Anna-Lena Grönefeld Gute Zeiten, schwere Zeiten
Manchmal muss man aus dem Alltag ausbrechen. Die Sorgen vergessen, die Routinen hinter sich lassen. Anna-Lena Grönefeld tat dies, indem sie am Ende der vergangenen Saison Urlaub machte, den ersten seit vielen Jahren. Mit ihren Bruder Bastian flog sie nach Ägypten. „Wir haben am Strand gelegen, geschnorchelt und sind braun geworden. Wir hatten viel Spaß“, erzählt Grönefeld. Davon gab es in den letzten Monaten viel zu wenig im Leben der besten deutschen Tennisspielerin. Die Misere begann, nachdem sie sich bei den US Open von ihrem Coach, Förderer und Mentor Rafael Font de Mora getrennt hatte. Anschließend gewann sie nur noch zwei Matches: Anfang Oktober in Stuttgart gegen Tatiana Malik und im Januar bei den Australian Open gegen die unbekannte Qualifikantin Sandra Zahlavova. Ein Match später, in der zweiten Runde, scheiterte sie an Ashley Harkleroad 2:6, 2:6. In der Weltrangliste rutschte sie von Platz 14 auf Platz 20 ab.
Neues Selbstbewusstsein
Die sportliche Krise – sie ist der äußere Ausdruck, aber nur ein Aspekt in einer verworrenen Story, in der viele Handlungsstränge parallel laufen und die alle Zutaten einer Seifenoper hat: ein Ex, gespielt vom Spanier Font de Mora, der via Presse böse Geschichten über seinen ehemaligen Schützling verbreitet (Sportbild: „Anna ist wie ein Esel“), die besorgten Eltern Grönefeld, die wie alle Eltern dieser Welt nur das Beste für ihr Kind wollen, ein aufgebrachter Bruder, der seine Schwester vor dem früheren Coach beschützen wollte, die verständnisvolle Teamchefin Barbara Rittner und das „Opfer“ – Grönefeld selbst – das mittlerweile bekennt: „Ich war abhängig von ihm“. Gemeint ist Font de Mora – mal als Mephisto verteufelt, mal als genialer Coach gefeiert. Welch Ironie, dass Grönefelds Lieblings-TV-Serie ausgerechnet „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ heißt. Und welche Zeiten erleben wir im Moment? „Es beginnen wieder gute Zeiten“, sagt Grönefeld im australischen Hochsommer und sieht keine Spur niedergeschlagen aus. All das, was passiert sei, könne sie in Zukunft nur weiterbringen. Jetzt wolle sie selbst Entscheidungen treffen, auf eigenen Beinen stehen. Schließlich sei sie 21 Jahre alt. Der Mann, der das unterstützen soll, heißt Dirk Dier, ihr neuer Coach. Seit Ende November arbeiten die beiden zusammen. Der 35-Jährige mit dem Knopf im linken Ohr, früherer Australian Open-Sieger bei den Junioren, Fed Cup-Assistent und im letzten Jahr Lehrgangsbester bei der DTB-A-Trainerscheinprüfung, wirkt wie der exakte Gegenentwurf zu Font de Mora. Seine Philosophie: Grönefeld soll das Spiel lesen, es fühlen. Wenn man sich mit ihm unterhält, taucht immer wieder der Begriff Spaß auf. „Aber auch Spaß an der Arbeit“, fügt Dier hinzu, damit nicht der Eindruck entsteht, bei ihm werde nicht intensiv trainiert. Grönefeld sagt: „Dirk spielt lieber Punkte. Der Ball landet immer woanders. Ich muss mehr improvisieren.“ Rafael habe mehr aus dem Korb serviert: 20 Bälle Vorhand, 20 Bälle Rückhand. Anfang des Jahres, nach einer Trainingswoche im Olympiastützpunkt Saarbrücken, Grönefelds neuer sportlicher Heimat, brach das Duo nach Australien auf. Die Saison begann mit zwei Niederlagen in Gold Coast und Sydney – und einer Schlagzeile aus der Heimat, die noch wochenlang für Unruhe sorgen sollte: „Moppeldrama um unsere Tennisprinzessin“, schlagzeilte Bild und zeigte Fotos einer schlanken und einer übergewichtigen Grönefeld. Dazu hieß es: „Zwischen diesen Fotos liegen fünf Monate, 14 Kilo und viele Niederlagen.“ So platt der Artikel auch war, er sorgte für Gesprächsstoff. Wie ist es möglich, so schnell so viel zuzunehmen, fragte sich die Szene, und auch die, die Grönefeld nahestehen, spekulierten eifrig. Hatte sie Diätpillen geschluckt? Wurde sie hormonell behandelt? Setzte ihr Ex-Coach vielleicht sogar illegale Substanzen ein? Hatte sie aus Frust viel gegessen? Oder hat ihr Körper einfach nur rebelliert? „Sie hat sich ganz normal ernährt“, sagt Barbara Rittner, die mit Grönefeld noch Ende 2006 in der Akademie von Klaus Hofsäss in Marbella trainiert hatte. Die Fed Cup-Chefin berichtete auch von einer Leistungsdiagnostik an der Sporthochschule Köln. Resultat: Auch die Spezialisten konnten sich keinen Reim auf die hohe Gewichtszunahme machen. Dirk Dier sieht das eher pragmatisch: „Wenn ich wenig kriege und dann mehr, konserviert der Körper das ganz automatisch“, sagt er. Und weiter: „Anna ist nicht unfit. Ein paar Kilo müssen runter, aber das reguliert sich wieder.“ Sie müsse auch wieder lernen, richtig zu essen und zu trinken – aber mit Spaß und Überzeugung. „Wir sind auf dem richtigen Weg“, fügt er hinzu.
Ultimatum April
Wer Grönefeld bei ihrem Melbourner Erstrundensieg gegen Zahlavova erlebte, kann Diers Optimismus nachvollziehen. Die Deutsche spielte engagiert, überzeugte auch läuferisch. Vor allem: Sie wirkte weniger verbissen als früher, blickte auch nicht nach jedem Schlag zum Trainer auf die Tribüne, wie es bei Font de Mora die Regel war. Ein Zeichen von neuer Selbstständigkeit? Mag sein. Bei der Niederlage gegen Ashley Harkleroad war davon nicht mehr allzu viel zu spüren. Dass es künftig nicht einfach wird, wissen alle Beteiligten. Im März 2006 gewann Grönefeld ihr erstes Turnier in Acapulco. Bei den French Open erreichte sie das Viertelfinale. Es gibt eine Menge Punkte zu verteidigen, wobei Diers Credo lautet: Man verteidigt keine Punkte, sondern man gewinnt neue dazu. Von Vorteil ist allerdings, dass Grönefeld nach den French Open kaum noch Matches gewonnen hat. Und so lautet ihr Ziel, am Ende der Saison in den Top 20 zu stehen. Das ist auch dringend nötig: Denn spätestens wenn sie nicht mehr zu den besten 25 Profis auf der WTA-Tour gehört, bekommt Grönefeld Probleme, in die Hauptfelder attraktiver Turniere zu kommen. Sollte sie sportlich abstürzen, müsste sie erhebliche Kürzungen bei ihrem Vertrag mit Adidas in Kauf nehmen, der in zwei Jahren ohnehin ausläuft. Eine weitere „Baustelle“: Font de Mora ist immer noch Grönefelds Manager. Sollte er weiter Sätze wie „Spätestens im April trainiert Anna-Lena wieder bei mir“ verbreiten, wäre es für den Erfolg seiner Klientin eher hinderlich. Die Misserfolgsserie begann schließlich schon unter seiner Ägide. Eine von Grönefelds Lieblingsserien heißt auch „Friends“ – Freunde kann sie zur Zeit gut gebrauchen.nike sb dunk sizing and fit guide | 1576 nike air jordan 1 grises y negras