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Ana Ivanovic: „Ich hatte Angst, die Nummer 1 zu werden“

Frau Ivanovic, die tennis magazin-Leser haben Sie zur Tennispersönlichkeit 2008 gewählt
das haut mich wirklich um, weil ich mit so etwas gar nicht gerechnet habe. Ich habe mit dem Tennis begonnen, weil ich Monica Seles toll fand. Sie war mein Hero. Jetzt möchte ich auf dem Platz ein Vorbild für die jungen Kids sein. Diese Auszeichnung von den deutschen Lesern ist eine ganz große Ehre für mich. Es ist etwas ganz Besonderes, wenn man von den Fans gewählt wird.

Im Tennisbusiness haben die Stars wenig Kontakt zu ihren Fans. Die meisten Tennisprofis gelten als unnahbar.
Ich sehe mich überhaupt nicht als Star. In erster Linie bin ich eine Tennisspielerin, die unheimlichen Spaß an ihrem Beruf hat. Und ich mag es wirklich gern, wenn die Fans auf mich zukommen oder wenn sie mich in meinen Matches anfeuern. Ohne die Begeisterung der Fans geht es nicht. Wir wären nicht die, die wir sind, wenn wir keine Zuschauer hätten.

Suchen Sie selbst denn den Kontakt zu Ihren Fans?
Ja, ich schreibe auf meiner Homepage ein Tagebuch. Damit möchte ich den Leuten einen Einblick in mein Leben geben, ihnen erzählen, wie der Alltag eines Tennisprofis verläuft. Wir reisen durch die ganze Welt, spielen Woche für Woche gegeneinander und trainieren. Aber in unserer Freizeit machen wir ganz gewöhnliche Dinge wie jeder andere auch. Ich möchte ihnen klar machen, dass wir ganz normale Menschen sind.

Normale Menschen haben manchmal Probleme im Job. Auch bei Ihnen gab es letzte Saison Enttäuschungen.
Zuerst einmal möchte ich sagen, dass es das erfolgreichste Jahr meiner bisherigen Karriere war. Ich habe ein Grand Slam-Turnier gewonnen und bin die Nummer 1 geworden. Davon habe ich immer geträumt, dafür bin ich Tennisprofi geworden. Dann kam die Verletzung am Daumen. Ich hätte eigentlich schon in Wimbledon nicht spielen sollen, aber danach ging gar nichts mehr. Es war frustrierend, wochenlang nicht spielen zu können. Vor allem, weil ich nicht für mein Land bei den Olympischen Spielen antreten konnte. Auf der anderen Seite hatte ich Zeit, die sportlichen Ereignisse aufzuarbeiten. Ich habe in der Zeit darüber nachgedacht, was es bedeutet, einen Grand Slam zu gewinnen, und was es bedeutet, die Nummer 1 zu sein. Mir ist klar geworden, dass ich noch härter arbeiten muss, um an der Spitze zu bleiben und ein richtiger Champion zu sein.

Wie groß war die Enttäuschung, den Spitzenplatz zu verlieren, ohne selbst eingreifen zu können?
Es hat mich nicht sehr gestört. Die Ranglis-te ist doch nur eine Momentaufnahme. Entscheidend ist, dass man gesund ist und spielen kann. Wenn man gute Ergebnisse erzielt und Turniere gewinnt, dann kommen die Punkte automatisch und die Position in der Rangliste spricht für sich selbst. Die Nummer eins zu sein, ist eine tolle Sache, aber für mich ist das Wichtigste, dass ich in diesem Jahr endlich ein Grand Slam-Turnier (French Open, die Red.) gewonnen habe.

Was haben Sie gedacht, als die beste Spielerin der Welt, Justine Henin, ihre Karriere plötzlich beendet hat?
Es war für uns alle eine sehr große Überraschung. Sie war eine riesige Kämpferin. Sie war nicht die größte und kräftigste Spielerin, aber ihr Spiel war so gut, dass sie sich über einen sehr langen Zeitraum ganz oben halten konnte. Es ist schon traurig, dass sie nicht mehr dabei ist. Aber auf der anderen Seite muss man akzeptieren, dass sie offensichtlich an einen Punkt in ihrem Leben gekommen ist, wo sie andere Prioritäten setzt.

Können auch Sie sich vorstellen, keine Lust mehr aufs Tennis zu verspüren?
Nein. Es sei denn, alles dreht sich nur noch darum. Man muss eine gute Balance finden zwischen dem Job Tennis und dem Privatleben, damit das Spielen Spaß macht. Wenn man aber das Gefühl hat, dass es außer Training und Matches kein Leben mehr gibt, kann es einem irgendwann vielleicht zu viel werden. Aber solange man Freunde hat, ins Kino oder shoppen gehen kann, also ein normales Leben führt, kann ich mir niemals vorstellen, dass ich keine Lust mehr aufs Tennisspielen habe.

Waren Sie froh, dass die dominierende Spielerin den Thron geräumt hat?
Um ehrlich zu sein, war es so. Es gab vier oder fünf gleichstarke Spielerinnen hinter Justine, und ich war einige Zeit die Nummer zwei hinter ihr. Nachdem Justine aufgehört hatte, wurde Maria Sharapova die Nummer 1. Dann kam das Turnier in Rom und ich wusste, wenn ich dort gut spielen würde, wäre ich ganz oben gewesen. Aber ich war sehr nervös und hatte richtig Angst davor, die Nummer 1 zu werden. Im Nachhinein bin ich ganz froh darüber, dass es dort nicht geklappt hat, denn so bin ich mit dem Sieg in Paris die Nummer 1 geworden. Das ist noch viel mehr wert.

Sie haben einmal gesagt, dass ein Tennismatch einem Fight im Boxring ähnelt.
Tennis kann ziemlich brutal sein. Wenn man gegen eine Gegnerin spielt, die einem nicht sonderlich sympathisch ist, ist man besonders heiß, sie zu besiegen. Mit so einem Heißsein egal ob positiv oder negativ kann ich mich noch besser auf mein Spiel fokussieren und versuchen, noch einen Tick mehr zu geben als die andere Spielerin. 

Und wie war das Gefühl, nachdem Sie die Nummer 1 geworden waren?
Nach dem Erfolg in Paris habe ich eine ganz neue Erfahrung gemacht. Ich war auf Platz eins, und es gab niemanden mehr vor mir. Plötzlich hatte ich mein großes Ziel erreicht. Da habe ich gedacht: Und was kommt jetzt? Alle, gegen die ich spiele, sind plötzlich hinter mir und wollten dasselbe, was ich vorher wollten die Beste schlagen.

Die Nummer 1 wechselt bei den Damen fast wöchentlich. Ist das ein Beweis der Stärke im Damentennis, oder ist es ein Anzeichen dafür, dass es den Topspielerinnen an Konstanz mangelt?
Es ist für uns und auch für die Fans interessanter, wenn es mehrere Topspielerinnen auf einem hohen Niveau gibt. Man reist zu einem Turnier und weiß vorher nicht, wer gewinnt. Es gibt heute bei den Damen keine, die so dominierend ist. Jede Topspielerin kann überall gewinnen. Das ist für alle äußerst spannend.

Einige Spielerinnen treten als Models auf, um die Tour zu promoten. Auch Sie machen Fotoshootings. Gehört das wie das Tennisspielen zum Job eines Profis?
Das Damentennis hat sich erheblich gewandelt. Es wird heute viel Wert auf Schönheit und Mode gelegt. Manchmal führt das sogar zu Eifersüchteleien unter den Spielerinnen. Für mich ist das Modeln eine nette Abwechslung neben dem Tennis. Es macht mir großen Spaß, mit solchen Aktionen unseren Sport zu unterstützen und anderen Leuten schmackhaft machen.
              
Das Interview führte Achim Schneider
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