Alexander Bublik: „Die Leute bezahlen, um eine gute Show zu sehen”
Der Kasache Alexander Bublik ist einer der ungewöhnlichsten Spieler auf der ATP-Tour. Ein Gespräch über Geld, Aufschläge von unten, sein Verhalten auf dem Platz und Doppelfehler.
Erschienen in der tennis MAGAZIN-Ausgabe 7/2020
Februar 2020. Alexander Bublik spielt beim ATP-Turnier in Marseille. Gegenüber der französischen Sportzeitung L’Équipe sagt der damals 22-jährige Kasache schonungslos offen. „Um ehrlich zu sein, sehe ich keine positive Sache daran, ein Tennisprofi zu sein. Ich spiele nur wegen des Geldes.“ Bubliks Worte verbreiten sich in Windeseile im Tenniskosmos. Wenige Tage zuvor beim ATP-Turnier in Montpellier schimpft er auf dem Platz: „Ich hasse Tennis von ganzem Herzen. Ich hasse jeden Tag, an dem ich es spielen muss.“ Bublik ist ein Spieler der Sorte: Ich sage, was ich denke. tennis MAGAZIN wollte es genauer wissen, rief den Kasachen an und erlebte einen aufgeräumten, reflektierten Spieler, der sich viele Gedanken um die Weiterentwicklung seiner Sportart macht.
Herr Bublik, wie nehmen Sie die aktuelle Pause auf der ATP-Tour wahr?
Mir geht es gut. Die Pause ist für mich kein Problem. Ich genieße es, zu Hause zu sein, meine Familie und meine Freundin zu sehen. Außerdem verbringe ich viel Zeit damit, Videospiele zu daddeln.
Sie haben in einem Interview gesagt, dass Sie Tennis nur wegen des Geldes spielen. Erläutern Sie das bitte.
Ich habe das damals vielleicht etwas vorschnell und unreflektiert gesagt, aber generell stehe ich zu dieser Aussage. Ich spiele professionelles Tennis vor allem wegen des Geldes. Es ist ein guter und wichtiger Motivator für die ersten Jahre in der Karriere. Es ist nicht so, dass ich den Tennissport an sich hasse, das Spiel selbst liebe ich. Was ich nicht mag, sind der Wettbewerb, die viele Fliegerei und die vielen unterschiedlichen Zeitzonen, die eine harte Herausforderung für mich sind. Wenn man damit kein Geld verdient, würde ich das auf keinen Fall auf mich nehmen. Warum sollte ich meinem Körper das antun? Nur, um den Ball auf drei verschiedenen Kontinenten in kurzer Zeit nacheinander zu schlagen? Die Strapazen, die die Profi-Tour mit sich bringt, müssen etwas wert sein. Und dieser Wert kann auch monetär sein.
Sie haben ebenfalls gesagt, dass Sie glauben, dass Training nicht besser macht. Wie meinen Sie das?
Wenn man viel trainiert, bedeutet es schon, dass man sicherlich ein guter Tennisspieler wird. Aber es gibt tausende Spieler, die exzessiv trainieren – bestimmt sehr viel mehr, als andere Topspieler oder ich es tun –, aber letztendlich kommen sie nicht oder nur langsam vorwärts. In einem Teamsport kann man eine bestimmte Position auswählen, in der man genau weiß, was zu tun ist. Im Tennis hängen die Ergebnisse zu 50 Prozent von dir ab, denn es gibt nur noch einen anderen Spieler. Es gibt einige Matches, die du nicht gewinnen kannst, weil die Antworten deines Gegners einfach besser sind. Das muss man akzeptieren, da hilft auch kein Training.
Talent ist also ein größerer Erfolgsfaktor als hartes Training?
In gewisser Weise schon. Und nicht nur was das Spielerische angeht, sondern auch im mentalen Bereich. Tennis ist so ein taffer Sport, was ihn gleichzeitig auch so schön macht. Man muss sich die ganze Zeit selbst kontrollieren. Wenn man kein Talent dafür hat, wird man auf Dauer wahrscheinlich nicht erfolgreich sein. Es sind so viele Aspekte, die einen unter Druck setzen: der Wettkampf, das Mentale, das Finanzielle oder das Umfeld von außen wie Social Media. Man muss das Talent haben, mit diesem Druck umzugehen, um nicht daran zu zerbrechen.
Sie haben eine unorthodoxe Spielweise. Wie würden Sie Ihr Spiel in drei Worten beschreiben?
Explosiv, smart und verrückt.
Sie schlagen im Durchschnitt zwölf Asse pro Match, haben aber mit 7,2 Doppelfehlern pro Match den höchsten Durchschnitt aller ATP-Spieler seit Einführung der Statistik. Es scheint manchmal so, dass Sie den zweiten Aufschlag wie den ersten schlagen. Warum gehen Sie so ein großes Risiko ein?
Das tue ich gar nicht. Ich reiße mir gerade jeden Tag den Hintern auf, damit sich meine Doppelfehlerquote verbessert, aber es hat sich noch nicht ausgezahlt. Glauben Sie mir: Eines Tages werde ich weniger Doppelfehler schlagen. Es ist definitiv kein Rekord, auf den ich stolz bin.
Sie schlagen in Ihren Matches immer wieder von unten auf. Trainieren Sie diesen Schlag?
Ja, manchmal. Vor allem in letzter Zeit, in der ich nicht allzu viel zu tun habe. Der Aufschlag von unten ist aber nicht effektiv genug, um ihn häufig einzusetzen. Man kann ihn immer mal wieder einstreuen, auch um das Publikum zu unterhalten.
Bei einigen Spielern ist der Aufschlag von unten verpönt. Welches Feedback haben Sie von Ihren Gegnern bekommen?
Wenn die Gegner einen aufgeschlossenen Charakter haben, dann stört es sie nicht. Es ist meine Entscheidung und ich verstoße nicht gegen die Regeln. Ich erinnere mich, wie ich bei den French Open gegen Dominic Thiem von unten aufgeschlagen habe. Er sagte, dass nichts daran schlimm sei und er es sogar genossen habe, weil er somit die Chance hatte, meinen Aufschlag zu returnieren. Wir alle müssen Tennis auf ein besseres Unterhaltungsniveau bringen, damit sich mehr Leute dafür interessieren.
Wie meinen Sie das?
Ich meine damit nicht, dass Tennis langweilig geworden ist, aber es ist so strikt mit den Regeln, dass derzeit nichts erlaubt ist: kein Schimpfen, keine Gespräche mit dem Trainer, kein Entertainment. Man bekommt für alles eine Strafe. Solange Federer und Nadal noch da sind, ist alles super. Aber was passiert danach? Die Leute wollen den nächsten Roger oder Rafa sehen. Aber es ist für uns jüngere Spieler nicht so einfach, in die spielerischen Fußstapfen von Federer und Nadal zu treten und allein durch unser Spiel das Publikum so gut zu unterhalten. Wer weiß, ob je wieder einer dieses Niveau erreichen wird.
Der Verhaltenskodex auf dem Platz sollte also gelockert werden?
Auf jeden Fall. Profisport ist in erster Linie Unterhaltung. Die Leute bezahlen Geld, um eine gute Show zu sehen. Es kann die Roger-Federer-Show sein, wo alles cool, ruhig und unglaublich ist. Aber es kann auch die Nick-Kyrgios- oder die Alexander-Bublik-Show sein. Nicht nur Nick und ich wollen eine gute Show bieten. Aber es ist nichts erlaubt. Man darf sich nicht mal mit den Zuschauern unterhalten. Die ATP macht einen guten Job. Aber es fühlt sich so an, als ob die ATP jedem gefallen möchte, nur nicht den Spielern. Man müsste den Spielern etwas mehr Raum geben, um Emotionen zu zeigen.
Sie haben bereits gesagt, dass Sie Tennis größtenteils wegen des Geldes spielen. Sie sind gebürtiger Russe, spielen aber für Kasachstan. War der Nationenwechsel eine finanzielle Entscheidung?
Ja, es war eine rein finanzielle Entscheidung. Aber es ist nicht so gewesen, dass sie mich mit Geld zugeschüttet haben. Ich war noch ein Teenager, als ich gewechselt bin. Sie haben mir ein Angebot unterbreitet und ich habe zugestimmt. Damals hatte ich nicht genügend Geld, um mir das Leben auf der Tour mit mehreren Trainern zu ermöglichen. Der kasachische Verband hat mir ermöglicht, ein guter Spieler zu werden.
Haben Sie einen lebenslangen Vertrag mit dem kasachischen Verband?
Nein, aber ich werde mein Leben lang für Kasachstan spielen, selbst wenn sie kein Geld mehr zur Verfügung stellen. Sie waren in schweren Zeiten für mich da. Da geht es nicht nur ums Geld. Wenn dir geholfen wird, musst du etwas zurückgeben.
Es gibt derzeit viele Diskussion um einen geplanten Hilfsfonds von Top 100-Spielern für Spieler, die zwischen Platz 250 und 700 stehen. Dominic Thiem ist dagegen und sagt: „Es muss keiner verhungern.“ Wie ist Ihre Meinung?
Ich stimme Dominic größtenteils zu. Ich habe kein Problem damit, mit einem talentierten Junior, der kaum Geld für Reisen oder Trainer hat, mein Geld zu teilen. Aber wenn man 28 Jahre alt ist und nie besser als Platz 450 stand, hat es einen bestimmten Grund. Ich sehe diese Spieler nicht als Tennisprofis, sondern nur als Sportler. Warum sollte ich demjenigen mein Geld geben? Ich habe mir mein Geld verdient. Niemand würde mir Geld geben, wenn ich mir mein Bein breche und ein halbes Jahr nicht spielen kann. Dominic hat sich den Hintern aufgerissen, um dorthin zu kommen, wo er jetzt steht. Ich bin mir sicher, dass Dominic guten Junioren aus Österreich mit wenig finanziellen Möglichkeiten helfen würde. Man sollte die Wahl haben, welchen Spieler man unterstützt. Man kann nicht jedem helfen.
Vita Alexander Bublik
Geboren 1997 in Russland spielt Alexander Bublik seit 2016 für Kasachstan. Er lebt aber in Russland, in Sestroretsk, nördlich von St. Petersburg an der Ostsee gelegen. Der 23-Jährige wird von seinem Vater Stanislav trainiert. 2019 zog er in seine ersten beiden ATP-Finals (Newport und Chengdu) ein, die er beide verlor. Auf der Challenger-Ebene gewann er alle sechs Endspiele. Sein bestes ATP-Ranking erreichte der 1,98-Meter-Mann im Februar 2020 mit Platz 47. Privat schwärmt er für Miami und William Shakespeare. JmksportShops | Chaussures, sacs et vêtements | Livraison Gratuite | air jordan 1 low outlet