Das Müller-Weiss-Syndrom: Nadals Schwachstelle
Seit 15 Jahren hat Rafael Nadal Probleme mit dem linken Fuß. Das Müller-Weiss-Syndrom ist schmerzhaft und schwer zu behandeln.
Text: Gabriele Hellwig
Es grenzt an ein Wunder, sagen die einen. Er hätte gar nicht spielen dürfen, sagen die anderen. Rafael Nadal leidet unter dem Müller-Weiss-Syndrom, einer Knochenkrankheit der Füße. Diese kann äußert schmerzhaft sein. Und trotzdem siegte der Spanier bei den Australian Open 2022.
„Beim Müller-Weiss-Syndrom handelt es sich um eine lokale Durchblutungsstörung im Fuß“, sagt Stefan Schneider, Orthopäde im OrthoCentrum in Hamburg. „In der Folge verändert sich der Zustand des Knochens, er kann zunehmend kaputt gehen und sich sogar verformen.“ Betroffen ist ein wichtiger Knochen der Fußwurzel: das Kahnbein. „Das Kahnbein spielt beim Laufen eine große Rolle“, erklärt Schneider. „Es sitzt am inneren Fußrand. Dieser Knochen spielt eine entscheidende Rolle bei der Übertragung des Körpergewichts beim Gehen oder Laufen auf den Untergrund. Aufgrund seiner Position im Fuß ist er für das Aufrechterhalten des Fußgewölbes notwendig.“
Das bedeutet: Stirbt Knochengewebe im Kahnbein ab, schränkt dies die Funktion des Fußes enorm ein. Laufen, geschweige denn Rennen, ist in akuten Phasen oder im chronischen Stadium kaum mehr möglich. Zumindest nicht wie früher. Und schon gar nicht schmerzfrei.
Typisch sind beim Müller-Weiss-Syndrom daher zum Teil stechende Schmerzen. Rafael Nadal, der seit rund 15 Jahren unter der Krankheit leidet, sagt: „Der Fuß ist praktisch in zwei Hälften gespalten.“ Immer wieder im Laufe der vergangenen Jahre musste er Zwangspausen einlegen. Und spielte anschließend trotzdem wieder auf höchstem Niveau. Wie ist das zu erklären? „Die Krankheit kann wellenförmig verlaufen, mal sind die Schmerzen stärker, mal schwächer“, sagt Schneider.
Müller-Weiss-Syndrom: Krankheitsbild seit 1927
Benannt wurde das Müller-Weiss-Syndrom nach zwei Ärzten, die das Krankheitsbild 1927 als erste beschrieben: dem deutschen Orthopäden Walther Müller und dem Wiener Radiologen Konrad Weiss. Die genauen Ursachen für die Erkrankung sind bis heute nicht bekannt. Offenbar sind vor allem Menschen zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr betroffen, tendenziell mehr Frauen als Männer. „Die Krankheit bricht meistens spontan aus“, weiß Schneider.
Wichtig beim Müller-Weiss-Syndrom: eine frühe und genaue Diagnose. Schneider: „Das Müller-Weiss-Syndrom ist eine sehr seltene Erkrankung. Klagt ein Tennisspieler über Mittelfußschmerzen ist ein Ermüdungsbruch oder eine beginnende Arthrose wahrscheinlicher.“ So kommen bei der Diagnose bildgebende Verfahren wie Röntgen und die Magnetresonanztomografie (MRT) zum Einsatz. „Im MRT sind Veränderungen in der Knochenstruktur des Kahnbeins gut zu erkennen“, so Schneider.
Je früher die Krankheit erkannt wird, desto eher kann dagegen etwas unternommen werden. Denn unbehandelt schreitet das Müller-Weiss-Syndrom immer weiter voran. „Verformt sich das Kahnbein, entsteht eine Fehlstellung im Fuß“, erklärt Schneider. „Das Kahnbein besitzt mehrere Gelenkflächen und hat darüber Kontakt zum Vor- und Rückfuß. Eine Fehlstellung kann eine massive Schädigung der Gelenkflächen verursachen. Eine Einschränkung des Gangs droht, im schlimmsten Fall eine dauerhafte Gehbehinderung.“
Therapie auf verschiedenen Ebenen
Die Therapie des Müller-Weiss-Syndroms erfolgt auf verschiedenen Ebenen, erläutert Schneider: „Wichtig ist in der frühen oder akuten Situation zunächst eine Ruhigstellung. Wer Schmerzen hat, sollte mit dem Tennisspielen pausieren. Behandlungen können per Stoßwellentherapie und Ultraschalltherapie ausgeführt werden. Der Patient erhält in der Regel entzündungshemmende Schmerzmittel, die vorübergehend eingenommen werden können.“ Individuell angefertigte Schuheinlagen spielen bei der Behandlung ebenfalls eine große Rolle. Auch empfehlenswert, besonders bei Tennisspielern: den Bewegungsablauf genau anschauen und gegebenenfalls verbessern. „Wir arbeiten im OrthoCentrum mit Physiotherapeuten und Sportwissenschaftlern zusammen, um das Optimum für jeden Sportler herauszuholen“, sagt Schneider. Auch Rafael Nadals Behandlung fand mehrgleisig statt: Neben Ruhephasen setzt er auf spezielle Einlagen und angepasste Bewegungen.
Eine Operation ist beim Müller-Weiss-Syndrom nur in chronifizierten, fortgeschrittenen Zuständen zu empfehlen. „Man kann das betroffene Gelenk versteifen. Dies beseitigt zwar die Schmerzen, schränkt aber die Beweglichkeit des Fußes ein. Eine individuelle Beratung ist daher bei Fußproblemem wie dem Müller-Weiss-Syndrom das A und O, um die beste Therapie zu finden“, rät Schneider.
Mittelfußschmerzen – vielfältige Ursachen
Schmerzen im mittleren Bereich des Fußes, die sich beim Laufen verschlimmern, haben neben dem Müller-Weiss-Syndrom vor allem folgende Ursachen:
Ermüdungsbruch
Bei Überlastung des Fußes bilden sich kleine Brüche im Knochen (Mikrofrakturen). Anfangs versucht der Körper, dies auszugleichen, indem er vermehrt Knochensubstanz bildet. Irgendwann schafft er es aber nicht mehr. Der Knochen wird anfälliger. Schon eine alltägliche Bewegung kann zu einem Ermüdungsbruch führen.
Arthrose im Fuß
Bei Arthrose nutzt sich der Gelenkknorpel ab, der auch kleine Gelenke im Fuß schützend umgibt. Die Schmerzen im Mittelfuß entstehen durch eine Schmerzausstrahlung aus anderen Bereichen des Fußes. Meistens kommt dies bei einer Arthrose der Zehengrundgelenke vor, die die Zehen mit dem Mittelfuß verbinden.Men’s Air Jordans 1 release dates | air jordan 11 retro release date holiday 2023