eigentlich schon beim allerersten Gespräch gemerkt, dass es da gar nicht so viel Arbeit gibt. Es hatte den Eindruck erweckt, als sei das Jahr 2017 für Angie bereits zu Ende, als wir gestartet sind. Sie war 100 Prozent motiviert, um aus 2018 ein Topjahr zu machen. Aber natürlich kann das Selbstvertrauen zu so einem Zeitpunkt nicht ganz oben ein. Wir haben ihr zum Beispiel Videos gezeigt, von Spielen in denen sie überragend gespielt hat, damit sie das visualisieren konnte, um sich zu erinnern, wie stark sie in der Vergangenheit gespielt hat.
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— Jannik Schneider (@schnejan) February 20, 2018
tennis MAGAZIN: Wie ist eigentlich der Kontakt zwischen ihnen beiden entstanden?
Wim Fissette: Als ihr Manager bei mir anrief, hatte ich schon ein paar andere Angebote. Aber als dieser Anruf kam, war ich direkt davon überzeugt und wollte es sofort machen. Ich hatte oft gegen Sie gecoacht in der Vergangenheit, zum Beispiel ein paar Mal mit Azarenka. Ich habe immer gedacht, dass sie eine der Topspielerin ist, eine schlaue Spielerin auf dem Platz, die extrem schwierig zu besiegen ist. Wenn sie offensives Tennis gezeigt hat, war sie damals schon schwer zu schlagen. Deswegen war es für mich klar, wo es hingehen soll mit ihr und ich wollte das sofort übernehmen.
tennis MAGAZIN: Simona Halep ist neben Azarenka oder etwa Kim Clijsters eine ihrer ehemaligen Spielerinnen. Unterscheidet sich Angelique Kerber im Training von diesen Stars oder gibt es Gemeinsamkeiten?
Wim Fissette: (überlegt lange) Angie ist total fokussiert und perfektionistisch im Training und möchte immer alles richtigmachen. In diesem Punkt erinnert sie mich an Azarenka, die im Training immer 110 Prozent fokussiert war auf jedem einzelnen Schlag. Das sind natürlich traumhafte Voraussetzungen aus Trainersicht.
tennis MAGAZIN: Wenn man sich über Sie im Tennis-Zirkus umhört, heißt es, dass sie im Training ein Mann der klaren Ansagen sind, deutlich ansprechen, was nicht passt und was besser gemacht werden muss. War der Umgang am Anfang ungewohnt für Angelique Kerber, die ja lange nur einen engen Vertrauten als Trainer hatte?
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Wim Fissette: Ich würde mich als schon sehr kritischen Coach bezeichnen. Aber ich versuche immer, meine Inhalte auf eine positive Art und Weise zu transportieren. Das ist gerade für eine Spielerin wie Angie sehr wichtig. Aber wenn sich eine Spielerin verbessern will, muss sie offen sein für Veränderungen und offen sein für den ein oder anderen Kritikpunkt. Wenn etwas nicht gut ist, kann ich es nicht schönreden. So verbessert sich niemand im professionellen Tennis. Da muss die Kommunikation deutlich sein. Am Ende ist mein Ziel, dass sich meine Spielerin selbstständig verbessern kann, wenn ein Schlag falsch abgelaufen ist. Das Ziel ist, dass sie mich eigentlich nicht mehr benötigt (lacht).
tennis MAGAZIN: Wetten Sie eigentlich gerne? Angelique Kerber hat das für den Erfolg ja gerne mal mit ihrem letzten Trainer erfolgreich versucht.
Wim Fissette: (lacht) Nein, haben wir noch nicht. Aber ich habe das auch schon gemacht, damals mit Kim Clijsters bei ihrem Comeback. Damals hatte ich noch längere Haare und ich habe meine Haare als Einsatz genommen und gesagt: Wenn du wieder ein Grand Slam gewinnst, schneide ich sie mir komplett ab.
tennis MAGAZIN: Diese Wette haben Sie verloren.
Wim Fissette: Das stimmt. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, ob ich frisurtechnisch ganz zufrieden war, als Kim 2009 den Titel gewonnen hat (lacht). Aber das ist eine gute Idee. Vielleicht sollten Angie und ich uns etwas überlegen.
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