Coaching im Tennis? Ja, bitte!
Das Duell in den sozialen Medien zwischen Stefanos Tsitsipas und Nick Kyrgios zum Thema Coaching hat unser Kolumnist Alexander Waske verfolgt – und hat eine klare Meinung.
Eins vorweg: Nick Kyrgios widerspricht immer gerne. Sagen Sie blau, sagt er grün. Es ist weniger eine Meinung, die er kundtut, sondern er liebt das Provokante. Als sich Stefanos Tsitsipas neulich für Coaching aussprach, returnierte Kyrgios via Instagram: „Normalerweise habe ich nichts gegen seine Ideen, aber diese ist schrecklich.“ Typisch Kyrgios, für den Mann, der keinen Trainer hat, weil er untrainierbar ist und auch keinen Coach respektiert. Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Kyrgios ist ein genialer Spieler, ein interessanter Entertainment-Faktor im Welttennis, aber ein Champion wird er so nie.
Ich bin definitiv für Coaching. Ein Trainer fliegt mit seinem Schützling um die halbe Welt. Spieler und Trainer sind ein Team. Sie kommunizieren, trainieren, feilen an Schlägen. Warum muss der Coach im Match den Mund halten? Das gibt es in keiner anderen Sportart. Bei den Damen gibt es On-Court-Coaching, was ich befürworte. Einmal im Satz darf der Schützling seinen Coach rufen und sich mit ihm auf der Bank beraten. Manchmal ist es ein weiter Weg, bis der Trainer von seinem Platz von der Tribüne auf den Court kommt, aber auch Coaches können eine Laufeinheit ab und an vertragen. Auch gut finde ich die „Coaches Corner“, die beim US Open-Quali-Turnier zum Einsatz kam. Der Coach sitzt schräg gegenüber vom Schiedsrichterstuhl auf der Tribüne. Er darf mit seinem Spieler reden – verbal und nonverbal –, vor allem in den Pausen. Kontrovers diskutieren kann man das Coaching mit Mikrofon, bei dem die TV-Zuschauer mithören können. Der Trainer möchte natürlich nicht die genaue Taktik preisgeben, auch für zukünftige Begegnungen, aber für Zuschauer und Kommentatoren wäre es eine absolute Bereicherung.
Coaching-Regel nicht mehr zeitgemäß
Die aktuelle Regel im Herrentennis beziehungsweise bei den Grand Slams, nämlich Coaching zu verbieten, ist nicht mehr zeitgemäß. Aktuell ist ein guter Schiedsrichter derjenige, der die Trainer an der langen Leine lässt. Das heißt: Wird das Coaching etwa durch permanentes Reinrufen nicht übertrieben, drückt er ein Auge zu. Aber es ist eine Grauzone. Der eine Stuhlschiedsrichter legt das Reglement hart aus, der andere weich. Zumal Coaching, was ja de facto praktiziert wird, oft nicht geahndet wird, weil der Schiedsrichter die Sprache nicht versteht oder die versteckten Zeichen nicht erkennt.
Ich bin für eine saubere Lösung. Und ja: Coaching muss geregelt werden. Es sollte unter bestimmten Auflagen im Match praktiziert werden, in einer Spielpause oder am Satzende. Von einem „Time out“ wie im Handball halte ich nichts. Es würde den Spielfluss zerstören.
Was ebenfalls für Coaching spricht: Es wird ja in anderen Formaten praktiziert. Beim Davis Cup sitzt der Kapitän auf der Bank. Er kann Einfluss auf das Spiel nehmen, beobachtet manchmal Dinge, die der Spieler nicht sieht und kann sie ihm beim Seitenwechsel erklären. Das entspricht meiner Idee von einem Teamsport und ein Spieler und sein Trainer sind ein Team, wenn auch die kleinste Einheit.
Man gewinnt oder verliert zusammen
Auch im Medenspiel fungiert man als Team, wenn der Mannschaftskollege von der Bank coacht. Oder eben ein Trainer. Die Botschaft etwas martialisch ausgedrückt: Man zieht zusammen in den Krieg. Man gewinnt oder verliert gemeinsam. Das Argument, dass sich nicht jeder einen Trainer leisten kann und damit einen Wettbewerbsnachteil hat, kann ich nachvollziehen. Fakt ist aber, dass sich in dem Punkt in den letzten Jahren viel geändert hat. Unter den Top 100 haben mittlerweile alle einen Coach – bis auf Kyrgios. Früher sind die Spieler auch ohne Physios oder Fitnesscoaches zu Turnieren gereist. Der Sport entwickelt sich. Erfolge muss man sich erarbeiten und wer erfolgreich ist, investiert in sein Team.
Der entscheidende Punkt für mich ist, dass Tennis moderner werden muss. Das TV hat die technischen Möglichkeiten, Coaching zur Showeinlage zu machen. Stellen Sie sich vor: Roger Federer liegt im Wimbledon-Finale 2:3 im fünften Satz zurück. Was sagt Ivan Ljubicic zu Federer? Da zuhören zu dürfen – dafür würde ich Geld zahlen!
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