Carlos Moya im Interview: „Rafa will überall gewinnen”
Carlos Moya, der Trainer von Rafael Nadal, spricht im Interview über die erste Begegnung mit seinem heutigen Schützling und sagt, was einen guten Trainer auszeichnet.
Carlos Moya erscheint entspannt und gut gelaunt zu unserem vereinbarten Video-Interview um 11 Uhr. Er hat bereits eine Trainingseinheit hinter sich, allerdings nicht mit seinem Schützling Rafael Nadal, sondern mit Schülern, die nach der Nadal-Methode trainieren möchten. Das bedeutet: hohe Intensität, sowohl physisch als auch psychisch. Mit seiner Frau und seinen drei Kindern verbringt Moya eine Trainingswoche im Rafa Nadal Tennis Centre im Sani Resort in Griechenland auf der Halbinsel Kassandra. „Ich wünschte, ich könnte den gesamten Sommer im Sani Resort verbringen“, sagt der 45-jährige Spanier. Im Interview mit tennis MAGAZIN spricht Moya über die Arbeit und seine besondere Beziehung zu Nadal, der wenige Tage nach dem Gespräch wegen einer Fußverletzung sein Saisonende verkündete.
Herr Moya, erinnern Sie sich an den 14. Mai 2003?
(überlegt) Da müsste ich in Hamburg zum ersten Mal gegen Rafa gespielt haben.
Korrekt! Welche Erinnerungen haben Sie an das Match?
Keine guten (lacht). Es war die erste von vielen Niederlagen gegen ihn. Die Pleite in Hamburg (5:7, 4:6 in der zweiten Runde; Anm. d. Red.) schockierte mich etwas. Rafa war noch ein Kind und das Match war kurz vor seinem 17. Geburtstag. Ich habe als Nummer vier der Welt den Druck gespürt, gegen einen Teenager gewinnen zu müssen. Wir hatten die Jahre zuvor viel gemeinsam trainiert, weil wir beide aus Manacor stammen. Daher wusste ich, wie gut Rafa ist und dass er sich zu einem mehrfachen Grand Slam-Champion entwickeln würde.
Sie haben seit vielen Jahren eine besondere Beziehung zu Nadal. Er nannte sie stets einen Mentor. Wann haben Sie Nadal das erste Mal getroffen?
Das war 1998 in Deutschland in Stuttgart. Rafa spielte bei einem U12-Turnier und ich trat parallel beim ATP-Turnier auf dem Stuttgarter Weissenhof an. Wir haben dort 15 Minuten miteinander gespielt.
Konnten Sie damals sein Potential schon erkennen?
Nach 15 Minuten Bälleschlagen kann man das schwer beurteilen. Ich konnte sehen, dass etwas Besonderes in seinem Spiel und in seiner Persönlichkeit lag. Aber zu diesem Zeitpunkt war es für mich auch aufgrund der Kürze der Zeit schwer vorherzusagen, ob er ein Topspieler werden würde.
Sie trainieren Nadal seit 2017. Was beeindruckt Sie am meisten, wenn er auf dem Platz steht?
Rafa hat die Fähigkeit, jeden Tag 100 Prozent zu geben, sowohl im Match als auch im Training. Selbst wenn er einen schlechten Tag hat, würde ich ihm sieben von zehn möglichen Punkten geben. 99 Prozent der Spieler, und da spreche ich aus eigener Erfahrung, liegen bei einem schlechten Tag auf dieser Skala bei einer zwei oder drei. Das macht einen riesengroßen Unterschied, wenn man an schlechteren Tagen immer noch ein hohes Leistungsniveau erreicht.
Und abseits des Platzes?
Rafa ist ein unglaublicher Wettkämpfer, egal, worum es geht. Er will überall gewinnen. Das ist beeindruckend.
Vor Nadal haben Sie Milos Raonic trainiert, der mit Ihnen 2016 das Finale in Wimbledon erreicht hat. Was zeichnet aus Ihrer Sicht einen guten Trainer aus?
Das Wichtigste ist, den Spieler zu verstehen. Der Trainerjob bedeutet 24 Stunden Aufmerksamkeit, und das sieben Tage die Woche. Um ein gutes Training mit Rafa zu gestalten, muss ich wissen, wie er sich fühlt, wie er geschlafen hat, wie die Situation mit seiner Frau und seiner Familie ist, wie es um seine Lieblingsmannschaft im Fußball bestellt ist. Alle Informationen, die ich von Rafa bekommen kann, helfen mir, um zu verstehen, ob es ihm an einem bestimmten Tag gut geht oder er nicht in Stimmung ist. Das herauszufinden und darauf einzuwirken, macht aus meiner Sicht einen guten Trainer aus. Außerdem muss ich mich als Coach der jeweiligen Spielweise anpassen. Ich habe mit Raonic zusammengearbeitet, der ein völlig anderer Spielertyp ist und auch eine andere Persönlichkeit hat als Rafa. Diese Anpassung ist der herausfordernde Teil in der Trainerarbeit. Der Spieler sollte sich niemals dem Trainer anpassen.
Unter Ihnen als Trainer hat sich Nadal im Aufschlagspiel augenscheinlich stark verbessert. Was haben Sie getan, um Nadals Aufschlag auf ein höheres Niveau zu hieven?
Das war mehr eine Teamarbeit als die Leistung nur von mir. Als Team müssen wir an einem Strang ziehen und uns darüber einig sein, was wir von Rafa möchten. Unser Ziel war es, dass wir einen offensiveren Rafa wollten, der die Ballwechsel früher beendet. Dafür braucht man einen starken Aufschlag. Der Fokus lag zunächst auf dem zweiten Aufschlag. Das haben wir bereits 2017 erreicht. Er hat circa zehn bis 15 Kilometer pro Stunde schneller serviert mit dem zweiten Service. Er schlug dadurch auch seinen ersten Aufschlag mutiger, weil er sich auf seinen zweiten Aufschlag verlassen konnte. Nach einem Jahr führten wir einige technische Umstellungen an der Aufschlagbewegung durch und analysierten seinen Aufschlag in vielen Videosequenzen. Rafa war zunächst etwas ängstlich, etwas an seiner Aufschlagbewegung zu verändern. 2018 kam er dann auf uns zu und sagte, dass er nun vollkommen bereit sei – egal, was wir als Trainerteam von ihm forderten. Das macht Rafa einzigartig. Er ist bereit zuzuhören und sich kontinuierlich zu verbessern, auch wenn es nur Kleinigkeiten sind. Das zeichnet einen Champion aus.
Sie waren die erste Nummer eins aus Spanien. Was bedeutet Ihnen das?
Tennis hat solch eine lange Tradition in Spanien. Das ist eine Leistung, auf die ich sehr stolz bin. Ich werde immer die erste Nummer eins aus Spanien sein. Es gibt Spieler wie Rafa, die viel mehr gewonnen haben und länger Nummer eins waren als ich. Es ist schön zu wissen, dass es etwas gibt, dass mir niemand wegnehmen kann.
Welche Leistung hat einen höheren Stellenwert: Ihr French Open-Titel 1998 oder das Erreichen der Nummer eins im Jahr 1999?
Die Nummer eins der Welt gewesen zu sein, sticht aus meiner Sicht mehr hervor. Seit Einführung der Weltrangliste im Jahr 1973 gab es nur 26 Weltranglistenerste. Ich bin einer von ihnen. Grand Slam-Sieger gab es seitdem deutlich mehr. Um ein Grand Slam-Turnier zu gewinnen, braucht es zwei gute Wochen. Um die Nummer eins zu sein, ist die Arbeit von 52 Wochen nötig.
Sie haben in einer Ära mit Sampras, Agassi und Becker gespielt, aber auch gegen Nadal, Federer und Djokovic. Kann man diese Epochen miteinander vergleichen?
Nein, das kann man nicht. Als ich Mitte der 90er-Jahre auf die Tour kam, hatten die Australian Open noch nicht diesen großen Stellenwert, den sie heute haben. Viele Spieler haben darauf verzichtet. Von den neun Masters-Turnieren habe ich damals nur fünf oder sechs gespielt. Mehr war damals nicht möglich. Mittlerweile hat sich vieles verändert, im Regelwerk und auch bei den Belägen. Vor 20 oder 25 Jahren hatten wir vier verschiedene Sportarten in einer Sportart: Sandplatz, Hartplatz, Rasen und dazu noch Teppichplätze, die extrem schnell waren. Es gab auf Rasen und Teppich kaum Ballwechsel und keinen Rhythmus. Es wurde nur Serve-and-Volley gespielt. Agassi war der einzige Profi, der in der Lage war, die Aufschläge zu returnieren – egal auf welchem Bodenbelag. Heutzutage spielt man bei den French Open auf Asche und die Woche darauf auf Rasen, aber es ist trotzdem die gleiche Art von Tennis. Es sind zwar andere Bedingungen, aber man ist in der Lage, auf allen Belägen eine sehr ähnliche Art von Tennis zu spielen – das ging früher überhaupt nicht.
Vita Carlos Moya
Der Spanier (Jahrgang 1976) stammt wie sein Schützling Nadal, den er seit 2017 trainiert, aus Mallorca. Er gewann 20 ATP-Titel, darunter die French Open 1998, und erreichte das Finale bei den Australian Open 1997. Die Weltrangliste führte er 1999 für insgesamt zwei Wochen an. 2010 spielte er sein letztes Match auf der ATP-Tour. 2014 war er Davis Cup-Kapitän in Spanien. Moya ist verheiratet und hat drei Kinder (Carla, Carlos und Daniela).
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