Niki Pilic im Interview: „Ich war ein Spieler ohne Trainer”
Niki Pilic wird 80 Jahre alt. tennis MAGAZIN hat mit dem Mann mit dem phänomenalen Gedächtnis telefoniert und über seine Anfänge als Spieler, seine Erfolge als Trainer und das heutige Tennis gesprochen.
Niki Pilic wird heute 80 Jahre alt und tennis MAGAZIN gratuliert der Trainerlegende. Unter Pilic gewann Deutschland dreimal den Davis Cup (1988, 1989, 1993). Der Kroate holte die hässlichste Salatschüssel der Welt noch zwei weitere Male – 2005 mit Kroatien und 2010 mit Serbien. Pilic lebt im kroatischen Opatija und steht immer noch jeden Tag auf dem Platz. Wir haben mit dem Mann mit dem phänomenalen Gedächtnis telefoniert und über seine Anfänge als Spieler, seine Erfolge als Trainer und das heutige Tennis gesprochen.
Herr Pilic, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Wieviele von den 80 Jahren haben Sie auf dem Tennisplatz verbracht?
Mindestens 65. Nach der Schule gab es praktisch nur noch Tennis, auch wenn ich zweieinhalb Jahre Jura studierte. 1962 hatte ich meinen Durchbruch mit Boro Jovanovic. Wir erreichten das Finale von Wimbledon. Ein paar Wochen später rief ich den Turnierdirektor von Travemünde an und sagte: „Mein Name ist Niki Pilic. Ich würde gerne ihr Turnier spielen. Kann ich 300 Dollar haben?“ Es waren dann am Ende 250. Für Stars wie Laver oder Emerson wurde viel Geld unter dem Tisch gezahlt. Ich musste jeden Dollar sparen, damit ich Geld zum Leben und zum Reisen hatte. Für die Leute beim Einladungsturnier in Travemünde hatte es sich gelohnt: Ich gewann das Einzel und Doppel.
Wie reisten Sie damals?
Meistens mit dem Zug. Ich hatte einmal in Darmstadt ein Turnier gewonnen, da musste ich Sonntagnachmittag nach London fliegen, um pünktlich in Wimbledon zu spielen. Es war viel schwerer von einem Turnier zum anderen zu kommen. 1963 flog ich von London nach New York, um Forest Hills zu spielen. Mit mir waren 40 Spieler aus Europa im Flieger. Der Flug dauerte zehn Stunden.
Was war Ihr allererstes Tenniserlebnis?
Ich war ein Spieler ohne Trainer. Als ich begann, verreiste der Clubtrainer in Split gerade nach Australien – und kam nie wieder. Ich habe dann nur mit den anderen Kindern gespielt. Einmal spielte ich ein Turnier in Zagreb, führte in meinem Match 6:0 und 4:0. Dann kamen Bekannte aus Split zum Zuschauen, Basketballer, Schwimmer. Ich bekam einen Zitterarm und verlor das Match noch. Ein Jahr später traf ich wieder auf den gleichen Gegner wieder und gewann glatt. Ich war damals kein guter Techniker, aber ich hatte ein gutes Auge, eine gute Psyche und gute Beine.
Und einen guten Aufschlag!
Das kam später, als mein Linkshänder-Service gefürchtet war. Das war eine natürliche Bewegung.
Warum ist für Sie Tennis der beste Sport?
Als ich zwölf oder 13 war, spielte ich Fußball bei Hajduk Split. Ich hatte das Gefühl, mein Wille zu siegen war meistens viel größer als bei meinen Mitspielern. Einmal habe ich mich mit einem Jungen aus meinem Team sehr gestritten deswegen. Wir haben geboxt. Das Resultat war, dass er eine rote Nase hatte und ich mir sagte: Ich muss etwas anderes machen. Dann habe ich mir einen alten Tennisschläger für wenig Geld gekauft, einen italienischen Maxima. Die Bespannung war schlecht. Ich ging auf die Riva, die Hafenmeile in Split, und kaufte mir eine dicke Nylon-Angelschnur. Meinen ersten Schläger bekam ich, indem ich mein Fahrrad gegen das Racket eines Schulfreundes tauschte. Das Fahrrad brauchte ich nicht mehr, weil meine Familie in die Nähe des Tennisclubs gezogen war. Ich spielte dann erstmals im Club gegen einen wenig talentierten Jungen. Ich fand es merkwürdig, dass nicht wie beim Tischtennis gezählt wurde – 1:0, 1:1. Stattdessen 15, 30, 40. Aber in das Spiel hatte ich mich verliebt.
Wie kam es, dass Sie Tennisprofi wurden?
Meine Mutter fand die Idee gut. Mein Vater sagte: erst Schule, dann Tennis. Die Schule war mäßig. In Geschichte war ich gut, in anderen Fächern nicht so gut. Aber meine sportliche Seele war sehr stark. Ich habe wie verrückt gekämpft. Ein paar meiner Alterskameraden waren besser, weil sie einen Trainer hatten – den, der nach Australien abgehauen ist. Meine Technik war wie gesagt nicht besonders. Ich habe mich noch mit 29 Jahren verbessert. In der Zwischenzeit studierte ich in Novi Sad, wo ich meine spätere Frau kennengelernt hatte (mit Mija ist er noch immer glücklich verheiratet, d. Red.). Ich wusste nicht, ob ich vom Tennis würde leben können. Während des Studiums bekam ich Geld von einem Club für zwei Einsätze die Woche. Für einen Studenten ging es mir gut. Als ich mit 23 das Doppelfinale von Wimbledon spielte – Boro und ich verloren in vier Sätzen gegen Bob Hewitt und Fred Stolle – sagt ich mir: Das ist der „River of no Return.“ Rechtsanwälte gibt es schon genug in Jugoslawien. Also Tennis. Einmal habe ich in Bremen für 80 Mark gespielt.
Es schien Ihnen aber nicht schlecht zu gehen. Sie fuhren damals schon einen Mercedes, als nur Staatspräsident Tito einen besaß.
Als ich ihn kaufte, war ich schon 28 oder 29. Ich bestellte ihn in Stuttgart. Einen 280 SL Pagode, ein Cabriot. Ich kam aus den USA, wartete zwei, drei Tage, bis der Wagen fertig war und überführte ihn. In Split brauchte ich eigentlich kein Auto, weil ich ständig auf Reisen war. Aber ich wollte eben einen Wagen, der zu mir passte. Zu dem Zeitpunkt verdiente ich gutes Geld. Ein Mercedes damals in Split – das war, als wenn man heute einen Learjet besitzt.
In Teil 2: Pilic über die Pyjama-Party und die Reform im Davis Cup