„Wir sind keine Verräter“
Herr Petzschner, Herr Berrer, Sie stehen in der Weltrangliste so gut wie selten, spielen Ihr bestes Tennis. Trotzdem gibt es einen faden Beigeschmack.
Petzschner: Und das ist schade. Wir konzentrieren uns auf unsere Karriere. Wir wollen uns langfristig in den Top 50 festsetzen. Dafür tun wir alles. Aber es gibt immer wieder Störfeuer.
Viele können nicht nachvollziehen, dass Sie beide für das Davis Cup-Match gegen Frankreich absagten. Warum haben Sie das getan?
Berrer: Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Aber ich habe sie für das Team getroffen.
Wie bitte?
Berrer: Ja. Man hätte sich ja mal die Mühe machen können zu hinterfragen, anstatt auf uns einzuprügeln. Ich habe bis zum 14. Dezember 2009 Turniere gespielt. Ich hatte nur sieben Tage Urlaub, nur zehn Tage Saisonvorbereitung. Ich habe mir den Hintern aufgerissen, um wieder beim großen Tennis dabei zu sein. Als mich Patrik Kühnen anrief, fühlte ich mich der Belastung, Davis Cup zu spielen, nicht gewachsen. Ich hatte praktisch durchgespielt, war zeitweise krank und kam zu dem Schluss: Wenn ich gegen Tsonga und Monfils nicht hundert Prozent fit bin, kann ich dem Team nicht helfen.
Petzschner: Was unsere Kritiker vergessen: Wir sind in Frankreich mit der nominell besten Mannschaft angetreten. Philipp Kohlschreiber und Benjamin Becker sind die deutsche Nummer eins und zwei. Christopher Kas ist der beste Doppelspieler.
DTB-Präsident Georg von Waldenfels wirft aber Ihnen mangelnden Patriotismus vor?
Petzschner: Das ist Unsinn. Von Herrn Waldenfels bin ich enttäuscht. Ich kenne ihn, seit ich fünf bin, weil mein Vater mit ihm in einer Mannschaft gespielt hat. Ich habe ihn früher geduzt, war mit seinen Söhnen befreundet. Ich bin in seinem Haus ein- und ausgegangen. Von ihm hätte ich mir mehr Fairness gewünscht.
Er sprach vielen Fans aus der Seele.
Berrer: Aber die kennen nicht die Hintergründe. Der Präsident sollte sie kennen und den deutschen Spielern den Rücken stärken, anstatt immer negative Nachrichten zu verbreiten. Beim DTB ist bekannt, dass wir grundsätzlich gerne für Deutschland spielen. Wenn ich auf der Tour in einem anderen Land auf dem Platz stehe, vertrete ich mein Land. Als ich in Zagreb im Finale stand, hing dort die deutsche Fahne. Darauf bin ich stolz. Mir vorzuwerfen, ich sei kein Patriot, ist absurd.
Petzschner: Ich habe immer gern für Deutschland gespielt, bei jeder Jugend-WM, beim Davis Cup. Ich werde auch künftig gerne für Deutschland antreten, aber 2010 wollte ich mich auf meine Einzelkarriere konzentrieren, und der Davis Cup passte nun einmal nicht in meine Turnierplanung. Das hat mein Manager Dirk Hordorff schon Ende letzten Jahres signalisiert, und das hat der DTB so akzeptiert.
Warum haben Sie die Athletenvereinbarung der nationalen Dopingagentur NADA nicht unterschrieben, die nötig ist, um Davis Cup zu spielen?
Berrer: Dieses Dokument unterschreibt man, wenn man im nationalen A-Kader steht. Klaus Eberhard (DTB-Sportdirektor, Anm. d. Red.) hat mich dort aber herausgeschmissen. Er hat mich nicht einmal für den B-Kader nominiert. Ich habe kein Problem damit, in keinem Kader zu stehen, aber es macht mich sauer, dass ich als potenzieller Dopingsünder hingestellt werde. Ich halte mich völlig korrekt an die Dopingbestimmungen.
Herr Petzschner, bei Ihnen wurde gemutmaßt, dass Sie nicht unterschrieben, weil Sie schon bei zwei Dopingtests nicht angetroffen wurden und eine Sperre gedroht hätte, falls das noch einmal passiert wäre.
Petzschner: Da besteht kein Zusammenhang. Ich habe nicht unterschrieben, weil ich 2010 nicht Davis Cup spielen wollte. Zu dem Zeitpunkt der A-Kader-Nominierung stand ich auf Platz 87. Mir lag das Dokument zwar vor, aber es war nicht nötig zu unterschreiben. Die angeblich verpassten Tests möchte ich nicht kommentieren. Ich gebe aber offen zu, dass ich einer der chaotischsten Spieler bin. Für einen Typen wie mich ist dieses System ein Killer. Ich weiß teilweise selbst nicht, was ich am nächsten Tag mache.
Sie zählten zum Zeitpunkt der Vergehen zu den Top 50, mussten täglich für eventuelle Tests zur Verfügung stehen.
Petzschner: Einmal war ich auf dem Golfplatz und habe es nicht pünktlich geschafft, am vereinbarten Ort zu sein. Es kann auch immer mal passieren, dass man im Funkloch ist. Ein Topspieler aus den USA hatte eine Autopanne, und sein Akku war leer. Wenn es dann heißt, man kommt seinen Verpflichtungen nicht nach, ist das hart. Aber ich akzeptiere die Regeln. Ich bin im letzten Jahr 13-mal getestet worden. Es gibt nicht ansatzweise einen Verdacht gegen mich. Ich bin in keiner Grauzone.
Aber Sie hätten sich viel Ärger ersparen können, wenn Sie unterschrieben hätten.
Petzschner: Wenn ich weiter so gut spiele, muss ich ohnehin unterschreiben. Ich möchte auch 2011 wieder Davis Cup spielen.
Berrer: Es ist eine lästige Diskussion. Wir haben beide schon in früheren Jahren unterschrieben und werden es wieder tun.
Wie ist die Kommunikation mit Patrik Kühnen? Ist eine Rückkehr ins Team überhaupt vorstellbar?
Berrer: Mit Patrik Kühnen gibt es überhaupt kein Problem.
Petzschner: Wir haben einen guten Draht. Er hatte mich sogar gefragt, ob ich beim World Team Cup spielen wollte. Aber das hat die DTB-Führung verhindert. Ich weiß nicht, ob die eine persönliche Fehde gegen mich ausfechten. Ich hatte vorgeschlagen, dass man die Probleme intern löst. Aber es gab keine Reaktion von Herrn Waldenfels oder von Herrn Eberhard.
Für den World Team Cup hätten Sie doch auch im A-Kader sein müssen?
Petzschner: Nein. Das ist ein reines ATP-Turnier. Ich möchte auch einmal betonen, dass mich Kohlschreiber schon in Memphis gefragt hat, ob ich spielen würde. Es gibt intern überhaupt keine Probleme. Da sieht uns keiner als Verräter.
Berrer: Wir verstehen uns mit allen deutschen Spielern sehr gut. Die Unruhe wurde von außen in die Mannschaft getragen. Auch von Leuten wie Boris Becker und Charly Steeb.
Beide werfen Ihnen mangelndes Ehrgefühl vor?
Berrer: Herr Becker hat auch behauptet, heutzutage unter die Top 75 zu kommen, sei einfach. Ich frage mich nur, warum es ihm als Teamchef nicht gelungen ist, einen seiner Spieler dort hinzubringen und das mit viel mehr finanziellen Mitteln. Das gleiche gilt für Charly Steeb.
Steeb sagt, es gebe die Verpflichtung, dem DTB etwas zurückzugeben.
Berrer: Herr Steeb ist falsch informiert. Der DTB hat mich nie gefördert. Das war der Württembergische Verband. Er hilft mir enorm, und ich gebe etwas an unsere Jugendlichen zurück. Dort hat man vollstes Verständnis für mich. Wenn mir Herr Becker vorwirft, ich würde nicht alles für meine Karriere tun, kann ich nur lachen. Ich verzichte auf vieles für den Erfolg. Ich ernähre mich richtig, gehe abends nicht aus. Ich bin kein Nadal, aber ich arbeite hart. Das sollte man respektieren. Diese alten Recken wollen auf unsere Kosten nur in die Schlagzeilen. Damit schaden sie dem deutschen Tennis.
Petzschner: Mich stört die Doppelmoral. Ehre? Sie haben damals hohe Antrittsprämien kassiert und auch nicht immer gespielt. Da ging es nicht nur ums Vaterland.
Berrer: Um eins klar zu sagen: Uns geht es nicht ums Geld.
Ihr Manager Dirk Hordorff und Georg von Waldenfels bekämpfen sich öffentlich. Spielt das eine Rolle bei Ihren Entscheidungen?
Petzschner: Nein, Herr Hordorff ist mein Manager. Er kümmert sich um Sponsoren und eine gute Trainingsplanung. Wenn er ein Problem mit Herrn Waldenfels hat, dann ist das seine Sache.
Berrer: Wir lassen uns da nicht instrumentalisieren. Und ich fühle mich auch nicht ausgenutzt. Dirk hat uns geraten, angesichts der Kritik Ruhe zu bewahren. Aber irgendwann ist der Punkt erreicht, wo man sich wehren muss.
Das Interview führte Andrej Anticair jordan 1 factory outlet | cheapest jordan lows