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Alexander Zverev: Darum war er 2021 so stark!

Alexander Zverev spielte 2021 seine  erfolgreichste Saison. Unser Autor Philipp Heger analysiert, was den Deutschen in diesem Jahr so stark gemacht hat.

Autor: Philipp Heger

Vor zwei Jahren hatte Alexander „Sascha“ Zverev, obwohl Nummer sieben der Weltrangliste zum Jahresende, eine seinen Ansprüchen ungenügende Saison zu Ende gebracht. Damals fasste tennismagazin.de unter dem Titel „Big Points: Die durchwachsene Saison des Alexander Zverev“, eben jene Spielzeit zusammen. Nun hat Zverev in der 2021er Spielzeit das erfolgreichste Jahr seiner Karriere erlebt – Olympiasieger, Weltmeister und Deutschlands Sportler des Jahres. Dazu kamen die beiden Masters 1000er Turniersiege in Madrid und Cincinnati, sowie Turniererfolge in Acapulco und Wien. Was aber hat diese Spielzeit nun so erfolgreich gemacht und was fehlt noch zum ganz großen Wurf?

Mit mehr Selbstvertrauen und Aggressivität

Erstere Frage lässt sich vor allem mit dem verbesserten zweiten Aufschlag beantworten. Punktete Zverev im Jahr 2020 nur zu 45% und im Jahr 2019 gar nur zu 44% mit dem zweiten Aufschlag, steht er nun wieder bei einer Gewinnquote von 52% mit seinem zweiten Aufschlag. Die Anzahl der Doppelfehler sank im Vergleich zu diesen beiden Jahren von Werten von 5,68 (2019) bzw. 5,64 (2020) Doppelfehlern auf 3,66 Doppelfehler pro Match, bei nahezu gleicher Anzahl an Assen.

Die Aufschlagwerte mit dem ersten Aufschlag (Gewinnpunkte und Prozentzahl erster Aufschläge im Feld) sind minimal verbessert im Vergleich zu 2019 und exakt gleich zum Jahr 2020. Der verbesserte zweite Aufschlag aber wirkt sich auch auf Zverevs Psyche und damit sein Spiel aus. Er agiert mit weit mehr Selbstvertrauen und spielt viel aggressiver, vor allem mit der Vorhand. Er versucht selbst aktiv den Punkt zu bestimmen, will den Fehler des Gegners erzwingen oder sucht den Winner.

Ganz anders sah dies noch vor zwei Jahren aus, als man oftmals das Gefühl hatte, dass Zverev nur auf den Fehler des Gegners hoffen würde. Jene sieben Prozent mehr Punktgewinne über den zweiten Aufschlag – und sieben Prozent sind in dem Bereich eine neue Dimension – wirken sich auch auf andere Zahlen im Bereich des Aufschlagspiels aus. So erhöht Zverev die Punktgewinne bei eigenem Aufschlag von 65% im Jahr 2019, auf 67% 2020 und nun auf 69% 2021. Dies wiederum wirkt sich auf auch auf die eigenen Aufschlagspiele aus. 2019 gewann Zverev 80% seiner Aufschlagspiele (ein guter Wert, aber für mögliche Grand Slam Siege zu wenig), 2020 83% seiner Aufschlagspiele und 2021 86% seiner Aufschlagspiele.

Alexander Zverev verbesserte 2021 seine Gewinn-Quote beim zweiten Aufschlag. 📸: Getty Images

Zverev dicht an den Werten der Nummer 1

Da Zverev auch seine Returnleistung leicht verbesserte, wirkt sich dies natürlich auf die Gesamtpunkte und damit auf die Matchsiege aus. 54% aller Punkte gewann Zverev im Jahr 2021 (2019 lediglich 51% und 2020 immerhin 53%). 54% Gesamtpunktzahl klingt natürlich erst einmal nicht viel. Aber wenn wir uns vor Augen halten, dass die Nummer 1 am Jahresende in den letzten Jahren immer 55% aller Punkte gewann, fehlt Zverev da nicht viel. Medvedev und Tsitsipas im Übrigen gewannen auch 54% ihrer Punkte 2021. Was aber fehlt Zverev noch, um Grand Slam Turniere zu gewinnen und tatsächlich die Nummer 1 der Weltrangliste zu werden?

Statistisch gesehen nicht viel. Spielerisch liegen Djokovic, Medvedev und Zverev eng beisammen und alle drei ein gutes Stück vor der dahinter folgenden Konkurrenz. Die Aufschlagwerte sind nahezu identisch. Medvedev und Djokovic bringen 87% aller Aufschlagspiele durch. Zverev hält immerhin zu 86% sein Aufschlagspiel. Djokovic ist derjenige, der am häufigsten mit dem zweiten Aufschlag punktet. Medvedev derjenige, der am öftesten mit dem ersten Aufschlag punktet und Zverev derjenige, der den ersten Aufschlag am häufigsten ins Feld bekommt. Unterschiede gibt es aber vor allem in den Returnspielen. Denn da durchbricht Zverev zu 28% das Aufschlagspiel seines Gegners. In den Top Ten sind lediglich Nadal (und seine Werte sollte man mit Vorsicht betrachten, denn er hat 2021 zum einen sehr wenige Matches gespielt und zum anderen fast nur auf Sandplatz) mit 36%, Djokovic mit 35% und Medvedev mit 31% besser.

Enge Niederlagen bei den Grand Slam-Turnieren

Um aber die Nummer 1 zu werden, muss Zverev in dieser Hinsicht, obwohl er in diesem Bereich schon sehr gut ist, hier noch weiter zulegen. Die letzten elf Jahre (seit Djokovic erstmals die Nummer eins der Welt wurde) hatte der Weltranglistenerste zum Jahresende immer mindestens 30% der Returnspiele gewonnen und mindestens 42% aller Returnpunkte. Im Durchschnitt breakte der Nummer 1-Spieler seinen Gegner mehr als jedes dritte Mal und erzielte 43% aller Returnpunkte. Zverev erzielt aktuell 39% aller Returnpunkte.

Dies ist der eine Punkt, an dem Zverev arbeiten muss. Der andere sind die Big Points. Die Luft an der Spitze ist dünn und viele Kleinigkeiten entscheiden. Das war bereits in diesem Jahr so. Alle Niederlagen bei den Grand Slam-Turnieren, die Zverev erlitt, waren eng. Zu Jahresbeginn in Melbourne unterlag Zverev Djokovic in vier engen Sätzen. In drei der vier Sätze hatte Zverev bereits einen Vorsprung mit einem Break. Zverev hatte Satzball, um nach Sätzen auszugleichen. Am Ende gewann Djokovic mit lediglich zehn Punkten Differenz (was aufgrund der Matchdauer sehr wenig ist).

Auch im Halbfinale von Paris gegen Tsitsipas war es eng. Obwohl Zverev die ersten beiden Sätze verschlief, kämpfte er sich in den fünften Durchgang, hatte dort gleich im ersten Aufschlagspiel von Tsitsipas ein 0-40 und damit drei Breakchancen am Stück, realisierte aber das Break nicht und wurde im Anschluss selbst gebreakt. Auch hier verlor er mit lediglich zehn Punkten Unterschied. In Wimbledon spielte Zverev sein wohl schwächstes Grand Slam-Match 2021. Dennoch hatte er gegen Felix Auger-Aliassime im Achtelfinale Chancen auf den Sieg. Wieder verlor er denkbar knapp im fünften Satz. Am Ende gewann Auger-Aliassime lediglich drei Punkte mehr als der Deutsche. Bei den US Open schließlich unterlag Zverev Novak Djokovic in fünf Sätzen. Auch hier gab es lediglich acht Punkte Unterschied zwischen den Spielern.

In Wimbledon schied Alexander Zverev im Achtelfinale mit 4:6, 6:7, 6:3, 6:3 und 4:6 gegen Felix Auger-Aliassime aus. 📸: Getty Images

2022: Es kommt auf Kleinigkeiten an

Dass es auch anders geht, zeigte Zverev eindrucksvoll bei Olympia in Tokio. 1-6, 2-3 mit Break hinten lag er gegen Djokovic bereits zurück, ehe Zverev eine rasante Aufholjagd gelang. Ähnliches schaffte der Deutsche auch im Halbfinale von Cincinnati als Zverev gegen Tsitsipas mit 1-4 und Doppelbreak zurücklag und Zverev dieses Match noch in einem finalen Tiebreak für sich entscheiden konnte.

Auch im Jahr 2022 zeichnet sich ab, dass die Matches der absoluten Weltspitze sehr eng verlaufen werden und es auf Kleinigkeiten ankommen wird. Wer trifft beim Breakball den ersten Aufschlag oder wer hat im Tiebreak eine bessere Returnquote? Welcher Spieler findet in den entscheidenden Phasen die richtige Mischung aus Aggressivität, Präzision und Geduld? Welcher Spieler schafft es, in Stresssituationen seinen Fokus zu behalten und seine Emotionen in die richtigen Bahnen zu lenken? Zverev hat mit seinem Spiel, seiner für seine Größe fantastischen Beinarbeit, den druckvollen, präzisen Grundschlägen und den hammerharten Aufschlägen sicherlich das Gesamtpaket, um im Jahr 2022 Großes zu erreichen. Zeit, dass sich die letzten Puzzleteile in das große Ganze einfügen.

Philipp Heger, Jahrgang 1980 ist der Autor der Tennisfachbücher „Taktik im Tennis – wie du mit Spielintelligenz punkten kannst“ und „Mentale Stärke im Tennis – Mit Köpfchen zum besseren Spiel“. Die vollständig überarbeitete und um 26 Seiten erweiterte Neuauflage meines Buches Taktik im Tennis“ ist jetzt im Handel sowie online erhältlich.

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