2017 Australian Open – Day 8

MELBOURNE, AUSTRALIA - JANUARY 23: Rafael Nadal of Spain arranges his drink bottles in his fourth round match against Gael Monfils of France on day eight of the 2017 Australian Open at Melbourne Park on January 23, 2017 in Melbourne, Australia. (Photo by Cameron Spencer/Getty Images)

Rafael Nadal und die Macht der Gewohnheit

Wer das Spiel des Gegners lesen kann, ist klar im Vorteil und steigert seine Siegchancen. Tenniscoch Marco Kühn erklärt am Beispiel von Rafael Nadal, wie sehr auch Tennisprofis an ihren Gewohnheiten festhalten und was daraus normale Freizeitspieler lernen können.

Ein gekonnter Dreher auf die linke Seite des Bettes, gefolgt von dem verschlafenen Blick auf das Smartphone. Der Flugmodus wird ausgeschaltet, Twitter wird kurz gecheckt. Mit den neuesten Informationen aus Sport und Politik im Hinterkopf führt der weitere Weg Richtung Badezimmer.

Ob wir es nun wahrhaben wollen oder nicht: Jeder Tag von uns ist eine Ansammlung verschiedenster Gewohnheiten, die immer und immer wieder abgerufen werden. Sei es das viel zu starke Zuschlagen der Autotür, das Verdrehen der Augen, wenn der Chef mal wieder spinnt oder das zu viele Gedanken machen vor dem Schlafen. Wäre unser Tag ein Puzzle, dann wären die einzelnen Puzzleteile unsere Gewohnheiten, die aus den verschiedenen Teilen einen ganzen Tag formen würden. Unsere Gewohnheiten bestimmen auch auf dem Tennisplatz viele unserer Handlungen. Du kannst aber nicht nur deine eigenen Gewohnheiten untersuchen und anschließend optimieren. Interessant ist auch, welche Gewohnheiten dein Gegner zeigt und wie du diese nutzen kannst, um dessen Spiel besser lesen zu können.

Der Großmeister der Gewohnheiten: Rafael Nadal

Rafael Nadal ist ein sehr gutes Beispiel für Gewohnheiten. Du kennst seine penibel platzierten Trinkflaschen und sein Ritual vor jedem Aufschlag. Rafa meidet es auch die Linien zu berühren, wenn er vom Seitenwechsel kommt oder zu eben jenem geht. Du siehst, dem spanischen Matador sind Gewohnheiten wichtig. Er braucht diese, um sich auf dem Platz wohlzufühlen. Man kann sagen, dass diese Gewohnheiten Rafa im Griff haben, ebenso wie er seine Gegner auf Sand im Griff hat.

Rafael Nadal

TYPISCH NADAL: Volle Power aus vollem Lauf.

Dies führt uns unweigerlich zu der Frage: Gibt es nicht auch in seinem Spiel Gewohnheiten, die immer mal wieder erahnen lassen, was Rafa als Nächstes spielen wird?

Wenn wir diese Frage jetzt mit der reinen Logik angehen, mit dem Wissen, dass Rafael Nadal von seinen Gewohnheiten auf dem Platz lebt, lautet die Antwort: Ja klar, auf jeden Fall.

Seinen mit Slice von der Vorteilsseite als Linkshänder nach außen gespielten Aufschlag bei entscheidenden Spielständen wie Vorteil, 30:15, 15:30, 40:30 oder 30:40 möchte ich an dieser Stelle nicht als Gewohnheit bezeichnen. Das ist einfach nur taktisch klug und richtig. Aber Nadal zeigt spielerische Gewohnheiten, wenn er den Ball aus dem Lauf heraus als Passierball spielt. So nutzt er auf der Rückhand fast immer die Cross-Variante, um den ans Netz vorgerückten Gegner unnachahmlich zu passieren.

Auf der Vorhand hingegen bedient er sich meist dem fast schon berühmten geraden Strich, der Vorhand-Longline mit Höllentempo, um dem Gegner auch noch den letzten Glauben an einen möglichen Sieg zu rauben. Du findest auf YouTube etliche Highlight-Videos von Nadal, die diese Vorhand aus dem vollen Lauf in Perfektion zeigen.

Es gibt aber noch eine dritte, auffällige Gewohnheit in seinem Spiel. Wenn Nadal einen kurzen Slice des Gegners umläuft, um diesen mit der Vorhand spielen zu können, spielt er diese Vorhand fast ohne Ausnahme Inside-Out. Dies tut er selbst dann, wenn es manchmal mehr Sinn ergeben würde den Ball die Linie entlang zu spielen. Zum Beispiel, wenn der Slice des Gegners nicht sehr effektiv ist und er sehr gut mit der Schlägerfläche unter den Ball kommt.

Erkenne die Gewohnheiten deiner Gegner

Vielleicht hast du dich schon gefragt wie schön es wäre, wenn du doch sehen könntest, wohin dein Gegner den nächsten Ball spielen wird. Klar, du kannst eventuell an der Stellung zum Ball oder an der Ausholbewegung erraten, was passieren wird. Du fährst aber die klügere Schiene, wenn du vom ersten Ballwechsel im Einspielen an sofort auf die Gewohnheiten deines Gegners ein Auge wirfst.

Du kannst dich anhand der folgenden Fragen orientieren:

– Wohin spielt mein Gegner, wenn ich selbst zu kurz spiele: Cross, Longline oder durch die Mitte?

– Wohin spielt mein Gegner, wenn er den Ball aus dem Lauf heraus spielen muss?

– Wie und wohin schlägt mein Gegner auf die Einstand-Seite auf?

– Wie und wohin schlägt mein Gegner auf die Vorteil-Seite auf?

Es ist beispielsweise gar nicht so selten, dass viele Spieler eine Vorhand aus dem Halbfeld cross spielen. Der erste Aufschlag wird sehr gern mit hoher Geschwindigkeit auf deine Rückhand gespielt. Aber natürlich ist jeder Charakter auf dem Platz individuell und besitzt dadurch seine ganz eigenen Gewohnheiten.

Wenn du fortan beginnst wiederkehrende Schläge und Bewegungen bei deinen Gegnern zu beobachten, dann wirst du nicht nur das Spiel besser lesen können. Du entwickelst ein tieferes Spielverständnis, weil du immer wieder neue Charakter und deren Gewohnheiten kennenlernen wirst.

Die Gewohnheiten deiner Gegner führen dich zu dem Schlüssel, der das Rätsel des Matches lösen kann.

Marco Kühn (34) aus Dortmund  ist ein normaler Typ, der in seiner Jugend zu den talentiertesten Spielern in Nordrhein-Westfalen gehörte, sich dann aber am Knie verletzte und seine aktive Karriere beenden musste. Jetzt hilft er als Coach (C-Lizenz) motivierten Vereinsspielern dabei, ihre sportlichen Ziele zu erreichen. Mehr von Marco Kühn findest du auf seiner Website tennis-insider.de.

 

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