Braunschweig: Zu Besuch beim weltbesten ATP-Challenger
Braunschweig gilt als weltbestes ATP-Challenger. In diesem Jahr feierte das Turnier seine 25. Auflage. Wir waren beim Jubiläum zu Besuch.
Manchmal lohnt es sich, einen Umweg zu nehmen, um die besondere Atmosphäre aufzusaugen. Zu Fuß geht es zehn Minuten durch den 42 Hektar großen Bürgerpark in Braunschweig. Es riecht nach Sommer. Vögel zwitschern, Blumen sprießen, Bäume sorgen für herrlich klare Luft, Jogger genießen die vorabendliche Ruhe. Vorbei am Portikusteich erreichen wir den Braunschweiger Tennis- und Hockey-Club – eine der schönsten Tennisanlagen Deutschlands. Wir sind zu Gast beim vermutlich weltbesten ATP-Challenger-Turnier. Wir wollen hautnah erleben, was dieses Turnier so besonders macht, dass es zum vierten Mal innerhalb von fünf Jahren zum besten Event in dieser Turnierkategorie gewählt wurde.
ATP-Challenger in Braunschweig: Tennis meets Nighlife
Es ist nicht nur die malerisch gelegene Turnieranlage, die den einzigartigen Charme ausmacht, sondern auch das Ambiente. Weltklassetennis hautnah und Spieler zum Anfassen: Das bekommt man in Braunschweig geboten. Pablo Cuevas, Topgesetzter des Turniers, sitzt mit seinem Team und Bruder Martin auf der Sommerterrasse neben Turnierzuschauern und genießt seinen Einzug ins Viertelfinale. Vorjahressieger Nicola Kuhn, 18 Jahre alt, schlendert über die Anlage. Als die Sängerin Lotte mit ihrem Konzert beginnt, wird es voll vor der Bühne. Auch zahlreiche Spieler, darunter Yannick Hanfmann, schauen sich die talentierte Künstlerin mit den melancholischen Texten an. Das Braunschweig-Challenger steht unter der Erfolgsformel „Tennis meets Nighlife“. Bereits vor Hauptfeldstart kamen 11.000 Zuschauer auf die Anlage, um die Jubiläumsparty, die 25. Auflage des Turniers, zu feiern.
„Das Konzept Tennistainment wurde in Braunschweig erfunden. Halle zog später nach“, sagt Sybille Schmidt, die Pressesprecherin des Turniers, über den Mix aus Spitzentennis, Musik und Unterhaltung. „Es gibt Zuschauer, die Urlaub nehmen, um eine Woche hier beim Turnier zu sein.“ Für viele Braunschweiger sei es der ‚Place to be.‘ Die Stärke des Turniers? „Es ist auch das eingeschworene Team. Viele Personen sind seit Jahren dabei“, berichtet Schmidt. Mit dazu gehört auch Roland Herfel, der langjährige Oberschiedsrichter des Braunschweig-Challengers. „Ich war bei der ersten Auflage als Schiedsrichter tätig. Es ist das einzige Turnier, bei dem ich zu Hause schlafen kann, da ich in der Nähe wohne“, sagt der Offizielle mit Gold Badge. Der besondere Charme sei für ihn vor allem „die perfekte Verbindung zwischen Tennis und Entertainment. Es gibt hier zwei Arten von Zuschauern, die auf wunderbare Weise zusammengefügt werden. Es gibt viele Leute, die nur feiern wollen und etwas früher kommen, um trotzdem Tennis zu schauen. Und Zuschauer, die nur Tennis gucken wollen, aber dann am Abend zum Showprogramm da bleiben. Diese Mischung macht den Reiz und den Erfolg aus.“
ATP-Challenger: Braunschweig ist eine Starschmiede
Wer sich entscheidet, nach Braunschweig zu fahren, der kann sich sicher sein, dass er nicht nur starkes Tennis und angesagte Showacts geboten bekommt, sondern auch den einen oder anderen Spieler sieht, der einige Jahre später zum Grand Slam-Champion avanciert. In der Siegerliste des Turniers finden sich einige prominente Namen wieder. Magnus Gustafsson (1994), Alberto Berasategui (1996), Tomas Berdych (2003) und Florian Mayer (2013) etwa. Zahlreiche French Open-Sieger haben vor ihrem Coup in Paris in Braunschweig aufgeschlagen: Carlos Moya, Gustavo Kuerten, Juan Carlos Ferrero und Stan Wawrinka. Gaston Gaudio triumphierte in der Löwenstadt im Jahr 2000 und ließ vier Jahre später den Titelgewinn bei den French Open folgen. Und auch Roger Federer ließ sich auf der Anlage im Bürgerpark blicken. Im Jahr 2002, vor seinem großen Durchbruch, besuchte er das Turnier zum Kids Day und schlug Bälle mit den Kleinen.
Braunschweig ist eine große Starschmiede und bestätigt immer wieder seinen Ruf als „Sprungbrett-Turnier zur Weltkarriere“. Alexander Zverev feierte hier seinen Durchbruch als Profi, als er 2014 mit 17 Jahren und als Nummer 665 der Welt mit einer Wildcard ausgestattet sensationell das Turnier gewann. „Die Woche mit Sascha war etwas ganz Besonderes“, erzählt der heutige Turnierdirektor Volker Jäcke, der damals noch in einer anderen Funktion für das Turnier tätig war. Vier Jahre später ist Zverev ein deutscher Superstar, die Nummer drei der Welt. Im Vorjahr schlug die große Stunde eines anderen 17-Jährigen. Der Deutsch-Spanier Nicola Kuhn stürmte als Qualifikant zu seinem ersten Challenger-Titel. Dieses Jahr reiste Kuhn wegen einer Knöchelverletzung mit wenig Spielpraxis nach Braunschweig und verlor in der ersten Runde klar gegen Yannick Hanfmann. Die freie Zeit nach dem Aus nutzte Kuhn, um mit seinem Doppelpartner, dem 19-jährigen Norweger Casper Ruud, an seinem Spiel zu feilen. Die Trainingsbedigungen in Braunschweig sind ideal, um auch nach dem Turnieraus zu bleiben. Der zweimalige Titelträger Thomaz Bellucci blieb nach seiner Erstrundenniederlage noch mehrere Tage und zog ein mehrstündiges, knallhartes Trainingsprogramm durch.
Hanfmanns größter Titel
Die Attraktion des Turniers war aber Hanfmann. Der 26-Jährige nahm die Zuschauer mit auf eine emotionale Reise und setzte sich nach der Entthronung von Titelverteidiger Kuhn in der folgenden Runde im deutschen Duell gegen Dustin Brown mit dem Rücken zur Wand noch durch. Brown servierte bereits zu einem souveränen Zweisatzsieg, ehe Hanfmann das Match noch drehen konnte. Drei Tage später stand der 1,93-Meter-Schlaks, der vier Jahre am renommierten US-College University of Southern California Internationale Beziehungen studierte, mit der Siegertrophäe da – als vierter Deutscher in der Turnierhistorie.
„Ich habe versucht, die Wichtigkeit dieses Turniers auszublenden. Ich bin gerade total leer und doch voller Emotionen“, kommentierte Hanfmann den größten Erfolg in seiner Karriere. Das inzwischen bekannte Manko des gebürtigen Karlsruhers: Er ist von Geburt an schwerhörig. „Auf dem Tennisplatz ist es eher positiv, weil ich nicht alles höre, was draußen geredet wird“, nimmt er sein Handicap gelassen zur Kenntnis. Bei seiner Siegerrede sprach er an, warum Braunschweig als weltbestes Challenger gilt. „Wir Spieler lieben dieses Turnier, wollen immer wieder herkommen. Was man hier alles für uns tut und dazu die vielen Zuschauer: Das ist einfach fantastisch.“ Die nächsten 25 Jahre in Braunschweig können kommen.Air Jordan 1 Outlet Store | Cheap Air Jordans 1 low For Sale