Judy Murray: „Ein Coach muss Humor haben“
Über Ihre Erfahrungen und Visionen spricht Judy Murray mit großer Offenheit. Besonders die Förderung von Mädchen ist ihr ein Anliegen. Für sie wünscht sie sich mehr weibliche Trainer. Aber auch das Einbinden von Eltern in das Trainingsgeschehen liegt ihr am Herzen. Ein Gespräch über uncoole Mütter, robuste Jungs und den perfekten Coach.
Interview: Nina Schwarz
Frau Murray, als Mutter und Trainerin des ehemaligen Weltranglisten-Ersten Andy Murray sowie seines Bruders Jamie, einem Weltklasse-Doppelspezialisten – wie haben Sie den Spagat zwischen Zuhause und Tennisplatz hinbekommen?
Ganz wichtig: Es ist nicht cool für einen Jungen, von seiner Mutter gecoacht zu werden – egal in welchem Alter. Als meine Jungs zwölf und 13 Jahre alt waren, habe ich einen 20-jährigen Collegestudenten für das Training engagiert, das er nach meinen Vorstellungen durchgeführt hat. Er war in unserer Region ein guter Tennisspieler und hatte einen angesagten Haarschnitt. Er war den Jungen nah und mich haben sie dadurch nicht jeden Tag auf dem Platz erlebt. Das hat die Trainingsarbeit entspannt. Später wurde er Kapitän des schottischen Davis Cup-Teams.
Judy Murray über Alexander Zverev: Er sprang auf dem Bett herum, schrie und hämmerte gegen die Hotelwand.“
Am Beispiel von Alexander Zverev sieht man aktuell, wie schwierig es ist, wenn ein Elternteil, in diesem Fall der Vater, Trainer ist. Sogar der berühmte Ivan Lendl ist kürzlich an dieser Konstruktion gescheitert.
Grundsätzlich ist es schwierig, aber einige Elterntrainer schaffen es. Wenn man sein Kind in fremde Hände geben muss, es allein mit einem anderen Erwachsenen zu Tennisturnieren reist, hat das viel mit Vertrauen zu tun. Ist ein Elternteil Trainer, ist es zumindest in diesem Punkt einfacher. Man kann als junger Leistungssportler auch sehr einsam sein. Ich habe Sascha kennengelernt, da war er drei Jahre alt. Sein großer Bruder Mischa und mein Andy spielten damals in Portugal bei einem Turnier für unter 14-Jährige. Vater und Mutter Zverev waren ebenfalls dabei, beide einst selber Top-Spieler. Das kann helfen. Ich erinnere mich, dass der kleine Sascha nicht schlafen konnte. Er sprang auf dem Bett herum, schrie und hämmerte gegen die Hotelwand. Ich ging zu seinen Eltern und sagte, sie müssen ihr Kind beruhigen. Es waren Saschas erste Erfahrungen beim Reisen mit seinem Bruder. Was ich damit sagen will: Im Familienverbund lassen sich manche Dinge einfacher lernen und regeln.
Wie wichtig ist grundsätzlich die Unterstützung von Eltern?
Ein großer Vorteil ist, wenn die Familie gemeinsam Sport macht. So können die Kinder spielerisch ihre Fähigkeiten entwickeln, ohne dass gleich viel Geld in Training investiert werden muss. Ist ein besonders begabtes Kind in der Trainingsgruppe, ist das Verständnis für das gesamte Umfeld von großer Bedeutung. Das ist der Grund, warum ich viele Kinder-Eltern-, aber auch Großeltern-Enkel-Workshops gebe.
Judy Murray: „Eltern kennen ihre Kinder am besten.“
Manche Trainer mögen es nicht, wenn die Eltern beim Training dabei sind oder sich sogar einmischen.
Ein Fehler. Eltern kennen ihre Kinder am besten. Der Coach erlebt sie nur wenige Stunden in der Woche. Ich kann als Trainer aber nur positiven Einfluss nehmen, wenn ich auch das Umfeld des Kindes kenne. Deshalb ist es wichtig, die Eltern mitzunehmen, mit ihnen die Ideen des Trainings zu erörtern. Von Anfang an sollten sie wissen, welchen Weg der Trainer gehen will, was die einzelnen Schritte bedeuten und was von ihnen erwartet wird: zeitlich, finanziell und verantwortungsmäßig. Auch solche Ansprachen muss ein Trainer können. Allerdings wird auf diesen Fokus derzeit im Nachwuchsbereich noch viel zu wenig Wert gelegt. Eltern können zu Hause viel unterstützen – wenn sie wissen, worauf es ankommt.
Was genau meinen Sie?
Kürzlich fragte mich die Mutter eines neunjährigen Jungen, was sie an Nahrungsergänzungsmitteln geben soll. Ernährung ist natürlich wichtig. Aber genauso wichtig sind die kleinen Dinge: Dass die Kinder genug zu trinken dabei haben, eine Kappe bei Hitze tragen und mit einen Snack zwischendurch ihr Energielevel wieder aufladen können.
Judy Murray: „Mit dieser Einstellung tun wir den Kindern keinen Gefallen.“
Die extreme Form des Kümmerns sind Helikopter-Eltern…?
Ja, das ist ein Problem. Sie räumen ihren Kindern alle Umstände aus dem Weg, wollen ihnen Enttäuschungen und Fehler ersparen. Mit dieser Einstellung tun wir den Kindern langfristig aber keinen Gefallen. Sie müssen Fehler machen dürfen, und auch Enttäuschungen gehören zur Persönlichkeitsbildung dazu.
Den Schritt vom begabten Nachwuchs in den Profibereich schaffen dennoch nur wenige Spieler. Was sind die Gründe?
Es gibt so viele Alternativen, das ist bekannt. Genau deshalb ist es wichtig, im Tennis nachhaltig zu arbeiten. Damit die Jugendlichen eben nicht vorzeitig aufhören. Ich gebe Coaching-Kurse, weil ich hoffe, dass die Teilnehmer davon etwas mit nach Hause und in ihre Clubs nehmen. Menschen beginnen mit Sport, weil sie Spaß haben wollen, weil sie dort ihre Freunde oder Gleichgesinnte treffen, weil der Coach nett ist. Wenn wir all das als Trainer berücksichtigen, haben wir schon eine Menge gewonnen.
Wie sieht der perfekte Trainer aus? Wenn es ihn denn überhaupt gibt.
Er muss vor allem ein guter Kommunikator sein. Ich kenne viele Trainer, die haben ein wahnsinniges Wissen in ihrem Bereich, viel Kompetenz. Aber sie können es nicht gut weitergeben. Dafür braucht man Menschenkenntnis, emotionale Intelligenz, eine gute Portion Humor, Organisationstalent – und immer Leidenschaft für die Sache. Es ist der richtige Mix, der aus einem guten Coach einen sehr guten Coach macht.
Judy Murray über die Förderung von Mädchen
Ein besonderes Anliegen ist Ihnen die Förderung von Mädchen. Warum?
Weibliche Trainer sind im Tennis in der Minderheit. Und das ist ein Problem.
Weil…?
…Jungen und Mädchen verschieden sind. Als ich Fedcup-Kapitänin für Großbritannien war, habe ich mir den weiblichen Nachwuchs in den Trainingscamps angeschaut. Besonders zwischen 16 und 18 Jahren waren es nur noch wenige Mädchen, die dabei geblieben waren. Und das liegt daran, dass Jungen und Mädchen unterschiedlich Tennis spielen, aber zu 80 Prozent von männlichen Trainern unterrichtet werden.
Judy Murray: „Sport ist historisch männlich dominiert. Daran hat sich wenig geändert.“
Und das heißt?
Jungen sind robust, laut und sind von klein auf Wettkampf gewöhnt. Sie lieben ihn. Mädchen mögen Wettkampf nicht so sehr. Deshalb spielen sie auch lieber Doppel als Einzel. Sie sind gern in ihrer Freundinnen-Gruppe, haben auch noch andere Interessen. Zwischen zwölf und 16 Jahren finden ehrgeizige sportliche Mädchen selten Gegnerinnen. Viele haben dann schon aufgehört. Also müssen sie gegen Jungen spielen, wozu sie meist keine Lust haben und dann ebenfalls aufhören. Den Kreislauf gilt es zu durchbrechen. An dieser Stelle kommen die noch nicht vorhandenen Trainerinnen ins Spiel. Mädchen brauchen weibliche Trainer, denn die können sich vorstellen, wie sie ticken und entsprechend einfühlsamer motivieren.
Ist das nicht ein Rückschritt in alte Rollen?
Sport ist historisch männlich dominiert. Daran hat sich wenig geändert. Gut bezahlte Jobs sind im Tennis rar, für Frauen sowieso. Zudem sind die Arbeitszeiten frauenfeindlich. Mitreisen und Training bis in die Abendstunden ist mit Familie schlecht zu realisieren. Außerdem sind in der Tennis-Federation weltweit zumeist Männer die Entscheider. Auch das erschwert das Umdenken.
Muss auch auch die Trainerausbildung verändert werden?
Ja. Ich habe dafür ein Coaching-Programm entwickelt: ‚She rallies‘ soll helfen, mehr Mädchen für Tennis zu begeistern. Dann haben wir hoffentlich irgendwann mehr Frauen als Trainerinnen.Yeezys – Jordans, Musee-jacquemart-andre News, Jordan Essentials Statement Hoodie – release dates & nike. | Sneaker Petun & Release Dates – FitforhealthShops – Sandals INBLU VO173F01 Cobalt Blue