Dominic Thiem

Siegerlächeln: Dominic Thiem erreichte 2020 seine beste Platzierung auf der Weltrangliste – Platz drei.

Dominic Thiem: „Ein Grand Slam-Titel ist mehr wert als die Nummer 1”

Im Interview mit tennis MAGAZIN spricht Dominic Thiem über seinen Sieg in New York, die großen Drei, die neue Generation und sein Engagement für die Umwelt.

Erschienen in der tennis MAGAZIN-Ausgabe 3/2021

Um 8:29 Uhr betritt Moritz Thiem, Dominics jüngerer Bruder, an einem Samstagmorgen im Januar den virtuellen Raum. Richtet Kamera und Mikrofon ein. Eine Minute später nimmt die Nummer drei der Welt Platz – pünktlich auf die Minute. In Adelaide ist es 18 Uhr, neuneinhalb Stunden später als in Hamburg. Die Temperatur in der 1,3-Millionen-Einwohner-Stadt im Süden Australiens beträgt auch jetzt am Abend noch 36 Grad. Thiem befindet sich seit einer Woche in Quarantäne, durfte sich aber jeden Tag zu verschiedenen Uhrzeiten fünf Stunden draußen aufhalten und trainieren. Im Zoom-Interview mit tennis MAGAZIN präsentiert er sich komplett entspannt. 

Herr Thiem, mit welcher Einstellung gehen Sie in ein Grand Slam-Turnier: Nur der Sieg zählt oder denken Sie in anderen Kategorien?

Ich gehe schon in jedes Grand Slam – vielleicht mit der Ausnahme von Wimbledon – , dass ich das Turnier gewinnen will, definitiv. Aber die Luft, vor allem wenn es tief ins Turnier geht, wird extrem dünn. Es wäre auch vermessen zu sagen, wenn ich beispielsweise das Viertel- oder Halbfinale in Melbourne spiele und gegen einen Topgegner knapp verliere, dass ich dann total unzufrieden bin oder es eine absolute Enttäuschung ist. Es gibt aktuell sicher sieben Spieler, die so ein Turnier gewinnen können. Auch in den ersten Runden muss man aufpassen. Da gibt es sehr gefährliche Gegner. Ich sollte schon noch ein bisschen demütig bleiben. 

Bei den US Open gewannen Sie Ihren ersten Grand Slam-Titel. Wie befreiend war das und wie sehr hilft das für kommende Majorturniere? 

Das war sehr befreiend. Ich will mir nicht vorstellen, wie es wäre, die Australian Open zu spielen mit vier verlorenen Finals bei den Grand Slam-Turnieren. Da ist ein enormer Druck von mir abgefallen. Schon direkt nach New York. Ich wollte diesen Titel unbedingt haben in meiner Karriere. Dass ich jetzt nicht noch hinterherlaufen muss, tut gut. In einem Match selbst gibt es keinen Vorteil. Aber im Blick auf das Große und Ganze, auf die komplette Karriere, ist es so sehr viel angenehmer. 

Die US Open waren das erste Grand Slam-Turnier in der Historie ohne Zuschauer. Wie fühlte sich das an?

Natürlich hätte ich es gerne mit Zuschauern gespielt. Im Nachhinein betrachtet war es ein Grand Slam-Turnier wie jedes andere. Es war wieder ziemlich hart, sowohl mental als auch körperlich extrem beanspruchend. Mental vielleicht noch ein bisschen mehr als sonst, weil das Leben in der Bubble, den ganzen Tag auf der Anlage zu sein und vor allem die Nightsessions so viel Energie gekostet haben. Dann diese komplette Leere. Nur noch die letzten Spieler und das Team sind da, sonst ist niemand mehr auf der Anlage. In dieses riesige Stadion einzulaufen, in dem kein einziger Zuschauer sitzt – das war schon ein bisschen traurig. 

Haben Sie sich das Finale gegen Alexander Zverev auf Video noch mal angesehen?

Noch nicht, nur einzelne, kleine Matchabschnitte. 

Sie bezeichnen Zverev als Freund. Hat der Ausgang des Endspiels Auswirkung auf die Freundschaft gehabt? 

Nein. Wir haben uns noch in der Nacht nach dem Finale Nachrichten geschrieben. Beim Hallenturnier in Paris haben wir nochmal darüber geredet. Auf die Freundschaft hat es natürlich keine Auswirkung gehabt. Ich denke, dass wir das beide in der Zeit, in der wir spielen, beiseiteschieben können. Direkt beim Matchball und auch bei der Siegerehrung, als ich gesehen habe, wie emotional er war, war das schon schwieriger.

Die ultimative Herausforderung im Tennis ist es, die Big 3 zu schlagen. Seit 2019 lautet Ihre Bilanz gegen Djokovic, Nadal und Federer 9:3. Wie breit ist die Brust, wenn Sie gegen sie spielen?

Ich gehe in jedes Match gegen sie rein, um die Partie zu gewinnen. Aber ich sehe mich nicht als Favorit. Es ist jedes Mal eine Top-Leistung von mir nötig, damit ich sie schlagen kann. Sie sind die absolute Benchmark und liegen für mich persönlich auch 2021 bei allen großen Turnieren als Favoriten eine kleine Spur vor den anderen Spielern. Aber: Ich weiß, dass ich sie schlagen kann. 

Seit wann fühlen Sie sich mit ihnen auf Augenhöhe?

Eigentlich erst seit 2019. Davor habe ich sie nur sporadisch geschlagen, wieder verloren, dann wieder einmal gewonnen, dann wieder dreimal verloren. 2019 habe ich eine relativ gute Bilanz gehabt und die großen Drei regelmäßig geschlagen. Seitdem ist das Selbstvertrauen noch mal gestiegen. 

Gegen wen von den dreien ist es für Sie am schwierigsten zu spielen?

Nadal auf Sand. 

Ist die Dominanz von Djokovic in Melbourne vergleichbar mit der von Nadal auf Sand?

Es ist vergleichbar, ja. Also nicht ganz so brutal. Djokovic auf Hardcourt kommt ganz dicht hinter Nadal auf Sand. Besonders in Melbourne, weil er das Turnier schon achtmal gewonnen hat und weil die Bedingungen perfekt für ihn sind: Bälle, Belag, die Rod Laver Arena. Es gibt in Melbourne eine große serbische Community. Das heißt, er hat fast bei jedem Match ein Heimspiel. Zumindest in normalen Zeiten. Er ist für mich der absolute Topfavorit. 

Als Federer 2003 Wimbledon gewann, waren Sie neun Jahre alt. Macht es das noch besonderer, gegen so eine Legende zu spielen? 

Ja, sicher. Federer und Nadal, beide. Als sie das erste Mal im French Open-Halbfinale gegeneinander gespielt haben, war ich auch erst elf Jahre. Das war das erste Match zwischen den beiden, an das ich mich genau erinnern kann. Sie haben diese besondere Aura auf dem Platz, wenn ich gegen sie spiele. Das gilt aber auch für Djokovic. Alle drei sind absolute Legenden. Sie sind definitiv drei der besten Sportler aller Zeiten, auch weit übers Tennis hinaus. Wir Jüngeren können froh sein, wenn wir noch viele Matches gegen sie spielen dürfen. 

Sie haben den Anspruch formuliert, die Nummer eins werden zu wollen. Wäre die Leistung höher zu bewerten, wenn Sie es in der Ära Federer, Nadal, Djokovic schaffen?

Ich glaube nicht, dass man so denken darf. Wenn man Nummer eins wird, hat man es zu jedem Zeitpunkt komplett verdient. Auch die Nummer eins von Safin, Hewitt oder Roddick ist nicht weniger wert, weil die großen Drei damals noch nicht so dominant waren wie heute. Es ist eine unglaubliche Situation, dass die drei besten Tennisspieler aller Zeiten in einer Generation sind. Es ist jetzt definitiv schwieriger, Grand Slams zu gewinnen als zu anderen Zeiten. Aber ob man die Nummer eins jetzt oder in fünf Jahren schafft, ist gleich viel wert. 

Ist die Nummer eins höher einzustufen als ein Grand Slam-Sieg?

Für mich ist ein Grand Slam-Sieg wichtiger. 

Es gibt eine neue Generation von jungen Spielern. Was fehlt ihnen zum Titel?

Wie gesagt, Nadal und Djokovic sind die Topfavoriten, ganz klar. Dahinter kommen Sascha (Zverev; d. Red.), Tsitsipas, Medvedev und ich würde Rublev auch dazu zählen, weil er unfassbar gespielt hat letztes Jahr. Ich glaube, diese Spieler sind absolut reif für einen Grand Slam-Titel. 

Dominic Thiem, Roger Federer

Idol bezwungen: 2019 in Indian Wells schlug Dominic Thiem Roger Federer, den er als Kind im Fernsehen bewundert hatte, erstmals in einem großen Finale. Seine Bilanz gegen den zwölf Jahre älteren Federer: 5:2.

Ihr früherer Coach Günter Bresnik gab die Devise aus: „volle Post.“ Kann Ihr kräftezehrendes Spiel auf Dauer zum Problem werden?

Jetzt noch nicht. Ich bin 27 und glaube, dass ich noch vier, fünf Jahre auf dem Niveau spielen kann. Irgendwann könnte es zu einem Problem werden. Bei Nadal dachte man das auch. Aber er ist eine absolute Ausnahmeerscheinung, mit ihm kann man sich nicht vergleichen. Vielleicht ist es bei mir ein bisschen wie bei Stan Wawrinka, der mit 28 auf dem Höhepunkt seiner Karriere stand und dann vier, fünf unglaubliche Jahre hatte, in denen er drei Grand Slams gewann. Kleine Probleme, etwa mit dem Knie, bekam er mit 33. Das kann schon diesem unglaublich kräftezehrenden Spiel geschuldet sein. Ich hoffe es nicht, aber es kann bei mir genauso passieren. 

Ihre einhändige Rückhand gilt als Stärke. War es im Nachhinein gut, von beidhändig auf einhändig umzustellen?

Ich weiß es nicht. Natürlich bin ich jetzt glücklich mit meiner einhändigen Rückhand, aber ich habe eine relativ geschickte linke Hand. Vielleicht wäre ich noch besser, wenn ich nicht umgestellt hätte, vielleicht aber auch nicht. Es passt, wie es ist. Die einhändige Rückhand ist auch eines meiner Markenzeichen geworden.

Die Pandemie dauert schon lange an. Hat diese Zeit, gerade im letzten Sommer, auch etwas Gutes gehabt? Konnten Sie in der Ruhe etwas Neues über sich selbst oder Ihr Spiel lernen? 

Die ersten Wochen letztes Jahr waren schon relativ angenehm, weil Tennis zum ersten Mal zu einem völligen Stillstand gekommen war. Tennis war so weit weg wie nie zuvor. Das war eine neue und spannende Erfahrung. Aber nach fünf oder sechs Wochen war es in Österreich wieder erlaubt zu spielen und dann haben diese nationalen Showturniere angefangen. Es war ja nie klar, wann die Tour wieder beginnt. Ich habe mich mit meinem Team zusammengesetzt und mir neue Ziele vor Augen geführt. Es war auch eine Riesenchance, weil man normalerweise nie so lange Zeit hat zu trainieren. 

Was waren Ihre Ziele?

Das größte Ziel war, die Rückhand so stabil zu machen wie die Vorhand. Bei der Vorhand habe ich immer das Gefühl gehabt, egal, was passiert, ich kann den Ball mit einem unglaublichen Tempo reinspielen, oder zumindest so reinspielen, dass der Gegner nichts machen kann. Bei der Rückhand war es immer noch ein bisschen wacklig. Das war eigentlich das größte Ziel, dass ich die Rückhand so stabilisiere, dass sie genauso sicher und effektiv wie die Vorhand ist. Ich bin da einen großen Schritt weiter.

Sie gelten als fairer Sportsmann. Ist zu viel Harmonie auf dem Platz nicht hinderlich, wenn man den Gegner unbedingt schlagen will?

Für mich nicht, denn Tennis ist keine Kontaktsportart. Man muss sich gegenseitig nicht wehtun. Man kann vor und nach dem Match eine richtig gute Beziehung führen. Und diese während der Stunden, in denen man gegeneinander spielt, ausschalten. Auf dem Platz kann man sich mit allen Mitteln, die man hat, bekriegen. Es braucht keine mentalen Spielchen. Mit den spielerischen Fähigkeiten kann man alles ausfechten.

Stefanos Tsitsipas hat gesagt: „Auf dem Platz schenkt Dominic dir nichts. Aber nach dem Match ist er der netteste Mensch.“ Freut Sie so ein Satz von einem Konkurrenten?

Ja, sehr sogar. Wir Tennisprofis verbringen viel Zeit auf der Tour und da ist für mich wichtig, dass ich gute Beziehungen zu den ganzen Spielern in der Umkleide und auf der Anlage habe. Dass ich mit denen auch Spaß haben kann und dass ich mit manchen, zu denen ich ein besonders gutes Verhältnis habe, mal am Abend essen gehen kann. Deshalb ist das cool.

Sie gelten als naturverbunden, engagieren sich für die Firma „4Ocean“. Warum? 

Ich habe diese Armbänder aus recyceltem Plastik vor drei Jahren zufällig entdeckt. Für den Preis eines Bandes werden zehn Kilogramm Plastik aus dem Ozean gezogen. Ich habe sie mir bestellt. Die Firma ist irgendwie auf mich aufmerksam geworden, weil ich die Bänder auch bei den größten Matches, wie im Finale von Paris, getragen habe. Dann haben wir uns geschrieben und es ist eine tolle Partnerschaft daraus geworden. Mikro-Plastik in den Ozeanen ist eines der größten Probleme unserer Zeit. Es ist einfach gut, wenn da viel unternommen wird. Mein Sponsor Adidas ist auch sehr engagiert. In Melbourne spiele ich mit dem Parley-Dress. Das ist komplett aus Ozean-Plastik. Es wäre wichtig, wenn sich noch viel mehr Menschen dafür einsetzen würden. 

Ist das ein Thema, mit dem Sie auch nach Ihrer Karriere verbunden sein möchten, vielleicht sogar eine Lebensaufgabe?

Es ist mir sehr wichtig. Ich glaube, dass ich sehr viele coole und nützliche Sachen machen kann. 4Ocean zum Beispiel säubert die Strände von Plastik. Sie haben mich schon oft eingeladen, mitzumachen. Das ist noch nicht passiert. Aber nach der Karriere habe ich mehr Zeit dafür und will mich gerne einbringen, wann immer es geht.nike sb dunk sizing and fit guide | Sneaker Petun & Release Dates – FitforhealthShops – Sandals INBLU VO173F01 Cobalt Blue