Die Stach-Kolumne: Becker gewann, ich verlor
Bei der Stunde Null des deutschen Tennis spielte unser Kolumnist Matthias Stach selbst ein Turnier. Auch sein Leben wurde durch Beckers ersten Wimbledonsieg stark beeinflusst.
Anfang Juli 1985, ich war 22 Jahre alt und engagierter Ranglistenspieler, bestritt ich irgendwo in Hessen ein Herrenturnier. Im Clubhaus stand ein Fernseher. Alle Teilnehmer schauten sich während der Turnierwoche die Matches von Boris Becker in Wimbledon an. Als das Finale gegen Kevin Curren stattfand und in die entscheidende Phase mündete, unterbrach die Turnierleitung alle laufenden Partien. Wir ließen unsere Schläger auf den Plätzen zurück, rannten ins Clubhaus und fieberten bei Becker mit. Als er gewann, tanzten einige ausgelassen auf den Tischen, es war ein Fest – bis die Organisatoren uns wieder auf die Courts schickten, das Turnier musste beendet werden. Ich verlor das unterbrochene Match, Beckers Sieg raubte mir wohl die letzte Konzentration.
Ich war im falschen Film
Es war der Beginn einer langen Verbundenheit – zu Becker selbst, aber auch zu Wimbledon. Sein Triumph von 1985 veränderte mein Berufsleben. Als Tennisreporter reiste ich Becker später zu noch so kleinen Turnieren hinterher. 1988 war ich für das Radio erstmals im „All England Lawn Tennis and Croquet Club“, landete aber zunächst am Rand einer unebenen Wiese, auf der man etliche Tennisfelder hintereinander angelegt hatte. Dutzende Profis spielten parallel. Es gab keine Zuschauer, nur ein kleines Clubhaus. Keine Spur vom legendären Wimbledon-Flair. Ich kam mir vor wie im falschen Film. Bis mir klar wurde: Ich schaute bei der Qualifikation zu, die eben nicht in dem noblen Club ausgespielt wird.
Meine Akkreditierung wird einbehalten
Mit den Gepflogenheiten von Wimbledon kam ich später auch als TV-Journalist in Kontakt. Weil ich Anfang der 90er Jahre keine Erstrechte-TV-Akkreditierung bekam, durfte ich nicht auf der Anlage drehen. Mein Trick: Ich verabredete mich mit den Profis vor den Pressekonferenzen außerhalb des Geländes. „Tor 13“ wurde so zu meinem Interviewplatz. Eines Tages aber wurde ich dort festgenommen. Verstoß gegen die Clubrichtlinien! Zwei Tage wurde meine Akkreditierung einbehalten.
Einen großen Becker-Auftritt erlebte ich 1997 im „Deutschen Haus“, das es damals in Wimbledon gab. Dort trafen sich Spieler, Funktionäre, Journalisten. Als Becker im Viertelfinale gegen Pete Sampras ausschied, verkündete er dort seinen Rücktritt, der keiner war. Erst zwei Jahre später beendete er an gleicher Stelle seine Karriere. 1997 stahl er Michael Stich die Show, der nach seiner Halbfinalepleite gegen Cedric Pioline zwei Tage später seinen Rücktritt erklärte. So nutzte Becker eine Niederlage für die große Bühne. Wimbledon – das war eben sein Turnier.
Matthias Stach ist langjähriger Eurosport-Kommentator und Kenner der Tennisszene.zapatillas air jordan 1 outlet | which jordan 1s are the cheapest