Yannick Noah: Der Entertainer
Yannick Noah ist immer noch der letzte männliche Heimsieger bei den French Open und der populärste Spieler aus Frankreich. Nach seiner Tenniskarriere begeistert Noah die Herzen der Fans mit seiner Musik.
Erschienen in der tennis MAGAZIN-Ausgabe 7/2020
Hollywood. Warum die Lebensgeschichte von Yannick Noah noch nicht verfilmt wurde, ist ein Rätsel. Denn das Leben des Franzosen bietet all das, was man auf einer großen Leinwand sehen möchte: Liebe, Konflikte, Triumphe sowie die schillernde Karriere nach der Karriere. Die Geschichte von Noah ist eine Feel-Good-Story und ganz eng mit dem Namen Arthur Ashe verknüpft.
Sie beginnt im Jahr 1971 in Yaounde. Ashe, zu diesem Zeitpunkt zweimaliger Grand Slam-Sieger, reist anlässlich einer Wohltätigkeitstour des US-Außenministeriums in die Hauptstadt Kameruns zu einer Tennis-Demonstration. Unter den wissbegierigen Kindern ist der elfjährige Yannick Noah, Sohn eines kamerunischen Fußballspielers und einer französischen Lehrerin. Ashe zeigt sich völlig begeistert von der Athletik des kleinen Noah. Als dieser ein Ass gegen Ashe serviert, gibt er ihm einen hochwertigeren Schläger. Noah schläft mit dem Racket ein Jahr lang im Bett und träumt vom Erfolg im Tennis. Ashe kontaktiert nach seinem Ausflug in Kamerun Philippe Chatrier, den französischen Verbandspräsidenten, und empfiehlt, dass Noah vernünftiges Training in Frankreich bekommt. Die Erfolgsgeschichte nimmt ihren Lauf.
Noah und sein historischer Sieg bei den French Open
Zwölf Jahre später. Am 5. Juni 1983 spielt sich Noah an einem sonnigen Nachmittag in Paris in die Geschichtsbücher. Im Finale der French Open besiegt er Mats Wilander in drei Sätzen und wird der erste Heimsieger in Roland Garros nach 37 Jahren. „Ich war davon besessen zu gewinnen. Ich musste gewinnen, nicht nur für mich, sondern für uns alle“, sagte Noah im Rückblick auf seinen Titelgewinn. Er meinte damit nicht nur alle Franzosen, sondern auch alle dunkelhäutigen Spieler. Der French Open-Sieg von Noah war in vielerlei Hinsicht historisch. Nicht nur mit der Art und Weise, wie er sich auf der roten Asche zum Titel spielte, nämlich mit bedingungslosem Serve-and-Volley, sondern auch, dass er bis heute nach Arthur Ashe der zweite und bislang letzte dunkelhäutige Grand Slam-Sieger bei den Herren ist.
Und so passte es in die Gesamtszenerie, dass Ashe das Finale für den amerikanischen TV-Sender HBO kommentierte und später das Siegerinterview mit Noah führte. „Zwölf Jahre zuvor gab er mir mein erstes Racket in Yaounde. Niemand wusste, wo Yaounde war. Seine Geschichte ist mit meiner verbunden, Arthur Ashe ist ein Teil von mir. Zusammen haben wir gewonnen“, sagte er.
Yannick Noah: „Leute haben meinetwegen geweint”
Noah hatte einen Traum als Kind: eines Tages auf dem Centre Court in Roland Garros zu spielen, eines Tages das Turnier zu gewinnen. Am Morgen vor seinem großen Moment wacht er schweißgebadet auf. Er träumt jedes Detail vom Finale gegen Wilander, das er im Traum in fünf Sätzen verliert. „Ich war am Boden zerstört und habe geweint. Der Traum war so klar, dass ich dachte, es wäre schon Montag“, berichtete er in einem Podcast. Es brauchte einige Zeit, bis Noah merkte, dass sein großer Traum noch nicht geplatzt war. „Ich war diesem Match mit Herz und Seele verschrieben. Danach hatte ich nie mehr dieses besondere Gefühl. Ich war bereit, für dieses Match zu sterben“, gestand er. Noahs Traum wurde tatsächlich wahr. „Dieser Moment hat mein ganzes Leben verändert. Plötzlich war ich einer der populärsten Menschen des Landes. Leute haben meinetwegen geweint“, erklärte er im Gespräch mit dem Socrates Magazin.
Der schnellste Gratulant nach dem Triumph war Noahs Vater Zacharie. „Es war das erste Mal, dass mein Vater mir sagte, dass er mich liebt. Man kann sich nicht vorstellen, wie glücklich ich mich gefühlt habe. Diese Emotion war so pur“, gab er zu. Doch der Ruhm und die gestiegene Erwartungshaltung machten Noah zu schaffen. 1984 floh er von Frankreich nach New York. „Wenn du ein Champion wirst, lernst du viele Sachen. Aber niemand lehrt dich, wie man mit dem plötzlichen Ruhm umgeht“, sagte er nach dem Triumph bei den French Open. Noah blieb zwar weitere Jahre in der Weltspitze, aber dieses besondere Feuer, das er bei French Open 1983 gespürt hatte, trug er als Spieler nicht mehr in sich.
Noahs Ziel: Leute unterhalten
Sein Ziel: Leute zu unterhalten, auf und abseits des Platzes. „Ein strahlendes Gesicht macht mich glücklich“, war seine Devise. Noah fand seine Rolle im Tennis-Business als Entertainer. In seinen Worten schwingen stets Lebensweisheiten mit. „Wenn 10.000 Leute im Stadion und die TV-Kameras an sind, dann sind wir alle Schauspieler. Es gibt den Seriösen. Es gibt den, der ständig den Schiedsrichter anbrüllt. Es gibt denjenigen, der nie ein Wort sagt. Und es gibt den Clown“, beschrieb er einst treffend. Noah nahm seine Rolle als Clown ernst. Unvergessen ist sein Duell gegen Magnus Larsson am Hamburger Rothenbaum, das sich zu einem amüsanten Comedy-Match entwickelte.
Tennis ist und war die Leidenschaft von Noah, aber es war nie sein Lebensinhalt. „Tennis ist wie eine Frau, die ich einst liebte, aber in die ich nun nicht mehr verliebt bin. Ich kann sie nicht richtig loswerden. Aber es ist klar, dass es vorbei ist“, sagte Noah im Jahr 1991 kurz vor seinem Karriereende. Das Leben hatte noch viel vor mit dem Franzosen. Er tauschte Racket gegen Mikrofon und startete eine erfolgreiche Karriere als Musiker. Mit dem Namen Yannick Noah verbinden die meisten Franzosen mittlerweile zunächst den Sänger und dann den Tennisspieler.
Wenn er den Raum betritt, verändert er die Energie
Seit 1991 hat Noah zwölf Alben veröffentlicht, sechs davon stürmten in seiner Heimat Frankreich auf Platz eins der Charts. Auf der Bühne kann Noah sein Naturell viel besser ausleben als auf dem Court. „Ein Künstler darf Schwächen und Gefühle zeigen. Ich habe das während meiner Karriere als Tennisprofi vermisst. Ein Finale zu spielen, ist viel Stress. Die Begeisterung, die Erlösung kommt kurz vor und nach dem letzten Punkt. Vielleicht erst in den letzten 30 Sekunden eines Matches. Ein Konzert vor 80.000 Menschen, das ist Vergnügen vom ersten bis zum letzten Moment“, sagte er einmal im Interview mit der Bild am Sonntag.
Die Strahlkraft von Noah in Frankreich ist ähnlich wie die von Boris Becker in Deutschland. Wenn er den Raum betritt, verändert er die Energie. Seine große Stärke ist, Menschen zu inspirieren und an etwas glauben zu lassen. Im Jahr 1991 übernahm er als noch aktiver Spieler das Amt des Davis Cup-Kapitäns und führte Frankreich zum ersten Titel nach 59 Jahren. Zwei weitere Davis Cup-Triumphe sowie einer im Fed Cup als Kapitän sollten folgen.
Noah lässt mit seinen Liedern seine Zuhörer von Großem träumen genauso wie seine französischen Schützlinge bei seinen Ansprachen als Mannschaftskapitän. Sein Motto: Tue, was du liebst, aber mach’ es richtig. Die Fehltritte, die Noah hatte, wurden ihm von seinen Landsleuten verziehen, so wie ein Steuervergehen in den 90er-Jahren.
Yannick Noah fordert Dopingfreigabe
Nach seiner Karriere gestand Noah, zu aktiven Zeiten gelegentlich Marihuana konsumiert zu haben, allerdings nie während eines Turniers. Er betonte immer wieder, das wirkliche Problem seien die leistungssteigernden Mittel, die er nicht zu sich genommen habe. Für großen Wirbel sorgte er im Jahr 2011, als er die spanischen Athleten, die damals in vielen Sportarten dominierten, des Dopings beschuldigte. „Wie kann ein Land von einem Tag auf den anderen den Sport dominieren? Haben sie bahnbrechende Trainingsmethoden entdeckt, die kein anderer hat?“, fragte er, um seine Frage selbst zu beantworten: „Wenn du nicht den magischen Zaubertrank hast, ist es schwer zu gewinnen.“ Noah plädierte dafür, Doping freizugeben. In Spanien wurde er als Ignorant und Lügner beschimpft. In Frankreich ist er bis heute ein Nationalheld.
Noah durchbrach 1983 die 37-jährige Titeldürre der franzöischen Herren in Roland Garros. Seit ebenfalls 37 Jahren wartet Frankreich nicht nur auf einen heimischen Herrensieger in Paris, sondern auch auf einen Grand Slam-Champion. Noah trat damals in die Fußstapfen von Marcel Bernard, der 1946 bei den French Open siegte. Im Jahr 1994 verstarb Bernard. Vor Kurzem enthüllte Noah eine Anekdote. Er wollte bei Bernards Beerdigung dabei sein. „Aber ich ging in die falsche Kirche. Ich habe einer Familie mein Beileid ausgesprochen, die sich wunderte, was ich hier wollte“, so Noah grinsend. Der Pastor habe gesagt: ‘Wir sind hier um ein letztes Lebewohl zu sagen – für Pierre…’ Er war und ist für jede Überraschung gut – Yannick Noah, der Ballzauberer, Musiker, Nationalheld. Und Spaßvogel.
Vita Yannick Noah
Der Franzose wurde 1960 als Sohn eines kamerunischen Fußballers und einer französischen Lehrerin geboren. Noah gewann 23 ATP-Titel, darunter die French Open 1983. Seitdem wartet Frankreich auf einen Grand Slam-Einzeltitel bei den Herren. Als Nummer drei der Welt war kein Franzose besser platziert als er. Im Doppel führte Noah die Weltrangliste 19 Wochen lang an und siegte 1984 bei den French Open an der Seite von Henri Leconte. 2005 wurde er in die Tennis Hall of Fame aufgenommen. Nach seiner Tenniskarriere widmete er sich der Musik und gehört zu den populärsten Sängern Frankreichs. Noah hat fünf Kinder. Sein ältester Sohn Joakim ist Basketball-Profi in US-Liga NBA und spielt aktuell für die Los Angeles Clippers. air jordan 1 mid outlet | air jordan 1 retro high og chicago white and black varsity red for sale