Nur Tochter Jada stiehlt Clijsters die Show
Als eines der beeindruckendsten Comebacks der Sportgeschichte seine Vollendung gefunden hatte, sank Kim Clijsters auf die Knie, brach in Tränen aus und verweilte eine gefühlte Ewigkeit kauernd am Boden. Die Welt um sie herum lag der neuen US-Open-Königin da schon längst zu Füßen. „KimBack“, „KimPossible“ – die US-Medien überschlugen sich geradezu vor Begeisterung.
Nur ein kleines Mädchen brachte es an diesem denkwürdigen New Yorker Abend fertig, Kim Clijsters die Schau zu stehlen. Ihre anderthalbjährige Tochter Jada tanzte nach der Heldentat der Mama vor 23.351 Zuschauern vergnügt auf dem Centre Court des weltgrößten Tennis-Stadions und testete im Blitzlichtgewitter um kurz vor Mitternacht die Stabilität des Siegerpokals.
„Alles wirkt so surreal“
Die auf einen Schlag um 1,6 Millionen Dollar reichere Clijsters konnte ihr Glück nach dem 7:5, 6:3-Finalsieg gegen Caroline Wozniacki (Dänemark) kaum fassen. „Was passiert ist, wirkt alles so surreal. Es war nicht geplant und ging so schnell. Eigentlich bin ich hergekommen, um mich langsam wieder an alles zu gewöhnen“, sagte die Belgierin, die nach 27-monatiger Pause erst vor vier Wochen auf die Tour zurückgekehrt war.
In der Stunde ihrer triumphalen Rückkehr ins Rampenlicht wurde aber auch eines deutlich: Die neue Clijsters hat mit der alten Kim, die vor vier Jahren zum ersten Mal in Flushing Meadows gewonnen hatte, nicht mehr viel gemein. „Es ist das schönste Gefühl, Mutter zu sein. Das ist meine Priorität“, sagte die 26-Jährige über ihre kleine Kraftquelle: „Jada ist es egal, ob ich gewinne oder verliere. Mein Mann Bryan und ich wollten sie auch hier in New York unterhalten, und genau das hat mir geholfen abzuschalten.“ Besuche im Zoo und auf Spielplätzen des Central Parks gehörten zum Programm.
Erster Sieg einer Wildcard-Starterin
Anerkennung zollte der Weltranglistenerste und frischgebackene Zwillingsvater Roger Federer. „Es ist unglaublich und phantastisch, was Kim geschafft hat. Das ist eine tolle Story für das Frauen-Tennis“, lobte der Schweizer die erste Mutter seit 29 Jahren in den Siegerlisten eines Grand-Slam-Turniers. Als erste Wildcard-Starterin überhaupt gelang Clijsters der Coup bei einem der vier großen Turniere, was sie in der neuen Weltrangliste gleich wieder unter die Top 20 bugsiert.
Nach der erfolgreichen Reise zurück in die Zukunft gewährte Clijsters tiefe Einblicke in ihr Seelenleben. Anfang des Jahres war ihr Vater Leo einem schweren Krebsleiden erlegen. Mit der Geburt seines Enkelkindes im Jahr zuvor hatte Tochter Kim ihm noch einen Herzenswunsch erfüllt. „Bei allem, was ich tue, spüre ich seine Präsenz. Das hilft, ist manchmal aber auch traurig“, sagte sie und verriet: „Ich glaube an Zeichen. Und in der letzten Zeit sind so viele Dinge passiert, dass wir dachten: Okay, er wacht über uns. Und das ist ein wirklich schönes Gefühl.“
Wieder bei null angefangen
Ihren Sieg in Flushing Meadows sieht die frühere Nummer eins gleichermaßen als persönliche Bestätigung und allgemeine Motivationshilfe. „Es hat gezeigt, dass es möglich ist, Mutter und Athletin zu sein“, sagte Clijsters.
Die Lust am Tennis war zurückgekommen, als sie sich nach Jadas Geburt für ein paar Showmatches fitmachen wollte. „Vom Kopf her war ich ziemlich schnell wieder soweit, aber der Körper konnte nicht so schnell folgen. Ich musste bei null wieder anfangen, das war schon hart“, berichtete die zweimalige Grand-Slam-Gewinnerin, die sich für ihr Comeback Tipps von Tennis-Mama Lindsay Davenport (USA) holte.
Pläne für die kommenden Wochen hat Clijsters noch nicht. Erst einmal freut sie sich auf ein „bisschen abschalten und das normale Familienleben“. Fest steht, dass sie bei den Australian Open im Januar spielen will. Bis dahin sind für die US-Open-Siegerin andere Ereignisse von Bedeutung. „Meine Schwester bekommt bald ein Baby. Da will ich zu Hause sein“, sagte sie, während Jada nach einem ereignisreichen Tag langsam müde wurde.
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