Ex HSV-Koordinator Bernhard Peters über Talentförderung im Tennis
Bernhard Peters gilt als einer der besten deutschen Nachwuchskoordinatoren im Hockey und Fußball. Im tennis MAGAZIN spricht der 58-Jährige über die Förderung von Talenten im Tennis.
Herr Peters, der Begriff Talent wird im Sport inflationär verwendet. Was ist für Sie Talent?
Peters: Talent ist eine Mischung aus genetischen Voraussetzungen und Umwelteinflüssen bestehend aus richtigen Trainings- und emotionalen Reizen. Wenn gute genetische Voraussetzungen auf ein gutes Umfeld mit gutem Training, Trainern, emotionaler Bindekraft und Wettkampfsystem treffen, dann kann sich Talent entwickeln. Ein Talent braucht Widerstandsfähigkeit, um sich durchsetzen zu können, wenn es schlechte Phasen gibt. Die Talentfindung ist das Schwerste im Sport.
Beim ehemaligen deutschen Profi Rainer Schüttler hieß es immer, er sei ein Arbeiter und habe wenig Talent. Trotzdem war er die Nummer fünf der Welt. Dann kann man nicht sagen, dass er wenig Talent hatte, oder?
Peters: Sie haben Recht. Rainer Schüttler hatte in seinen Persönlichkeitseigenschaften große Talente, um die vielleicht etwas weniger guten koordinativen und kognitiven Fähigkeiten durch brutalen Fleiß, Leidenschaft und Arbeitsethos auszu-
gleichen.
Was muss man aus Ihrer Sicht tun, um Talente in einer Sportart zu halten?
Peters: Im überwiegenden Maße muss es von innen kommen, dass ein Kind bei einer Sportart bleibt. Aber es muss auch einen Trainer geben, der individuell den einzelnen Sportler begeistern und eine Bindung schaffen kann.
Sind Sie ein Befürworter davon, dass man Sportlern ihre Freiheit lässt?
Peters: Ich bin seit 35 Jahren als Trainer tätig und habe meine Linie ständig weiterentwickelt. Ich war am Anfang viel zu instruierend und habe zu viel nach Vorgabe machen lassen. Spielen lernt man durch Spielen. Dadurch entstehen intuitive Fähigkeiten, Ballgefühl und Spielwitz. In diesem Bereich habe ich als junger Trainer jede Menge Fehler gemacht. Vor allem den, dass ich extravagante Typen zu früh abgeschrieben habe. Immer wieder den ersten Schritt in der Kommunikation auf den etwas schwierigeren, hinterfragenden Spieler zumachen, ist für mich ein wichtiges Kriterium für einen guten Trainer.
Was lässt sich bei Ihrer Arbeit mit Jugendlichen im Fußball auf Tennis übertragen?
Peters: Es braucht Trainer, die Spezialisten für die jeweilige Altersklasse sind. Sie müssen junge Menschen begeistern, führen und erziehen können. Die Tätigkeit mit Jugendlichen ist auch ein Erziehungsjob. Es geht über das normale Schlagen des Tennisballs hinaus. Es ist wichtig, dass Trainer ihre Schüler emotional binden können und eine eigene Handschrift haben. Als Trainer geht es darum, Leidenschaft zu entfachen für den Sport. Ich kann die letzten 20 Prozent von Leistung nicht entwickeln, wenn ich nur Dienst nach Vorschrift mache. Das müssen die Trainer verstehen. Unser Job ist es, die Jugendlichen besser zu machen und eine gewisse Widerstandsfähigkeit zu erarbeiten. Wir müssen sie immer wieder neu ansprechen, auch wenn sie schlechte Phasen haben. Wir müssen sie so erziehen, dass sie bei den ersten Dellen nicht sofort einknicken.
In welchen Bereichen kann Fußball von Tennis lernen?
Peters: Vor allem in der fokussierten und professionellen Lebensweise der Topspieler, die alle Faktoren der sportlichen Leistung, Umfänge, gezielte Arbeit an ihren Stärken und Schwächen , präventives und rehabilitatives Training, Regenerationsmanagement, Ernährung, Schlafqualität in ihren täglichen Ablauf einfließen lassen. Zudem gibt es noch den Videobeweis, der im Tennis seit Jahren gut funktioniert.
Wie ist generell Ihre Beziehung zum Tennis?
Peters: Es ist eine faszinierende Sportart, in der auch viele relevante Dinge für den Teamsport enthalten sind: in der Reaktionsfähigkeit, in der Koordination, in der Orientierungsfähigkeit. Die mentale Leistung der Spieler ist unglaublich, da man als Einzelsportler ständig liefern muss. In einer Teamsportart kann man sich verstecken. Es ist beeindruckend, was Federer, Nadal und viele andere Spieler leisten. Im Tennis muss man sich ständig auf neue Situationen einstellen und den vorherigen Punkt schnell abhaken und neu fokussiert sein.
Was ist Ihre schönste Tenniserinnerung?
Peters: Die Endspiele mit Björn Borg in Wimbledon haben mich fasziniert, auch das deutsche Finale zwischen Becker und Stich. Ich war zweimal in Wimbledon und war begeistert von der Atmosphäre dort. Ich schaue regelmäßig Davis Cup. An das berühmte Match von Michael Westphal gegen Tomas Smid in Frankfurt, als der Teppich verrutschte, erinnere ich mich gerne zurück. Meine markanteste Erinnerung sind meine ersten Olympischen Spiele 1988 in Seoul. Die Tennisplätze waren direkt am olympischen Dorf. Ich bin jeden Tag dorthin gegangen und habe Steffi Graf, Stefan Edberg und viele andere Topspieler trainieren sehen.
Wie nehmen Sie derzeit die Sportart Tennis in Deutschland wahr?
Peters: Tennis hatte eine große Delle nach dem großen Hype um Becker, Graf und Stich. Danach gab es große Vermarktungsprobleme, nachdem die Fernsehverträge auf einmal nicht mehr da waren. Der Deutsche Tennis Bund hat sich aus diesem Loch gut herausgearbeitet. Mit Angelique Kerber und Alexander Zverev gibt es nun auch wieder Aushängeschilder.
Tennis war zu Zeiten von Becker und Graf für kurze Zeit der Nummer-eins-Sport der Deutschen. Mittlerweile strahlt Fußball über allen anderen Sportarten. Hat Tennis die Entwicklung verschlafen?
Peters: Nein, Tennis hat nichts verschlafen und man kann es auch schwer vergleichen. Fußball ist nicht nur ein Sport, sondern eine Volksbewegung, wo jeder mitreden möchte. Für mich war es damals ein überproportionaler Zufall, dass man im Tennis eine Idolisierung mit Becker und Graf so gut für die Vermarktung der Sportart hinbekommen hat.
Sie sind im Januar einer der Referenten beim Internationalen DTB Kongress in Berlin. Was wird der Schwerpunkt Ihres Vortrages sein?
Peters: Es geht um: Was ist ein Talent? Wie findet und bindet man Talente? Wie kann man Talente neben der fachlichen Arbeit auf dem Platz in der Persönlichkeitsentwicklung beeinflussen? Wie formbar sind Jugendliche in diesen Eigenschaften, um aus einem Talent einen Spitzenspieler zu machen? Es ist ein knallharter Weg von einem Talent bis zum Topspieler. Die andere Säule meines Vortrages werden Trainerkompetenzen sein. Wofür will ich stehen als Trainer? Was ist mein Profil in meiner Denk- und Arbeitsweise? Ich freue mich sehr auf den Austausch mit den Kollegen vom Tennis.nike air jordan 1 outlet | air jordan 1 mid space jam release date