Andrea Petkovic: „Ich wäre gern ein Rockstar!“
Frau Petkovic, Sie vergaben in Paris vier Matchbälle gegen Svetlana Kuznetsova. Haben Sie das Drama schon verkraftet?
Ja, einigermaßen. Ich habe schon öfter gezeigt, dass ich aus solchen Niederlagen gestärkt hervorgehe. Trotz der bitteren Pleite: Das Match hat mir gezeigt, dass mein Weg weiter nach oben gehen wird.
Deutschlands Nummer 1 sind Sie ja bereits.
Das spielt aber keine große Rolle für mich. Außerdem ist Sabine Lisicki verletzt. Wenn sie gesund ist, wird sie schnell wieder gut sein. Für mich macht es keinen Unterschied, ob ich die Eins oder die Zwei bin. Innerlich ändert sich ja nichts. Nur das, was jetzt von außen auf mich einprasselt, ist neu.
Neu ist auch, dass Sie im Fed Cup-Team plötzlich zur Führungsspielerin wurden.
Stimmt. Das hat mich anfangs überfordert. Nach der Niederlage gegen Tschechien, wo ich erstmals die Nummer 1 war, hatte ich echte Schuldgefühle, weil ich beide Einzel verlor. Gegen Frankreich hatte ich extrem positive Momente, weil ich meine Einzel gewann. Aber am Ende war ich frustriert, weil wir wie gegen Tschechien 2:3 verloren.
Bekamen Sie Rückhalt vom Team?
Es fing mich auf, weil unser Teamgeist keine Fassade ist, sondern von uns allen gelebt wird. Wir gehen offen und ehrlich miteinander um. Das ist das Wichtigste.
Was bedeutet das konkret?
Als Sabine Lisicki gegen Tschechien nicht mitspielte, sondern lieber zu einem Turnier nach Pattaya flog, sagte ich zu ihr: Ich kann deine Entscheidung zwar verstehen, aber ich würde das niemals so machen.
Sie sagten sogar, dass Sie lieber fünfmal für Deutschland antreten, bevor Sie für irgendein Turnier melden würden.
Der Punkt ist: Wir sprechen solche Themen als Mannschaft an und machen uns nichts vor. Als Sabine trotz ihrer Verletzung zum Spiel gegen Frankreich kam, um uns zu unterstützen, hatten wir uns ausgesprochen und brauchten niemandem eine heile Welt vorzugaukeln. Bei uns gibt es keine Lästereien hinter dem Rücken, wir führen keine Zickenkriege obwohl wir Frauen sind. Es läuft bei uns eben nicht so, dass wir für eine Woche zusammenkommen und dann so tun, als hätten wir uns alle unend-
lich lieb, wie es in vielen andere Tennisteams leider üblich ist. Bei uns freut sich jede auf die Fed Cup-Wochen.
Es gibt keine Probleme zwischen Ihnen und Sabine Lisicki?
Wie kommen Sie denn da drauf? Wir verstehen uns sogar ziemlich gut.
Sie beide wirken aber sehr unterschiedlich.
Das täuscht. Wir haben viele Gemeinsamkeiten. Zum Beispiel die, dass wir auf dem Tennisplatz immer gewinnen wollen. Tennisspieler, die erfolgreich sein wollen, sind sich in ihrer Persönlichkeitsstruktur sehr ähnlich das verbindet. Außerdem ist Sabine anders, als sie in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Sie ist ein cleveres und warmherziges Mädchen.
Aber sie kommt in der Öffentlickeit sehr geradlinig rüber. Sie dagegen reden immer frei Schnauze. Wie kriegen Sie das hin?
Ich lasse mich nicht in Schablonen pressen, weil ich mich nicht verbiegen lassen will. Das ist auch der Grund dafür, dass ich kein Management habe. Ich will selbst bestimmen, was ich mache. Auf der WTA-Tour gibt es viele austauschbare Charaktere, die ihre Eigenständigkeit verloren haben und fremdbestimmt sind.
So will ich nicht werden.
Warum unterscheiden Sie zwischen dem Profi Petkovic und der Person Petkovic?
Ich brauche das als Rückhalt. Als Tennisspielerin kannst du jede Woche verlieren. Das nagt an deinem Selbstwertgefühl. Außerdem entwickelt man in diesem Beruf einige Eigenschaften, die im wirklichen Leben nicht schön sind: Gegnerinnen müssen aus dem Weg geräumt werden, Egoismus ist Trumpf. Das hat mit dem Menschen Andrea Petkovic nichts zu tun. Ich habe das mal so beschrieben: Auf dem Platz bin ich ein Homo oeconomicus, der nur für sein eigenes Wohl handelt und robotermäßig versucht, die Gegnerin zu zerstören. Abseits des Courts bin ich ein Homo sociologicus, der sozial eingestellt ist. Deswegen ist es wichtig, dass es neben dem Job noch andere Facetten im Leben gibt. Ich will mich selbst nicht ausschließlich als Tennisprofi definieren. Das wäre mir zu wenig.
Studieren Sie deswegen nun Politik?
Politik interessiert mich einfach. Ich bin im früheren Jugoslawien geboren und wuchs in Deutschland auf. Die Geschichte Ex-Jugoslawiens fasziniert mich. Ich las viel darüber und kam so mit politischen Systemen in Kontakt. In meiner Jugend lernte ich das politische System in Deutschland schätzen, das mir so viele Chancen gegeben hat. Ich will darüber mehr wissen und mich später politisch engagieren.
Und Bundeskanzlerin werden.
Na ja, das habe ich mal gesagt, war aber nicht ganz Ernst gemeint. Ich könnte mir allerdings vorstellen, eine eigene Partei zu gründen, die sich für die Belange der 25- bis 40-Jährigen einsetzt. Diese Altersgruppe wird von der deutschen Politik kaum berücksichtigt. Mir ist aber schon klar, dass so eine Partei kaum mehrheitsfähig wäre.Sie waren Praktikantin in der Hessischen Staatskanzlei. Was lernten Sie dort?
Dass Politik vor allem eine Menge Arbeit ist. 16-Stunden-Tage sind dort normal. Wenn ich also wirklich Politikerin werden sollte, werde ich gut zu tun haben.
Wie gelingt Ihnen der Spagat zwischen Profitennis und Studium?
Ich versuche, jeden Tag mindestens eine Stunde zu lernen. Das klappt ganz gut. Schwierig wird es, wenn Klausuren anstehen. Da muss ich mehr büffeln und integriere meine Lernstunden in den Trainingsablauf. Ich stehe dann früher auf oder lerne in der Mittagspause. Das ist extrem anstrengend. Beim Turnier in Indian Wells hatte ich gerade eine solche Lernphase hinter mir und verlor dann glatt in der ersten Runde. Ich war ausgelaugt.
Könnten Sie besser sein, wenn Sie sich nur auf das Tennis konzentrieren würden?
Viele werfen mir vor, dass ich nicht 100 Prozent für das Tennis gebe und zu viel Energie für andere Dinge verschwende. Aber ich sage immer: Wenn ich meine Persönlichkeit nicht fördere, kann ich auf dem Platz nicht so sein, wie ich bin. Es kann mich als Tennisspielerin nur mit meinen Nebenbeschäftigungen geben. Sonst würde mein Geist verkümmern. Wie ein Muskel, der nicht trainiert wird.
Was machen Sie neben Tennis und Studium noch?
Ich schreibe Blogs für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, lerne Gitarre und Schlagzeug, begleite manchmal die Musikband meines Freundes auf Konzerten und verkaufe dort T-Shirts, drehe Videoblogs solche Sachen. Ich spüre in mir eine große Kreativität, aber mir fehlen die Mittel, um sie rauszulassen. Deswegen mache ich manchmal Musik, die sich allerdings nicht so prima anhört. Mein geheimer Wunsch ist es, ein Rockstar zu sein. Aber dafür ist meine Stimme zu schlecht. Und beim Schlagzeug-Spielen ist es so ähnlich wie beim Tennis: Die Koordination der Arme klappt, aber sobald die Füße dazukommen, wird es kritisch.
Mit der Musikerkarriere wird es dann wohl nichts. Aber immerhin gehören Sie jetzt zu den Top 40 im Damentennis …
… was auch nicht schlecht ist (lacht).
Was änderte sich durch Ihren Aufstieg?
Ich bekomme mehr Interviewanfragen als früher. Anscheinend bin ich für die Presse interessanter als einige Profis, die vor mir in der Rangliste stehen. Die müssen viel weniger Interviews geben als ich. Außerdem erhalte ich jetzt Angebote von Vermarktungsagenturen, die ich bisher aber abgelehnt habe.
Ihr Tennis beschrieben Sie einmal wenig schmeichelhaft. Es sei stupide, einseitig …
… und ein Stopp wäre schon ein Riesen-
ereignis. Ich erinnere mich. Glücklicherweise hat sich mein Tennis seit diesem Statement stark verbessert. Ich kann jetzt sogar einen Slice spielen (lacht)! Aber im Ernst: Ich kann mittlerweile alles. Ich muss nur lernen, mein Repertoire auch in den richtigen Momenten anzuwenden. Daran hapert es noch. Mein Aufschlag war früher zum Beispiel nur hart. Jetzt beherrsche ich den Slice-Aufschlag nach außen, den Kick-Aufschlag mit einem hohen Ballabsprung und den schnellen Service auf den Mann. Im Tennis gilt für mich das gleiche wie in allen anderen Bereichen: Ich will mich weiterentwickeln.
Wer hilft Ihnen dabei?
Noch immer mein Vater Zoran, der als Tennistrainer in meiner Heimat Darmstadt arbeitet. Er hat mir als kleines Kind alles beigebracht, und ich stimme mich mit ihm nach wie vor ab. Seit Ende 2009 arbeite ich außerdem mit Glen Schaap zusammen. Er kam als Coach über meinen Ausrüster Adidas zu mir und betreute schon Dinara Safina oder Nadia Petrova. Um im Tennis besser zu werden, ist ein professionelles Umfeld die wichtigste Voraussetzung. Darum habe ich Glen verpflichtet. Durch die Arbeit mit ihm spiele ich viel gefestigter und solider. Ich verliere nicht mehr den Faden in meinen Matches so wie früher manchmal.
Noch eine Frage an die Politikexpertin Petkovic: Ist Guido Westerwelle ein guter Außenminister?
Puh, jetzt ist eine diplomatische Antwort gefordert. Wenn die FDP, so wie jetzt, an der Regierung ist, bin ich kein Fan von ihr. Die FDP und ihr Chef Westerwelle sind in der Opposition besser aufgehoben.
Das war schon sehr diplomatisch.
Ich sage ja: Als Politikerin wäre ich nicht schlecht.nike air jordan 1 factory outlet | is outlet store legit