„Jetzt schließt sich der Kreis“
Eine Villa im noblen Hamburger Stadtteil Pöseldorf. Hier befindet sich das Büro der Michael Stich Stiftung. In den hohen, mit Stuck verzierten Räumen hängen riesige Poster der Anti-Aids-Werbekampagne. Der Hausherr trägt Jeans, ein weißes Hemd und Strickjacke. Der Hamburger Rothenbaum, die künftige Wirkungsstätte von Michael Stich, liegt nur ein paar hundert Meter Luftlinie entfernt. Im Gespräch mit tennis magazin präsentiert sich der neue Turnierdirektor aufgeräumt und optimistisch.
Herr Stich, Sie sind überraschend Turnierdirektor am Hamburger Rothenbaum geworden. Wie kam es dazu?
Es sind Personen aus der Hamburger Wirtschaft auf mich zugekommen. Sie hatten Sorge, dass Hamburg das Turnier verlieren würde. Sie haben mich gefragt, wie ich mir die Zukunft mit dem veränderten Status vorstelle. Und ich habe geantwortet, dass ich fest an die Veranstaltung und an die tennisbegeisterten Hamburger glaube. Die Zuschauer sind früher gekommen, als das Turnier ganz klein war. Sie kamen, als es groß war. Ich bin mir sicher, sie werden dem Turnier auch künftig die Treue halten. Ich jedenfalls habe meine Bereitschaft erklärt, meinen Teil dazu beizutragen, das Turnier in Hamburg zu halten, nicht, indem ich eigenes Geld investiere, sondern meine Kontakte, mein Know-how nutze.
Das Turnier hat seinen Masters-Status verloren, hat in den letzten Jahren Schulden gemacht. Kein gutes Timing für die Übernahme einer Führungsposition am Rothenbaum, oder?
Fragen Sie mich das in sechs Monaten (lacht). Doch im Ernst: Ich glaube, dass es einfacher ist, jetzt einzusteigen, in einer Phase, in der sich etwas Neues aufbauen lässt. Vielleicht kann dann in den nächsten Jahren wieder etwas Größeres entstehen.
Wie bei einer Aktie, in die man investiert, wenn sie im Keller steht?
Der Vergleich hinkt. Der Aktienkurs ist manchmal am Boden, obwohl Gewinn gemacht wird. In Hamburg war die wirtschaftliche Seite in den letzten Jahren schlecht, die sportliche hat immer gestimmt. Ich möchte diese beiden Komponenten wieder so zusammenzufügen, dass es insgesamt passt.
Sie gründeten die Hamburg Sports & Entertainment GmbH (HSE), deren Gesellschafter Sie sind. Wer ist involviert?
Eine Kommunikationsfirma, eine namhafte Eventagentur und ich, das ist ein festes Dreigespann. Dazu kommt als Partner der DTB, der viel Erfahrung hat. Damit sind wir gut aufgestellt, weil alle Bereiche abgedeckt sind.
Dabei tragen nun Sie das wirtschaftliche Risiko, nicht der DTB. Stimmt es, dass es Sponsoren gibt, die sich unter der Führung des DTB nicht engagieren wollten, jetzt aber bereit sind?
Davon habe ich auch gehört. Meine Grundlage, dieses Engagement auszuüben, ist eher emotional. Uns geht es nicht darum, Geld zu scheffeln dafür sind die Voraussetzungen nicht gut genug. Der Rothenbaum gehört zu Hamburg wie der Hafen und die Alster. Das will ich künftigen Partnern vermitteln und ihnen etwas bieten, wenn sie sich engagieren. Man kann nicht einfach mit dem Finger schnippen und auf einen Geldregen hoffen. Die Stadt ist reich, es gibt viele Menschen, die sich engagieren. Warum nicht für den Sport, eine der sozial-verbindlichsten Komponenten?
Emotionales Engagement was genau bedeutet das für Sie?
Ich war schon als Siebenjähriger am Rothenbaum. Ich bin über Zäune geklettert und durch Löcher gekrochen. Ich durfte als Zuschauer dabei sein, was auch nicht immer einfach war, weil ich aus einer normalen Familie stamme, und es meine Eltern viel Geld gekostet hat, mir und meinen beiden Geschwistern Karten zu kaufen. Ich hatte den Traum, in Hamburg einmal Quali zu spielen und habe ihn mir erfüllt. Dann bin ich zum ersten Mal im Hauptfeld gestartet. Ich weiß noch, wie ich gegen Jonas Svensson böse verloren habe. 1992 stand ich im Finale und ein Jahr später habe ich gewonnen. Jetzt schließt sich für mich der Kreis. 17 Jahre nach meinem Sieg versuche ich, dem Turnier etwas zurückzugeben.Sehen Sie sich als der Retter?
Ich bin weder Retter des Rothenbaums noch Garant dafür, dass es jetzt funktionieren wird. Aber es gibt positive Signale. Die Hamburger Handelskammer ist extrem engagiert, auch mit dem Senat habe ich gute Gespräche geführt. Wir wollen erreichen, dass sich das Turnier über Sponsoren und verkaufte Tickets trägt. Dann können wir der Stadt eines Tages 20 000 Euro für die Jugendsportförderung spenden und etwas zurückgeben.
Das alles hat der bisherige Turnierdirektor Charly Steeb auch probiert. Woher nehmen Sie Ihren Optimismus?
Auf der weltweiten Tour gehört Hamburg zu den besten 20 Turnieren, es ist das größte deutsche Turnier. Trotz allem ist es eine Hamburger, eine regionale Veranstaltung. Ich will versuchen, meine Kontakte zu Politik und Wirtschaft zu nutzen, um Menschen und Unternehmen für das Turnier zu begeistern. Ich werfe meine Kontakte und meinen guten Ruf in die Waagschale. Meine Partner wissen, dass ich mich nicht aus einer Laune heraus engagiere, sondern meine Energie und mein Herzblut hineinlege. Charly hat hier in Hamburg sehr gute Arbeit geleistet und einen guten Eindruck hinterlassen. Trotz allem war es für ihn schwierig, weil Hamburg nicht seine Heimatstadt ist.
Wie ist jetzt Ihr Verhältnis zu Ihrem alten Davis Cup-Kameraden? Immerhin haben Sie ihn um seinen Job gebracht.
Ich habe ihm gesagt, dass die Initiative nicht von mir ausging. Ich wollte ihn ja nicht rausdrängen. Zwischen uns ist alles okay.
Haben Sie ein Ass im Ärmel?
Mich. (Pause). Oder was meinen Sie?
Einen potenziellen Titelsponsor.
Nein, den gibts nicht. Dann wäre es einfach gewesen. Ich hätte die erste halbe Million im Sack. Die Handelskammer akquiriert zur Zeit Gelder. Auf die sind wir angewiesen. Es gibt eine klare Vereinbarung zwischen uns und dem DTB, dass diese Leistung erfüllt werden muss…
… es ist die Rede von 600 000 Euro, die aus dieser Quelle fließen sollen.
Wenn wir komplett bei null anfangen müssten, hätten wir in der Kürze der Zeit kaum eine Chance. Wobei es nicht um 50 000 Euro mehr oder weniger geht. Wenn zwei, drei Unternehmen mitziehen, wird es leichter sein, andere zu überzeugen. Wenn ich 20 Unternehmen finde, die 50 000 Euro beisteuern, kommt auch eine Millionen zusammen. Diesen regionalen Firmen können wir eine Plattform bieten, und sie können dazu beitragen, die Wichtigkeit des Turniers zu unterstreichen. Das ist meine Vision von der Sportstadt Hamburg. Es ist schön, Federer und Nadal zu bieten, die traten aber auch die letzten fünf Jahre an, und das Turnier hat sich ausschließlich über sie identifiziert. Wenn es ein Finale zwischen Juan-Martin del Potro und Philipp Kohlschreiber gibt, ist das kein Deut schlechter. Es muss nur richtig kommuniziert werden.
Das klingt ein wenig nach Abschied von der großen Bühne.
Nein, überhaupt nicht. Die ATP hat uns zwei Top 6-Spieler und zwei weitere aus den Top 12 zugesagt.
Die Topspieler sind dann bereits auf dem Weg in die USA. Hamburg findet in diesem Jahr Ende Juli statt und passt nicht in deren Saisonplanung.
Das glaube ich überhaupt nicht. Wir sind das letzte große Turnier in Europa, bei dem viele Punkte und ein gutes Preisgeld vergeben werden. Die wenigsten Spieler wollen acht Wochen auf Hartplatz spielen. Selbst Nadal plant laut seiner Website, in Hamburg anzutreten. Vielleicht besucht uns sogar ein Roger Federer für einen Tag aus alter Verbundenheit. Ich finde den Termin gar nicht so schlecht. Wir werden im Juli besseres Wetter haben. Wir liegen in der ersten Ferienwoche von Hamburg, in der viele noch nicht in den Urlaub gefahren sind. Es ist auch eine Chance. Vielleicht haben wir schöne, laue Sommerabende und können ein Nightmatch einführen.
Was planen Sie konkret? Welche Highlights soll das Turnier bieten?
Wir wollen das Turnier familien- und kinderfreundlicher gestalten. Es soll Spaß machen, sich auf der Anlage aufzuhalten. Es gibt nicht nur die große Betonschüssel, wo das große Tennis stattfindet. Wir wollen an die Zuschauer appellieren: Ihr seid ein überlebenswichtiger Bestandteil des Turniers, Ihr seid enorm wichtig. Wir werden versuchen, ihnen vieles zu bieten. Was genau, kann ich noch nicht verraten, aber die Planungen laufen.
Haben Sie bereits Kontakt zu einem Fernsehsender aufgenommen?
Es gibt Gespräche mit DSF, das schon in der Vergangenheit übertragen hat. Ich habe auch mit Patrik Kühnen gesprochen, der für das Turnier in München verantwortlich ist, und mit Erwin Straka, dem Turnierdirektor von Stuttgart. Es gibt schon länger die Idee einer gemeinsamen Deutschland-Tour, in die auch die Veranstaltungen von Halle und Düsseldorf integriert sind. Meine Vorstellung ist, dass wir wie die Amerikaner eine Serie durchführen. Der beste Spieler, der an mindestens drei Turnieren teilnehmen muss, bekommt einen zusätzlichen Bonus. Auch bei der Verpflichtung von Spielern können die deutschen Turniere näher zusammenrücken. Wenn München und Hamburg am selben Spieler interessiert sind, schnüren wir ein Paket, und es wird für alle billiger.
Die Katarer sind an der Turnierlizenz beteiligt. Wie ist ihre künftige Rolle?
Ich weiß es nicht. Ich habe bislang noch keinen Kontakt gehabt. Im gesamten katarischen Verband sind alle Personen ausgetauscht worden, was es nicht leicht macht. Ich werde den Kontakt jetzt suchen und habe die Hoffnung, dass sie den einen oder anderen Sponsor stellen. Wir müssen diese Verbindung aktivieren. Die Katarer sind ein wichtiger Bestandteil des Turniers, aber wir können nicht nur fordern, sondern müssen ihnen auch die Möglichkeit bieten, ihr Land auf der Anlage vernünftig zu präsentieren.
Haben Sie Angst zu scheitern?
Es ist mir schon bewusst, dass meine Pläne nicht unbedingt funktionieren müssen. Ich habe es mir gründlich überlegt und allen Beteiligten gesagt, dass ihnen klar sein muss, dass ich eine Menge riskiere. Hamburg ist das Turnier, das mir am Herzen liegt. Wenn ich an Scheitern denke, wäre ich nicht angetreten. Am 27. Juli, wenn das Turnier zu Ende ist, setzen wir uns hoffentlich wieder zusammen und sagen: Es war ein tolles Turnier.
Das Gespräch führten Thomas Kosinski und Andrej AnticJmksportShops | Chaussures, sacs et vêtements | Livraison Gratuite | air jordan 1 outlet near me