Spielanalyse: Smarte Technik auf dem Court
Die Schweizer Firma Kitris bietet digitale Tools für die Videoanalyse von Training und Match an. Neben eigener Software kommen Handy-App, Kamera, Touchscreen und Datentracker zum Einsatz. Der Benefit: Spieler nehmen sich in ganz neuen Perspektiven wahr. Wir haben das „All-In-One-Tennis-System“ ausprobiert.
Fotos: Frank Molter
Das erste Aha-Erlebnis habe ich nach wenigen Minuten auf dem Platz: Christian Züger bittet mich nach einer kurzen Schlageinheit von der Grundlinie zu einem großen Touchscreen, der zusammen mit einem Notebook und einer fest installierten Kamera auf einer mobilen Rolleinheit am Platzrand steht. Ich schaue auf den Bildschirm und sehe meine letzte Rückhand, die ich vor ein paar Sekunden gespielt habe. „Hier, dein Treffpunkt, etwas nah am Körper, oder?“, merkt Züger an.
Er wischt über den Screen, drückt einen Button. Die Aufnahme startet neu, dieses Mal in Zeitlupe und Züger hält sie genau beim Treffpunkt an. „Ja, zu nah am Körper, mein alter Fehler“, stimme ich ihm zu. Das will ich jetzt besser machen und achte bei den nächsten Rückhänden intensiv auf einen besseren Treffpunkt. Das, was bei mir gerade stattfand, nennt Züger die „sofortige Reflexion auf dem Platz“. Um sich eine konkretere Vorstellung davon zu machen, was er meint, fügt er hinzu: „In jedem Fitnessstudio gibt es Spiegel zur Selbstkontrolle – im Tennis nicht.“
Optimalen Spiegel für Tennisplatz finden
Wenn man so will, hat es sich der 49-jährige Schweizer zur Aufgabe gemacht, den optimalen Spiegel für den Tennisplatz zu finden. 2007 gründete er die Firma Kitris, experimentierte erst mit sprachgesteuerten Datentrackern, suchte dann nach videobasierten Lösungen, die praxistauglich und schnell auf dem Platz einsetzbar sind. Sein „Video Assistant“, den er mir gerade vorführt, ist das Ergebnis einer langjährigen Entwicklung. Seit Dezember sind die Software (für 499 €, läuft bisher nur windowsbasiert) und die mobile Rolleinheit (ab 2.397 €) auf dem Markt. Einsatzorte des Systems sind: Akademien, Leistungszentren, Tennisschulen, Großclubs.
„Der Video Assistant ist ein Hilfsmittel für den Trainer“, betont Züger. Mit der verzögerten Wiedergabe auf dem großen Touchscreen von gerade gespielten Schlägen, die man sich direkt danach dort anschauen kann, ist Züger dem Spiegel für den Court schon sehr nahe gekommen. „Wir wollen Lösungen auf dem Platz finden, mitten im Training. Das bewegte Bild des Spielers hilft dabei. Man kann sich dadurch viel schneller weiterentwickeln“, erklärt er.
Mit einer mobilen Kamerabasis, der per Funk mit der Rolleinheit verbunden ist, wird Zügers Spiegel für den Court sogar noch beweglich. Beim Aufschlagtraining liegt eine kleine schwarze Box mit Funkantennen vor mir. Ich serviere, springe dabei in Richtung Kamera und kann mir die Aufnahme gleich im Anschluss auf dem Screen ansehen.
„Da geht noch mehr bei deiner Größe. Dein Treffpunkt könnte höher sein“, analysiert Züger, der früher selbst Trainer war. Ich will protestieren, aber die Zeitlupen auf dem Bildschirm sprechen für sich. Der Fachmann hat recht. Also dann: Auch mein Aufschlag, den ich bisher gar nicht so schlecht fand, hat ein paar Anpassungen nötig. Dank der Videoaufnahmen weiß ich nun ziemlich genau, auf was ich achten muss. Ich probiere es direkt aus. „Schon besser“, lobt Züger.
Viel besser als Filmen per Handy
Trinkpause. Wir sitzen auf der Bank, blicken auf die smarte High-End-Technik auf dem Platz. „Könnte man das alles nicht auch einfach mit dem Handy filmen“, frage ich. Züger schüttelt den Kopf. Dann zählt er auf, was den „Video Assistant“ von Kitris besser macht als jedes Handyvideo. Der Coach hat die Hände frei, er soll sich um seine Schüler kümmern, die Videoaufnahmen werden nebenbei aufgezeichnet. Außerdem nutzt Kitris eine eigens entwickelte Software, um die Daten für die Praxis optimal bereitzustellen. Auf dem großen Touchscreen kann man in die Spielsequenzen mit den Fingern reinzoomen, bestimmte Ausschnitte anwählen, eigene Markierungspunkte setzen.
„Und außerdem“, fügt Züger hinzu: „Spieler, die gefilmt werden, verhalten sich anders. Sie strengen sich mehr an und spielen besser.“ Dieser Effekt stellt sich gerade dann ein, wenn Trainer sporadisch mit dem Handy filmen. Steht aber eine Kameraeinheit bei jedem Training auf dem Platz, gewöhnen sich die Spieler daran. „Irgendwann wird sie nicht mehr beachtet und die Schüler spielen normal“, sagt Züger. Dann wird der „Video Assistant“ von Kitris zu einen großen Mehrwert – für Coaches und Schüler.
Genug trainiert! Wir wechseln in den Match-Modus. Christian Rüegg, Züglers Kollege, steht mir gegenüber. Bevor wir loslegen, wird eine Kamera per Teleskopstab und Metallhaken, die „Mano“, an die Vorhangschnur am Platzende gehängt. Wir stecken uns Datentracker in die Schweißbänder und Züger öffnet die Kitris-App, um meine Punkte manuell zu tracken. Mein Gegner trackt seine Punkte selbst: Durch Bewegungen mit Handgelenk und Unterarm gibt er dem Chip zu verstehen, ob sein letzter geschlagener Ball ein Winner oder ein Fehler war. Die Schlagart erfasst der Tracker eigenständig. Aus allen Komponenten ergibt sich ein kompletter Kontext für jeden gespielten Punkt.
Nach dem Satz kommt das Tool „Video Insight“ von Kitris zum Zuge. Dazu klappt Züger sein Notebook auf, lädt die Videoaufnahmen und Trackingdaten hoch und fügt alles zusammen – ein Service, den sich Kitris mit fünf Euro vergüten lässt.
Ungeahnte Möglichkeiten bei der Matchbetrachtung
Denn die Synchronisation von Video- und Matchdaten eröffnet Spielern und Trainern ungeahnte Möglichkeiten bei der späteren Matchbetrachtung. Es ist nämlich möglich, sich durch gezielte Abfragen etwa alle Breakbälle anzeigen zu lassen. Oder alle Winner. „Das alles ist in fünf Minuten nach Matchende verfügbar“, verspricht Züger. Mein persönliches Highlight: die kurze Zusammenfassung des Testdurchgangs mit den besten Ballwechseln. Mein Returnbrett bei 3:0, mein Ass bei 4:1, der wunderbare Passierball meines Gegners bei 3:5. „Wir wollen mit diesem Tool jedem die Möglichkeit geben, neue Einblicke in sein Spiel zu erhalten und sich so zu verbessern“, sagt Züger.
Ideal ist der Mix aus mobiler Platzkamera und gesammelten Matchdaten für ambitionierte Jugendspieler, die mit ihren Eltern auf Turniertour sind. „Mama und Papa haben dann etwas zu tun, wenn sie mit der App das Match tracken – das ist ja auch manchmal ganz gut“, scherzt Züger. Aber im Ernst: Nach einer Partie können die zusammengestellten Highlights zum Coach geschickt werden. „Er weiß dann viel mehr von einem Match als durch spätere Erzählungen“, sagt Züger. Am Morgen nach meinem Besuch in der Schweiz schickt er mir ein etwas längeres Highlight-Video mit Musikuntermalung – noch so ein Aha-Erlebnis.
Im Überblick: Kitris – Digital Tennis-Tools aus der Schweiz
Filmen aus allen Lagen: Damit Trainer flexibler mit der Kamera auf dem Court agieren können, hat Kitris eine mobile Kamerabasis entwickelt, die per Funk mit der Basis-Station verbunden ist. Schnelle Perspektivwechsel während des Trainings werden so möglich. Die Funkeinheit kostet 1.499 Euro, die Basis-Station gibt es ab 2.397 Euro.
Daten für alle Zwecke: Während eines Matches setzt Kitris zwei Methoden zur Punkterfassung ein. Versierte Spieler benutzen Datentracker am Handgelenk, die sie entweder durch Bewegungen mit dem Unterarm oder per Tastendruck bedienen. Die zweite Vorgehensweise funktioniert manuell über eine Tracking-App. Die Daten können danach mit einem gefilmten Match synchronisiert werden.
Kamera für alle Fälle: Wer ein komplettes Match aufzeichnen will, braucht für die Kamera einen guten Standort, um den ganzen Platz einzufangen. Ideal ist eine Aufhängung am Zaun. Dafür hat Kitris die „Mano“ (Preis: 139 €) entwickelt – eine Vorrichtung, die man dank Teleskopstab und Metallhaken in jeden Zaun hängen kann. Oben lässt sich die eigene Kamera befestigen.
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