ATP-Finals: Die Masters-Story
1970 begann das Erfolgsmodell Masters. Zwei Turnierorte prägten das Format: der Madison Square Garden in New York und die O2-Arena in London. Ein Rückblick und ein Ausblick auf die nächsten Jahre.
Der Akteur erfreut sich bester Gesundheit. Er ist fast 49 Jahre alt, topfit. Es gab ein paar Jahre, da krebste er herum, schien seinen Fokus verloren zu haben. Er tingelte von der iberischen Halbinsel nach Australien und weiter nach Südchina, gastierte in Texas, um dann wieder nach China zu reisen. Aber seit rund zehn Jahren läuft es wieder wie auf Schienen. Seinen 50. Geburtstag im November 2019 wird der Jubilar, wenn nicht alles täuscht, in bester Verfassung in London erleben.
Der Akteur heißt: ATP Finals. Er hieß auch schon ATP World Tour Finals, Masters Cup oder schlicht Masters. Was sich dahinter verbirgt, weiß jedes Kind, das sich für Tennis interessiert – das Saisonfinale der besten acht Spieler, der ultimative Showdown zum Jahresende.
Die Geschichte begann 1970 in Tokio, beim Pepsi Cola Masters. Gespielt wurde im „Tokyo Metropolitan Gymnasium“ auf einem irre schnellen Teppichboden und es ging um das damals üppige Gesamtpreisgeld von 50.000 Dollar. Qualifiziert waren sechs Einzelspieler und drei Doppel, die im Round Robin-Format den Champion ausspielten. Ein Finale gab es nicht. Es siegte der Amerikaner Stan Smith, der mit seinem Landsmann Arthur Ashe auch das Doppel gewann.
Was den Machern nach der gelungenen Premiere vorschwebte, war eine Art Wanderzirkus, um die Faszination Tennis in jeden Winkel auf dem Globus zu tragen. Von der japanischen Hauptstadt zog der Tross in den nächsten Jahren nach Paris, Barcelona, Boston, Melbourne, Stockholm und Houston. Die Stars hießen Ilie Nastase, der das Masters viermal gewann, Guillermo Vilas und Manuel Orantes. Es waren die frühen Profijahre, sozusagen die Ouvertüre zu dem, was Mitte der 70er-Jahre folgen würde, als Tennis durch die Decke ging.
13 Jahre im New Yorker Madison Square Garden
Um dieses Rock ’n Roll-Gefühl zu transportieren, hätte es keinen passenderen Ort geben können als New York. Von 1977 bis 1989 fand das Masters im Madison Square Garden im Herzen von Manhattan statt. Das Masters und der sagenumwobene MSG waren Synonyme, die Erwartungen an die Jahresend-Show so hoch wie das Empire State Building, das nur ein paar Blocks entfernt in den Himmel ragt.
18.500 Fans feierten in Midtown New York auf den Rängen und erlebten die bis dato besten Spieler und Entertainer, die der weiße Sport je hervorgebracht hatte. Es war die Ära von Björn Borg und John McEnroe, von Jimmy Connors und Ivan Lendl. Der coole Schwede, die extrovertierten Amerikaner und der vermeintliche Spielverderber aus dem Ostblock waren die Hauptdarsteller einer Party, die niemand verpassen wollte. Connors gewann das Masters einmal, Borg zweimal (zwei weitere Male erreichte er das Finale), McEnroe dreimal und Lendl fünfmal. Zwischen 1980 und 1988 stand „Ivan, der Schreckliche“, wie die US-Presse den Tschechen zu Zeiten des Kalten Krieges titulierte, neunmal in Folge im Endspiel – ein Rekord, den auch ein gewisser Roger Federer nie brechen sollte.
Zeitsprung: Im November 2009, bei der Premiere der ATP World Tour Finals in London, sitzt Chris Kermode, heute ATP-Boss und damals Turnierdirektor der Veranstaltung in der Players Lounge – weiße Polster in Korbsesseln, gedimmtes Licht, Chill-out-Musik, eine illuminierte Bar und ein Büffet, so stilvoll kredenzt, als hätte es Jamie Oliver, der Popstar unter den Köchen, persönlich drapiert. Kermode – damals 44, ein wenig erfolgreicher Tennisspieler, aber ein findiger Stratege – erzählt vom großen Vorbild, von New York: „Mit dem Masters im Madison Square Garden bin ich groß geworden. Es war der fünfte Grand Slam. Das ist auch mein Traum für London.“
Keine Erfolgsstory ohne die passenden Protagonisten. In London waren und sind es die „Fab Four“ – Roger Federer, Rafael Nadal, Novak Djokovic und Andy Murray. Auf der anderen Seite des großen Teichs, in New York, stürmte, als die Ära Borg-McEnroe-Lendl langsam ausklang, ein neuer Held auf die Bühne, der das Masters prägen sollte wie nur wenige: Boris Becker.
Der epische Matchball zwischen Boris Becker und Ivan Lendl
Tauchen Sie, liebe Leser, noch einmal ein in das vielleicht denkwürdigste Finale der Masters-Historie. Machen Sie es sich auf dem Sofa bequem und genießen Sie: der erdbeerblonde Becker und der kantige Lendl in engen weißen Hosen. Der Court ist taubenblau. Es ist nur ein Einzelfeld aufgemalt, Doppellinien, wie bei anderen Turnieren, gibt es nicht. Die Fans klatschen, trampeln, kreischen. Becker und Lendl bekämpfen sich wie Boxer. Sie taktieren und schlagen gnadenlos zu, tauchen unvermittelt am Netz auf. Als Becker einmal hechtet, scheint der Punktgewinn sicher, aber Lendl sprintet die Grundlinie hinunter und schiebt den Ball am Deutschen vorbei. Der letzte Punkt bei diesem 5:7, 7:6, 3:6, 6:2, 7:6-Epos ist sinnbildlich für die ganze Partie. 36-mal fliegt die Kugel hin und her, oft per Slice, ab und zu voll durchgezogen. Beim 37. Schlag, Becker trifft seine Rückhand nicht voll, tropft der Ball vom Netz auf Lendls Hälfte. Noch im Jubel legt Becker jemand eine Deutschlandfahne um die Schultern – Lendls Regentschaft in New York ist beendet. Die Episode Madison Square Garen endet ein Jahr später – dieses Mal war Becker im Finale an Stefan Edberg gescheitert.
Die Erfolgsstory geht weiter. Nicht in Manhattan, aber in Mainhattan. In Frankfurt am Main, genauergesagt in der Frankfurter Festhalle, boomt das ATP-Finale zu Beginn der 90er-Jahre. Dank Becker, den deutschen Fans im Boris-Wahn und später Michael Stich, dem norddeutschen Widerpart zum barocken Bobele. Kann es ein schöneres Ende eines Happenings geben als eine gemeinsame Geburtstagsfeier? Unvergessen sind die Bilder, als für Geburtstagskind Becker die überdimensional große Torte in die Arena getragen wird und 9.000 Zuschauer „Happy Birthday“ singen?
Die Stars gehen dem Event nicht aus: Andre Agassi mit langen Haaren und neonfarbenem Shirt tritt auf die Bühne, Jim Courier, der Mann mit der Baseball-Rückhand, der wieselflinke Michael Chang und natürlich Pete Sampras. Er zieht mit fünf Siegen mit Ivan Lendl gleich und es schien, als sei der Rekord für die Ewigkeit egalisiert. Dass Roger Federer ihn einmal brechen würde – wer konnte das schon ahnen.
Es waren die fetten Jahre des deutschen Tennis. Der ATP war klar, dass der deutsche der wichtigste globale Tennismarkt war. Und so blieb man nach der Abschiedvorstellung in Frankfurt 1995 gleich vor Ort.
Boris Beckers schönste Niederlage
Ion Tiriac übernahm als neuer Veranstalter und lud in der Messehalle 2 in Hannover ein. Blaue Banden, roter Boden. Es mag weniger festlich gewesen sein als in Frankfurt, aber marketingtechnisch setzte Hannover, die Expo-Stadt, neue Maßstäbe. Nichts symbolisierte das besser als der Tennisball in der TV-Werbung, der aus dem Weltraum auf die Erde zurast und auf dem Greenset-Boden einschlägt wie ein Komet. „Wir sind von Frankfurt noch drei Schritte nach oben geklettert“, schwärmte der damalige ATP-Chef Mark Miles.
Hannover 96 – nein, nicht der Fußballbundesligist – wird für immer mit dem vielleicht besten Endspiel der Masters-Historie verbunden sein. Wieder ist Becker beteiligt. Und Sampras, der Michael Jordan des Tennis, der die Naturgesetze außer Kraft zu setzen schien. 6:3, 6:7, 6:7, 7:6, 4:6 lauteten die finalen Zahlen aus Beckers Sicht. Schöner konnte man nicht verlieren.
Es folgten, wie zu Beginn der Historie, verschiedene Stationen: Lissabon, Sydney, Shanghai, Houston, wieder Shanghai. Für sich genommen mögen es mehr oder weniger
gelungene Veranstaltungen gewesen sein, aber es fehlte das Masters-Gefühl.
Zurück in die Gegenwart. Nach London, wo das ATP-Finale seit 2009 gespielt wird. Um es kurz zu machen: Das Finale der besten acht Profis in der englischen Hauptstadt ist die vielleicht größte Erfolgsgeschichte, die die Gewerkschaft der Tennisprofis und Turnierdirektoren je geschrieben hat – mit einer Inszenierung, die es so noch nie gab, mit jährlich mehr als 250.000 Fans in der O2-Arena, mit mehr als 100 Millionen Fernsehzuschauern weltweit. Vor allem: mit den Fab Four.
Kermode: „Der Erfolg hat alle Zweifel beseitigt”
Ein Mail-Wechsel mit Chris Kermode vor ein paar Wochen. Der ATP-Chef, Chairman und Architekt der Veranstaltung in Personalunion schreibt: „Es gab damals viele Zweifler. Die O2-Arena war eine Baustelle und die Leute kannten nur Sommertennis in Wimbledon und im Queen’s Club. Sie glaubten nicht, dass ein Turnier im November, auf der anderen Seite der Stadt, die gleiche Aufmerksamkeit bekommen würde. Aber der Erfolg hat alle Zweifel beseitigt.“
Bis 2020 läuft der Vertrag mit London. Laut Kermode ist sogar eine Fortsetzung denkbar, aber man sei der Meinung gewesen, dass es jetzt, „aus einer Position der Stärke heraus“, der richtige Zeitpunkt sei, das Turnier neu auszuschreiben.
Interessenten gibt es jede Menge. Ende des Jahres will die ATP die engste Auswahl und die Vorstellungen über die Zukunft des Turniers präsentieren. Eine Entscheidung, wer den Zuschlag bekommt, wird nicht vor März 2019 erwartet. Man kann davon ausgehen, dass mit einem möglichen Wechsel auch das Preisgeld in die Höhe getrieben wird. Wenn die Damen nächstes Jahr in Shenzhen ihr WTA-Finale spielen, wird das Preisgeld verdoppelt. Kermode diplomatisch: „Es ist zu früh zu spekulieren.“
Einige Punkte aber liegen ihm am Herzen: ein Vertrag, der mindestens über fünf Jahre läuft, und ein ähnlicher Belag wie in London. Die Masters-DNA bleibt unangetastet. Kermode: „Wir glauben, dass Round Robin-Matches optimal sind. Für das Fernsehen ist das Format maßgeschneidert. Die Fans können mindestens dreimal ihren Lieblingsspieler sehen.“ So wie 1970, als der Sieger Stan Smith hieß.
Fünf denkwürdige WM-Matches
1988: Boris Becker – Ivan Lendl 5:7, 7:6, 3:6, 6:2, 7:6
Im Madison Square Garden in New York wurde Boris Becker zum ersten Mal Weltmeister. Im 4:42-Stunden-Finale siegte er gegen Ivan Lendl in der knappsten aller Entscheidungen. Als der Tiebreak im fünften Satz begann, hatten beide 157 Punkte gemacht. Beim Matchball für den Deutschen folgte der beste Ballwechsel der Partie. Beim 37. Schlag trudelte die Rückhand per Netzroller unerreichbar für Lendl ins Feld. „Am Ende habe ich den Ball nicht gesehen. Ich habe einfach nur gespielt und bin gelaufen. Spielen und Laufen, ich wusste nicht mal den Spielstand“, sagte der Champion Boris Becker.
1990: Andre Agassi – Stefan Edberg 5:7, 7:6, 7:5, 6:2
Das erste Finale in der Frankfurter Festhalle bot beste Unterhaltung mit einem Duell der Gegensätze. Andre Agassi gegen Stefan Edberg, der beste Returnspieler seiner Zeit gegen den besten Serve-and-Volley-Spieler. In der Gruppenphase siegte der Schwede knapp im Tiebreak des dritten Satzes. Im Endspiel triumphierte der 20-jährige Amerikaner gegen die Nummer eins der Welt. Es blieb sein einziger WM-Titel. „Ohne Zweifel ist das der Höhepunkt meiner Karriere. Dieser Sieg sollte dazu führen, dass einige Leute an mich glauben“, sagte Agassi später. Erst zwei Jahre später gewann er seinen ersten Majortitel (Wimbledon).
1996: Pete Sampras – Boris Becker 3:6, 7:6, 7:6, 6:7, 6:4
Als „Tennis von einem anderen Stern“ ging das erste WM-Finale in Hannover zwischen Boris Becker und Pete Sampras, das mit vier Assen in Folge von Becker begann, in die Geschichte ein. Der Deutsche hatte im Gruppenspiel gewonnen, im hochklassigen Endspiel siegte Sampras. „Haben wir eigentlich schon Tag oder ist schon Nacht? Ich habe völlig die Orientierung verloren“, witzelte Becker hinterher. Der Deutsche war trotz der bitteren Niederlage megastolz auf seine Leistung. „Das war das beste Match, das ich in meinem Leben gespielt habe.“
2005: David Nalbandian – Roger Federer 6:7, 6:7, 6:2, 6:1, 7:6
Dank drei Absagen rutschte David Nalbandian als Nummer zwölf der Welt kurz vor seinem Urlaubsantritt noch ins Turnier. Der Argentinier reiste ohne Vorbereitung von Cordoba nach Shanghai und wurde einer der überraschendsten Weltmeister. Nalbandian rang im Finale Roger Federer nach 4:33 Stunden nieder. Im finalen Satz führte er bereits mit 4:0. Federer glich aus und stand selbst bei 6:5, 30:0 und eigenem Aufschlag kurz vor dem WM-Titel. Nalbandian beendete zwei lange Siegesserien von Roger Federer (35 Siege in Folge, 24 Finalsiege am Stück).
2014: Roger Federer – Stan Wawrinka 4:6, 7:5, 7:6
Im Halbfinale zwischen den Schweizern ging es hoch her. Wawrinka vergab vier Matchbälle und spielte dabei dreimal erfolglos Serve-and-Volley. Kurz nachdem Wawrinka diese drei Matchbälle vergeben hatte, flippte er aus. Federers Frau Mirka soll „Heul doch“ in seine Richtung gerufen haben. In der Umkleidekabine kam es laut John McEnroe zu einem Disput zwischen den beiden Freunden. Federer verletzte sich in der Partie am Rücken und trat zum Finale gegen Novak Djokovic nicht an. Eine Woche später gewannen die beiden Schweizer den Davis Cup. Axel Arigato Men's Bird Tape Sneakers in Cremino, women and kids • Hanbags and accessories | air jordan 1 retro high og red and black release date