Drei Dinge sind in diesem Jahr in Wimbledon anders: Im Spielerrestaurant werden für Journalisten keine Sandwiches mehr zubereitet. Die waren immer sehr lecker, viel leckerer als die tiefgekühlten im Presserestaurant. Auf dem Centre Court gibt es auch Abstriche. Man kann nicht mehr in der ersten Reihe von Gangway 205 sitzen, wo man sich so schön auf die Balustrade lehnen konnte und den perfekten Blick hatte. Dort sitzen jetzt zahlende Zuschauer. Wimbledon muss wahrscheinlich zusätzliches Geld für den Ausbau der Anlage verdienen, haha. Dass ab 2018 vieles anders werden soll, kann man jetzt schon sehen – und das ist die dritte Veränderung. Auf Court 14, diesem kleinen Platz, auf den man immer diesen fantastischen Blick hatte und auf dem in der Vergangenheit gerne auch Deutsche angesetzt wurden – auf diesem Court 14 also wird in diesem Jahr nicht gespielt: keine Spieler, keine Zuschauer, kein Netz. Der Grund: Der Boden wurde vor dem Turnier abgetragen. Unterirdisch wurde mit den Baumaßnahmen begonnen. Das Gras, was man jetzt sieht, ist noch frisch. Im nächsten Jahr kann dort aber wieder gespielt werden.
Zwei Plätze weiter, auf Court 16, spielte Tim Pütz. Man muss bei dem Namen immer an Jean Pütz denken, diesem verrückten Deutsch-Luxemburger, der in den 80er Jahren immer so witzige Experimente im Fernsehen machte und von dem die Kinder glaubten, er könne zaubern. Der Deutsche Tim Pütz konnte nicht zaubern. Er war zwar in den ersten Tagen die Geschichte des Turniers, aber am Mittwoch ging sie zu Ende. Gegen Fabio Fognini, über den Pütz später urteilte, dass es schon nerve, wenn einer ständig fluche, Zeit schindet und manchmal so schlimme Wörter benutze, dass man die auch als Deutscher versteht. Überhaupt: Dass der Schiedsrichter ihn nicht verwarnte, verwundert Pütz.54.000 Euro Preisgeld so viel wie noch nie
Aber daran lag es nicht, dass er verlor. Wahrscheinlich lag es an Unerfahrenheit. Das jedenfalls meinte Davis Cup-Kapitän Carsten Arriens, der nach dem Ende des dritten Satzes an einer Mauer am Court lehnt und mit den Schultern zuckt. Da mag er Recht haben. Der dritte Satz war der Knackpunkt. 1:1 stand es in Sätzen. Im dritten Durchgang führte Pütz im Tiebreak 4:0 bei eigenem Aufschlag. Später hat er zwei Satzbälle, die er nicht verwandeln konnte, weil Fognini, der ansonsten nicht durch Brillanz auffiel, in dieser Phase ganz ordentlich traf. Kurz darauf war der Satz weg. Am Ende stand es 6:2, 4:6, 6:7, 3:6.
Es hätte eine schöne Geschichte werden können. Aber eigentlich war es die auch so. Deshalb noch mal die Kurzfassung von Pütz‘ Wimbledon-Abenteuer. Sie begann eigentlich in Halle. Dort verlor der 26-Jährige aus Frankfurt in der ersten Quali-Runde. Es war sein erstes Rasenmatch überhaupt. In Roehampten, in der Wimbledon-Quali, spielte er die Rasenmatches zwei, drei und vier und stand plötzlich im Hauptfeld. In der ersten Runde schlug er dann Teymuraz Gabashvili, immerhin die Nummer 67 der Welt und hatte schon einmal knapp 54.000 Euro sicher – mehr als er mit Tennis je verdient hat.
Training mit Roger Federer
Ob der sportliche Höhenflug der Nummer 251 am Training mit Roger Federer lag? Der hatte in Halle durch eine SMS seines Trainers anfragen lassen – Sachen gibt’s… Jedenfalls hatte das Training nach Aussage aller Beteiligten richtig Spaß gemacht. Und dann – genau – folgten vier Siege auf Gras am Stück für den Mann, der eigentlich kein Profi ist, sondern Student. Bis 2012 studierte er in Alabama, USA, Volkswirtschaft. Dann ging er zurück nach Deutschland und wollte weiter studieren. Er bekam aber keinen Studienplatz, nur eine Wartezeit – ein Jahr. Zeit, um ein bisschen Profi-Tennis zu spielen.
Wie es jetzt weitergeht? Pütz, wache Augen, Drei-Tage-Bart, sitzt in einem kleinen Interviewraum im Bauch von Wimbledon. „Zwei, drei Tage erstmal sacken lassen“, sagt er. Dann geht’s nach Stuttgart, wo er wohl nur im Doppel antritt. An eine Wildcard in Stuttgart oder Hamburg glaubt er nicht. „Ich würde sie mit Kusshand nehmen, aber da gibt es andere, die es mehr verdient haben.“ Er habe ein gutes Turnier gespielt, mehr nicht. Wäre aber trotzdem schön, wenn man von Herrn Pütz künftig noch hören würde. Auch wegen der alten Zeiten mit Namensvetter Jean…