Waskes Welt: Besondere Erlebnisse mit Roger Federer
Roger Federer verzichtet wie schon im letzten Jahr freiwillig auf die French Open. Unser Kolumnist Alexander Waske erinnert sich an die erste besondere Begegnung mit dem Schweizer, die beim Grand Slam-Turnier in Paris stattfand.
Das erste Aha-Erlebnis mit Roger hatte ich bei den French Open 2006. Es war die zweite Woche. Ich stand im Doppel-Halbfinale. Roger saß auf einer Bank in der Umkleidekabine und ließ sich die Fußgelenke tapen. Wir schauten alle auf den Monitor. Auf dem Platz spielte ein Außenseiter, der sensationell im Viertelfinale gelandet war. Aber als es darum ging, das Match zuzumachen, verschlug er vor Nervosität die leichtesten Bälle. Plötzlich sagte Roger: „Mein Gott, ist der tight.“ Wir, die anderen sechs, sieben Leute in dem Raum, haben uns alle angeguckt und gedacht: Okay, Roger, du hast gut reden, du gewinnst ja auch alles und musst dir keine Sorgen machen, aber für den da draußen geht‘s um alles. Doch dann schob Roger noch einen Satz hinterher – „Wissen wir nicht alle, wie sich das anfühlt?“
Roger galt damals als unschlagbar, aber er gab uns Einblicke in sein Seelenleben, die ihn als normalen Menschen, als einen von uns, erschienen ließen. Eine große Geste, wie ich fand.
Ein paar Jahre später standen wir in Melbourne am Sandwichstand. „Hast du mal ‘ne Minute?“, fragte ich ihn. „Klar“, antwortete er. Ich wollte von ihm wissen, wie er damit umgeht, fast immer der Favorit zu sein. Dazu muss man wissen, dass ich immer besonders angespannt war, wenn ich beispielsweise bei einem Challenger-Turnier als Favorit auf den Platz ging. Ich spielte praktisch mit angezogener Handbremse Vollgas.
Immer der gleiche Ablauf bei Roger
Roger entgegnete mir, er liebe es, „von oben runterzuspielen“. Er brauche das Gefühl, der Favorit zu sein. Er meinte: „Du musst immer das gleiche Gefühl haben, wenn du auf den Platz gehst.“ „Wie soll das gehen?“, fragte ich. Mal ist man müde, mal schlecht drauf, mal gereizt, mal euphorisch. Er antwortete: Er habe dieses spezielle Gefühl abgespeichert, wenn er auf den Platz geht. Und: „Du kannst es über die Routinen steuern.“
Bei Roger ist es so: Drei Stunden vor dem Match schlägt er sich ein. Dann isst er, wickelt seine Griffbänder, lässt sich die Füße tapen. Es ist immer der gleiche Ablauf. Er weiß genau, wie es sich anfühlt, wenn er auf den Platz geht. Federer ist dann wie ein Schauspieler, der seinen Text abruft, unabhängig davon, wie es ihm wirklich geht. Das Matchgefühl hat er verinnerlicht – das Schnellkräftige, das Leichte.
Es wäre vermessen zu behaupten, ich mache das auch so, ich könne Federer kopieren. Aber: Es hat mir geholfen, meine Leistung um fünf bis zehn Prozent zu steigern, wenn ich mir seine Leichtigkeit vorstellte und bei der Vorhand versuchte, so zu schwingen wie er. Klar sah das bei mir viel hölzerner, viel grobklötziger aus, aber es ging um das Gefühl.
„Muss an deinem Bart gelegen haben”
Noch eine Anekdote. Vor zwei Jahren in Wimbledon betreute ich Benjamin Becker. Er hatte seinen Cousin Marius dabei, einen riesigen Federer-Fan. Er war damals 19, hatte so einen Schnauzbart-Flaum, über den wir uns ständig lustig gemacht haben. Als wir bei den Trainingsplätzen waren, wollte Marius Roger für ein Autogramm abpassen. Später, im Spielerrestaurant, war er ziemlich niedergeschlagen – Roger habe „Nein“ gesagt. Wir anderen zogen ihn dann auf: „Muss an deinem Bart gelegen haben.“ Das wiederum bekam Severin Lüthi mit, Federers Coach, der hinter uns saß und grinsend die Story erfand: „Ja stimmt, da ist so ein skuriler Typ mit Schnauzbart auf Roger zugekommen.“
Am nächsten Tag traf ich Roger wieder. Er kannte die Geschichte, wusste das Marius zu uns gehört und hatte ein unfassbar schlechtes Gewissen, dass er ihm kein Autogramm gegeben hatte. „Roger, das ist doch kein Ding“, beschwichtigte ich. „Doch, doch“, sagte er, „Ist Marius noch da?“
Das Ende vom Lied: Ich brachte Marius – aufgeregt, mit hochroter Birne und rasiert! – zu Roger und wir machten ein Foto von den beiden. Marius hat es heute noch als Profilbild bei Facebook. Was auch diese Szene zeigt: Roger ist ein extrem freundlicher und höflicher Mensch. Da muss keine Kamera an sein. Er steht mit beiden Beinen auf der Erde.Cheap air jordan 1 low womens | Men’s Air Jordans 1 release dates