Casper Ruud im Porträt: Norwegens Einzelkämpfer
Casper Ruud ist auf einer Mission: Tennis in seinem Heimatland populärer machen und den Rekord seines Vaters knacken. Wir stellen den 20-Jährigen näher vor.
Skilanglauf: gehört zur DNA. Skispringen: auf jeden Fall. Biathlon: selbstverständlich. Handball: extrem populär. Aber Tennis? Nein, Tennis spielt in Norwegen keine Rolle. Oder sollte man lieber sagen, dass es bis jetzt keine Rolle spielte? Denn Casper Ruud ist auf dem Weg, das zu ändern. Das Ziel des 20-Jährigen: Tennis in Norwegen aus der Bedeutungslosigkeit holen. Als tennis MAGAZIN Ruud beim ATP-Turnier am Hamburger Rothenbaum traf, erscheint er gut gelaunt zum Interview.
„Es existiert nicht so viel Interesse an Tennis in Norwegen. Ich verstehe, dass olympisches Gold im Skifahren zu gewinnen etwas Größeres ist, als ein Top Ten-Tennisspieler in der Welt zu sein. Das Interesse ist in den letzten Monaten aber gestiegen. Besonders als ich gegen Roger Federer bei den French Open gespielt habe. Das war eine große Sache in Norwegen“, erzählt Ruud in astreinem Englisch. In Paris erreichte der Norweger die dritte Runde – 20 Jahre nachdem es sein Vater Christian an gleicher Stelle geschafft hatte. „Ich weiß mehr über seinen Vater als über ihn“, berichtete Federer grinsend vor dem Drittrundenmatch bei den French Open. Nach seinem Sieg gegen Ruud stellte der Schweizer ihm ein gutes Zeugnis mit viel Entwicklungspotential aus. „Ich mag viel an seinem Spiel. Ich glaube, dass er es schnell in die Top 50 oder Top 20 schaffen kann.“ Worte, die bei Ruud runtergingen wie Öl.
Casper Ruud: besser sein als der Vater
Schaut man in das aktuelle ATP-Ranking, sind dort nur drei Norweger vertreten. Ein klares Indiz dafür, dass Profitennis in Norwegen so gut wie nicht existiert. „Es ist eine große Entscheidung, Profi zu werden und Tennis zu deinem Leben zu machen. Vielleicht haben viele Norweger etwas Angst davor. Sie glauben nicht wirklich daran, dass sie es schaffen können. Ich wollte immer ein Profi sein. Natürlich ist es leichter, wenn du einen Vater hast, der früher selbst Profi war und dich unterstützt, seitdem du klein bist. Mein Vater hat mir sehr geholfen“, erzählt Ruud. Sein Vater Christian Ruud spielte zehn Jahre auf der ATP-Tour und erreichte als erster Norweger überhaupt die Top 100 in der Weltrangliste. Ruud zog bei den Australian Open 1997 ins Achtelfinale ein. Sein bestes Ranking: Platz 39. Bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona hatte er Boris Becker am Rande der Niederlage.
Mit der Hilfe seines Vaters, der auch als einer seiner Trainier fungiert, hat Ruud ein großes Ziel: besser sein als sein Vater. „Das ist eines der vielen Ziele in meiner Karriere“, sagt der 20-Jährige, der es bereits bis auf Platz 54 geschafft hat. „Das Zwischenziel Top 100 habe ich im März erreicht. Es ist alles noch etwas neu für mich. Langfristig möchte ich noch weiterkommen – natürlich in die Top 10. Wenn sich die großen Drei um Federer, Nadal und Djokovic verabschieden, wird es in der Tenniswelt sehr offen sein. Wir haben in unserer Generation niemanden, der so hervorsticht wie einer von ihnen. Platz eins wird nach ihrem Rücktritt hart umkämpft sein. Irgendjemand muss die Nummer eins der Welt sein. Ich werde alles unternehmen, dass dort mein Name steht.“
Casper Ruud teilt gegen Kyrgios aus
Forsche Worte vom Norweger, der bereits im jungen Alter mit einer eigenen, starken Meinung auffällt. Als Ruud beim Turnier in Rom im Match gegen Nick Kyrgios hautnah Zeuge wurde, wie der Australier nach dem Wurf eines Stuhls auf dem Platz disqualifiziert wurde, sprach er sich hinterher offen für eine Sperre von Kyrgios aus. „Er hat das bekommen, was er verdient. Er denkt, er kann tun, was er möchte. Es scheint nicht so, dass er sich ändert. Die ATP sollte etwas tun. Ich bin nicht der einzige, der denkt, dass er gesperrt werden sollte für mindestens ein halbes Jahr.“
Im Vergleich zu Kyrgios unternimmt Ruud viel, um in der Weltrangliste weiter nach vorne zu kommen. Seine Trainingsbase hat er an die Rafa Nadal Academy in Manacor verlegt. „Das war sehr hilfreich. Nadal ist mein Vorbild. Es ist extrem, wie Rafa spielt. Niemand kann so spielen wie er. Es ist super für mich, in der Akademie zu sein. Manchmal kann ich mit Rafa trainieren. Aber auch Toni Nadal ist viel vor Ort und engagiert sich bei den jungen Spielern. Er gibt mir viele gute Tipps und stand mit mir viele Stunden auf dem Platz. Es ist toll, Hilfe von einem Trainer mit so viel Erfahrung zu bekommen“, sagt er.
Casper Ruud: „Nadal hat mir geholfen beim Denken auf Sand”
Das Training mit und bei Nadal hat Ruud vor allem beim Spiel auf seinem Lieblingsbelag Sand einen enormen Schub gegeben. Nach seinem Finaleinzug in Houston im April – seine erste Endspielteilnahme auf der ATP-Tour – folgten das Achtelfinale in Rom, die dritte Runde bei den French Open und das Halbfinale in Kitzbühel. „Nadal hat mir geholfen beim Denken auf Sand, mit der Methode, die er anwendet. Sein Training ist hart. Er scherzt nicht herum.“ Mit der Methode meint er die hohe Intensität, die Nadal im Training anwendet – körperlich und mental.
Man spürt, dass Ruud seinen Traum vom Tennisprofi Tag für Tag lebt. Früh war bei ihm alles ausgerichtet auf eine Profikarriere. Bei den Junioren schaffte er es sogar auf Platz eins der Weltrangliste, obwohl er bei den Grand Slam-Turnieren meist nicht allzu weit kam. Die hohen Erwartungen, die meist auf den weltbesten Junioren lasten, hat er allerdings nicht gespürt. „Die Nummer eins ist eine große Sache. Die Junioren denken viel darüber nach. Du hast als Nummer eins der Junioren aber keine Garantie, dass du dann auch ein guter Profispieler wirst. Es ist ein guter Start, mehr nicht“, meint er.
Vater Ruud eine große Stütze
„Es kann für einige Junioren schwer sein, sich an das professionelle Leben mit den neuen Erfahrungen und all den älteren Spielern zu gewöhnen. Ich hatte schnell einen Durchbruch und habe das Challenger-Turnier in Sevilla gewonnen, als ich noch ein Junioren-Spieler war. Das war sozusagen der Vorlauf auf das, was noch kommt in meiner Karriere. Ich versuche, jede Woche gut zu spielen und zu gewinnen. Es ist nicht so, als könnte man jede Woche gewinnen, aber man sollte es zumindest versuchen“, sagt Ruud. Für seine 20 Jahre wirkt der Norweger bereits extrem gereift in seiner Herangehensweise.
Vater Christian Ruud ist dabei auf und neben dem Platz eine große Stütze. „Wir haben eine gute Beziehung. Mein Vater macht mehr als ein normaler Trainer. Er versucht, auf die kleinen Dinge zu achten“, sagt er. Eine Vater-Sohn-Beziehung kann aber auch seine Stolpersteine haben, wie die Vergangenheit gezeigt hat. „Wir hatten nie große Probleme. Einige Tage sind schwieriger. Wenn man lange Zeit zusammen ist, kann man schon mal voneinander genervt sein. In meinem Fall war es leichter, weil er selbst Profi war. Es hilft, dass ich respektiere, was er sagt mit den Ratschlägen, die er mir gibt.“ Christian Ruud wird alles dafür tun, dass sein Sohn das große Ziel erreicht: der beste Norweger zu werden und damit gleichzeitig besser zu sein als er. Casper Ruud hat mit seinen 20 Jahren noch viel Zeit, um das zu schaffen.
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