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Tommy Haas – Stark wie noch nie

Nein, dieses Playboy-Image wird er wohl nie los werden. Er liebt schnelle Autos, den Strand, Jetski fahren. Einmal war er Co-Pilot in einem Düsenjet. Mit seinen Freundinnen taucht er regelmäßig in der Boulevardpresse auf, und neulich schrieb eine Illustrierte, er, Tommy Haas, wäre gern wie Brad Pitt, weil der „die schönste Frau, die ich je gesehen habe“ (Haas), nämlich Angelina Jolie, an seiner Seite hat.
So einer wird schnell als oberflächlich abgestempelt – als einer, der sich nicht quälen kann, nur Spaß haben will, Problemen aus dem Weg geht. Wäre die Karriere von Tommy Haas jetzt zu Ende, sie wäre eine unvollendete. Sie hätte den faden Beigeschmack, dass er, das große Talent, der sich schon bei seinem Profidebüt als 18-Jähriger ein tolles Viertelfinale mit Pete Sampras in Indianapolis lieferte, nicht alles aus seinen Möglichkeiten gemacht hat. Sicher, er scheffelte knapp acht Millionen Dollar allein an Preisgeld, war die Nummer zwei der Welt (im Mai 2002), gewann elf Titel, doch auf den großen Bühnen, bei Grand Slam-Turnieren und beim Davis Cup, spielte er nie die Hauptrolle. Dreimal stand Haas in Melbourne, seinem Lieblings-Grand-Slam-Turnier, im Halbfinale (1999, 2002, 2007). Für ein Halbfinale im Davis Cup hat es noch nicht gereicht. Vielleicht ja dieses Jahr (siehe auch Reportage ab Seite 66).

Für Nick Bollettieri, seinen frühen Förderer, zu dem er immer noch Kontakt hat, ist Haas „der beste Spieler ohne einen Grand Slam-Titel“. Das hört sich schön an, aber dafür kann man sich nichts kaufen. Einmal, im letzten Jahr, als keine Kamera lief und kein Mikrofon eingeschaltet war, wurde er gefragt, ob es deshalb nicht mit einem großen Titel klappen würde, weil er seinem Beruf nicht alles andere unterordnen würde, so wie Roger Federer, so wie früher Pete Sampras oder Ivan Lendl. Da wurde Haas nachdenklich, überlegte und antwortete schließlich, dass es so sein könnte. Es spricht einiges dafür, dass es bei Haas klick gemacht hat, jetzt, im Alter von 29 Jahren. Welche Ironie, dass ausgerechnet er, der immer behauptet hatte, er habe noch so viel Zeit, mittlerweile der älteste Spieler in den Top 20 ist. Als er zu Jahresbeginn in Kooyong antrat, sagte er: „Ich habe nicht mehr viel Zeit. Ich muss mich beeilen, wenn ich noch etwas Großes gewinnen will.“ Man dachte an Dorian Gray, den tragischen Romanhelden bei Oscar Wilde, der im Sekundenraffer alterte, als er sein eigenes, zur Fratze entstelltes Bild erblickte und zerstörte. Zehn Jahre ist Haas auf der Tour, Boris Becker sprach von Hundejahren, Jahren, die ewig zu dauern schienen. Bei Haas ging es rasend schnell. Die Freundinnen und die Frisuren wechselten, aber er selbst sieht, wenn man sich frühere Fotos betrachtet, gar nicht so viel älter aus als bei seinem Wimbledon-Debüt 1997.

Das starke Comeback

Eine Zäsur in seiner Tenniskarriere gab es Ende 2002. Die rechte Schulter – völlig kaputt, ein Salat aus Bändern, Knorpel und Sehnen. Es folgten zwei Operationen, monatelange Reha, immer wieder Arztbesuche, Training auf dem Court mit links und die Ungewissheit, ob er je wieder würde spielen können. Nach 15 Monaten, im Februar 2004, kehrte Haas zurück auf der Tour. Keiner im Profitennis fiel so lange aus – nicht Agassi, nicht Muster, nicht McEnroe. Was folgte, war ein spektakuläres Comeback – das jedoch von kaum jemandem gewürdigt wurde. Am Ende der Saison 2004 hatte sich Haas bis auf Platz 17 zurückgearbeitet. Doch den neuen Haas, den viele herbeisehnten, gab es trotzdem nicht. Wieder haderte er auf dem Platz, beschimpfte den Coach, wenn es nicht lief. Mal schoss er seine Gegner vom Platz, mal spielte er ohne Konzept. Mal war er fit, mal übergewichtig.
Im Moment, und das sagen alle – sein Coach, sein Fitnesstrainer, sein Manager und Experten, ist Haas so fit wie nie zuvor. Als Insignien der physischen Stärke trägt er seine Bauchmuskeln zur Schau. Auch um der Konkurrenz in Melbourne, Memphis und Miami zu demonstrieren: Ich bin stark, ich bin entschlossen, mit mir müsst ihr in dieser Spielzeit rechnen.
Vieles spricht dafür, dass 2007 das beste Jahr in der Karriere von Tommy Haas wird. Mit 17:3-Siegen startete er in die Saison. Mitte März war er hinter Federer der beste Spieler in der Jahreswertung. Zum ersten Mal seit fünf Jahren spielte Haas sich wieder in die Top Ten. Als er in Memphis den Titel holte, verprügelte er im Finale Andy Roddick, die Nummer drei der Welt, mit 6:3, 6:2 in 61 Minuten. Nicht einen einzigen Breakpunkt im ganzen Turnier hatte Haas zugelassen. Ein paar Tage später spielte er in Dubai ein fantastisches Halbfinale gegen Roger Federer, unterlag knapp 4:6, 5:7.

Die Jo-Jo-Liebe

Warum spielt Haas plötzlich so gut? Viele sagen, so gut wie noch nie. Oder kommt das gar nicht so plötzlich? Er selbst sagt, dass er reifer geworden sei – durch den schweren Motorradunfall seines Vaters, die lange Verletzungspause, die vielen Rückschläge, wie den Bänderriss, den er sich vor zwei Jahren in Wimbledon zuzog, als er beim Einschlagen auf einen Ball trat. Spricht man mit denen, die Haas nahe stehen, dann fügen sich viele Mosaiksteine zu einem Bild zusammen. Die komprimierte Aussage: Haas ist zielstrebiger geworden. Er trifft eigene Entscheidungen, auf dem Platz, aber auch im Privatleben. Die Jo-Jo-Liebe mit Sandy Meyer-Wölden, ein ständiges Hin und Her, beendete er. Von seinen Eltern hat er sich abgenabelt. Nicht, dass er sich nicht mit ihnen versteht – im Gegenteil, aber er möchte – wie es so schön heißt – sein eigenes Leben leben. Und Peter und Brigitte Haas akzeptieren das. Beim Davis Cup-Match in Krefeld waren sie, für viele überraschend, nicht dabei, urlaubten im Haus des Sohnes in Florida.
Wahrscheinlich heißt der wichtigste Mann im Leben von Haas zur Zeit Thomas Högstedt. Der glatzköpfige Schwede, 43 Jahre alt, coachte vor Haas Magnus Norman und Nicolas Kiefer. Högstedt gilt als harter Arbeiter, der die Matches der Konkurrenz studiert und akribisch analysiert. Als Haas, damals auf Rang 46 postiert, ihn zum Ende der Saison 2005 engagierte, sagte Högstedt zu ihm: „Ich glaube an dich, du hast großes Potenzial, aber es kann eineinhalb Jahre dauern, bis du dein bestes Tennis spielst.“ Die eineinhalb Jahre sind mittlerweile verstrichen, und siehe da – „die Zusammenarbeit zahlt sich aus“, wie es Haas‘ Manager Stefan Füg formuliert.

Fitnesstraining in L. A.

Ein ungleiches Paar: Tommy Haas, der Impulsive, Laute, Ungeduldige, und Thomas Högstedt, der Ruhige, Besonnene, Introvertierte. Es ist eine Geschäftsbeziehung, die gut funktioniert. Auch, weil Haas seinem Coach mittlerweile voll vertraut, und der Schwede weiß, wie Haas tickt, wie er seinen Schützling, der sich manchmal wie eine Diva aufführt, nehmen muss. Wenn Haas im Training seinen „Atomhals“ (O-Ton Haas) bekommt, dann gelingt es Högstedt mittlerweile, den Wüterich zu zähmen. Die Botschaft, die er Haas eingetrichtert hat: „Du musst das Spiel bestimmen. Du bist derjenige, der die Initiative übernehmen muss.“ In der Vergangenheit spielte Haas oft zu defensiv. Inzwischen hat er begriffen, dass er die Ballwechsel diktieren muss. Der Schlüssel dafür: die überragende Fitness. Wie professionell Haas mittlerweile ist, sieht man zum Beispiel daran, dass er seinen Fitnesscoach Tom Seifert nach Los Angeles bestellte, als er dort seine neue Freundin Sara Foster besuchte. In L. A. rief Haas auch Pete Sampras an, um mit ihm Bälle zu schlagen.
Fitter, reifer, aggressiver – von einem neuen Haas zu sprechen, klingt abgedroschen. Zu oft war er nur Saisonarbeiter. Doch dieses Jahr könnte er alle überraschen. Auch sich selbst.

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