Davis Cup: Hat Deutschland eine Chance gegen Kanada?
Am Donnerstag trifft das deutsche Davis Cup-Team in der Finalrunde auf Kanada. Auf dem Papier sind die Kanadier klare Favoriten. Ist ein Sieg dennoch möglich?
Es ist wie immer, als das deutsche Team den Pressekonferenzsaal im „Palacio de Deportes“, dem Stadion in dem die Davis Cup-Finals gespielt werden, im spanischen Málaga betritt. Die Mannschaft ist locker gestimmt, scherzt miteinander. Mit einem Blick auf das Gespräch zwischen Jan-Lennard Struff und Oscar Otte schlägt Teamkapitän Michael Kohlmann die Hände vor dem Gesicht zusammen und schüttelt grinsend den Kopf. Was die Spieler sagen ist durch die Mikros noch nicht zu hören. Erst als die ersten Fragen der Journalisten aufkommen, kehrt Ernsthaftigkeit zurück in ihre Mienen.
Das deutsche Team mit Oscar Otte, Jan-Lennard Struff, Yannick Hanfmann und den Doppelspielern Kevin Krawietz und Tim Pütz ist sich bewusst, dass ihr Viertelfinal-Match gegen Kanada ein schwieriges Los ist. Denn die Nordamerikaner sind mit ihrem Top-Team am Start: Felix Auger-Aliassime, aktuell Nummer 6 im ATP-Ranking, und Denis Shapovalov, Platz 18 in der Weltrangliste, führen die Mannschaft an. Deutschland hingegen muss auf Nummer eins-Spieler Alexander Zverev verzichten. Der dreifache Bänderriss im Halbfinale der French Open, ein kurz vor der Davis Cup-Zwischenrunde in Hamburg diagnostiziertes Knochen-Ödem im Fuß und schließlich eine jüngst zugezogene Corona-Infektion haben Zverev die zweite Saisonhälfte komplett verhagelt. Zverev jedenfalls plant sein Comeback in der Winterpause – bei Showturnieren in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Deutsches Davis Cup-Team: klare Underdogs
Für Deutschland werden nun aller Voraussicht nach Oscar Otte (ATP# 65) und Lan-Lennard Struff (ATP# 152) in den Einzeln auflaufen. 59 Weltranglistenplätze trennen die Top-Spieler beider Mannschaften. Über 100 Plätze sind es bei den Zweitplatzierten. „Natürlich sind wir, was das Ranking betrifft, nicht die Favoriten“, weiß auch Kohlmann. „Aber wir haben in den letzten Jahren mehrfach bewiesen, dass wir auch höher gerankte Teams schlagen können.“ Was er meint: Im vergangenen Jahr, als die Gruppenphase bzw. das Viertelfinale in Innsbruck gespielt wurde, setzten sich Struff & Co. (auch hier fehlte Zverev) gegen Serbien mit dem damaligen Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic und gegen Großbritannien mit den Top-50-Spielern Cameron Norrie und Daniel Evans durch.
Otte und Struff mit großem Verletzungspech
Was aber auch klar ist: die Voraussetzungen im letzten Jahr waren andere. Denn vor allem die deutschen Einzelspieler mussten in dieser Saison einige Rückschläge einstecken. Sowohl Jan-Lennard Struff als auch Oscar Otte pausierten 2022 über einige Wochen. Struff hatte sich den Zeh gebrochen und fand über das Jahr hinweg nicht richtig zu seiner Form. „Ich hatte kein gutes Jahr“, sagte der Warsteiner in Malaga rückblickend. Davon will sich der 32-Jährige aber nicht beeinflussen lassen. Dass er eben diese Durststrecke hinter sich lassen kann, stellte Struff zuletzt in der Gruppenphase in Hamburg unter Beweis. Alle drei Einzel-Matches entschied er für sich – wenn auch knapp. „Hamburg hat mir einen Push gegeben.“ Das Stichwort, das Struff beim Davis Cup so beflügelt, lautet „Team“. „Es macht mir einfach Riesen-Spaß mit dem Team zusammen zu sein. Das sind die coolsten Wochen im Jahr. Das pusht mich noch ein bisschen mehr“, erklärt er.
Nach Wimbledon fehlte Oscar Otte für einige Wochen auf der Tour. Er hatte sich den Meniskus gerissen, musste operiert werden. In Hamburg hatte er dann seinen ersten Einsatz für das Davis Cup-Team, verlor aber alle drei Partien. „Ich habe wirklich versucht, zu gewinnen“, sagte er nun. In der Zeit zwischen der Gruppenphase im September bis zu den Finals jetzt Ende November habe der 28-Jährige aber hart trainiert. „Mein Level auf der Tour habe ich nochmals gesteigert“, analysiert er.
Struff mit positiver Bilanz gegen Shapovalov
Gegen wen Struff und Otte spielen werden, steht noch nicht fest. Höchstwahrscheinlich wird es Struff mit Denis Shapovalov zu tun bekommen. Für Struff kein so schlechtes Match-Up. Bereits achtmal trafen beide aufeinander, fünfmal gewann der Deutsche. „Das waren jeweils sehr enge und intensive Partien. Ein paar habe ich gewonnen“, analysiert Struff bescheiden. „Aber gerade auf Hartplatz ist Shapovalov wirklich gut und er hatte ein echt starkes Jahr“, weiß er. Der andere Gegner, Felix Auger-Aliassime, spielt eine überragende Saison, gewann Ende des Jahres drei Hartplatz-Turniere in Folge. Was aber dem deutschen Team einen Funken Hoffnung geben könnte: der Kanadier zeigte sich zuletzt bei den ATP Finals eher müde, musste zwei Niederlagen in drei Partien einstecken.
Wenn man aber schon von Bilanzen spricht, darf man die des deutschen Doppels Krawietz/Pütz nicht vergessen. Sie sind bislang ungeschlagen, gewannen alle ihre neun Davis Cup-Doppel. Auf Pütz/Krawietz, die 2023 auf der Tour zusammen spielen werden, ist Verlass. Pütz kündigte aber bereits in Hamburg an, dass irgendwann auch der Zeitpunkt kommen wird, an dem sie ein Match verlieren werden.
Dennoch: Bei so konstanten Doppelleistungen spielt vor allem das neue Format dem deutschen Team in die Karten. „Das Doppel wurde aufgewertet“, sagt Kohlmann. Vor zwei Jahren wurden noch fünf Partien, vier Einzel und ein Doppel gespielt. Mittlerweile sind es nur noch drei, zwei Einzel und ein Doppel. „Das kommt uns sehr zu Gute“, so der Teamchef. Kohlmann blickt auf eine einzigartige Siegesserie des deutschen Davis Cup-Doppels zurück: 15 Doppel hintereinander gewann die deutsche Mannschaft. Zuletzt wurde ein Doppel im Februar 2017 verloren. „Das steht für sich und ist außergewöhnlich“, betont der Teamchef.
Letzte Niederlage eines 🇩🇪 Davis Cup-Doppels? Februar 2017 in Frankfurt! Zverev/Zverev verloren in 5 vs. Bemelmans/de Loore 🇧🇪 Endstand: 1:4.
Seitdem hat das 🇩🇪 Davis Cup-Team 15 (!) Doppel in Serie gewonnen. Zum Einsatz kamen: Struff, Mies, Krawietz & Pütz #DavisCupFinals pic.twitter.com/5VOKPf2dN9
— tennis MAGAZIN (@tennismagazin) November 21, 2022
Formatänderungen im Davis Cup: Gut oder schlecht?
Durch das Format, das seit vier Jahren kontinuierlich angepasst und verändert wird, gäbe es aber auch weitere Pluspunkte für die Deutschen. Nicht nur, dass sie dieses Jahr in den Genuss von drei Heimspielen kamen, auch die Gegebenheiten seien 2022 fairer. Letztes Jahr mussten die Deutschen nach überstandener Gruppenphase und gewonnenem Viertelfinale die Location von Innsbruck nach Madrid wechseln. Andere Teams spielten ihre Gruppenphase bereits in der spanischen Hauptstadt. „Jetzt ist es viel fairer, dass alle acht Mannschaften mit der gleichen Vorbereitung hier antreten“, findet Kohlmann. Dadurch, dass nur noch drei Matches gespielt werden, sei der Wettbewerb viel spannender geworden. „Es ist viel enger geworden. Auch schlechter platzierte Mannschaften können Überraschungen schaffen. Es ist nicht mehr so, dass man voraussagen kann, dass immer der Favorit gewinnt.“
Davis Cup: Das Team hinter dem Team
Apropos Favorit: Schon in Hamburg waren die Deutschen durch Zverevs Absage lange nicht in der Favoritenrolle, beendeten ihre drei Partien aber jeweils mit einem 2:1-Sieg. Klar, in Hamburg hatte die Mannschaft die Unterstützung von den einheimischen Zuschauern. Darauf müssen sie in Málaga verzichten. Dafür aber haben Struff & Co. einen anderen sicheren Rückhalt: ihr Team. „Das Team um die Spieler herum ist über Jahre das Gleiche geblieben. Klar, wir hatten früher Boris Becker dabei. Aber Physios, Ärzte und Coaches sind als komplettes Team zusammen geblieben“, erklärt Kohlmann. „Das merken die Jungs, die neu dazukommen, und die, die schon immer dabei sind auch, dass wir eine geschlossene Gemeinschaft sind“, führt er fort.
Auf dem Papier gehen die Deutschen gegen Kanada als Underdogs ins Rennen. Dennoch sprechen ihr Teamgefühl, ihre Erfahrung, das Format und auch die ein oder andere Bilanz dafür, dass ein Sieg durchaus möglich ist. „Beim Davis Cup sind wir immer heiß, egal wie viele Matches wir vorher hatten und wo wir zuvor waren“, sagt Pütz. Und auch Kohlmann ist zuversichtlich: „Sobald wir hier sind, geben wir alles. Wir sind gut vorbereitet. Ich bin mir sicher, dass wir auf unserem höchstem Level sein werden.“ Wie das dann aussieht, kann man am Donnerstag ab 16 Uhr verfolgen. Übrigens: ServusTV überträgt die Matches der Deutschen live im FreeTV.
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