Die verzweifelte Suche nach dem nächsten Yannick Noah
Seit 40 Jahren wartet Frankreich nicht nur auf einen heimischen French-Open-Sieger, sondern auch auf einen männlichen Grand-Slam-Champion. Die Sehnsucht nach einem Volkshelden wie Yannick Noah ist riesig.
Er ist hier im Stade Roland Garros allgegenwärtig, auch wenn er nicht spielt. Nein, es ist nicht die Rede von Rafael Nadal, sondern von Yannick Noah, dem letzten französischen Sieger bei den French Open und dem letzten männlichen Grand-Slam-Sieger aus Frankreich allgemein. Am 5. Juni 1983 spielte sich Noah an einem sonnigen Nachmittag in Paris in die Geschichtsbücher – und in die Herzen der Franzosen Im Finale der French Open besiegte er Mats Wilander in drei Sätzen und wurde der erste Heimsieger in Roland Garros nach 37 Jahren. „Ich war davon besessen zu gewinnen. Ich musste gewinnen, nicht nur für mich, sondern für uns alle“, sagte Noah im Rückblick auf seinen Titelgewinn. Er meinte damit nicht nur alle Franzosen, sondern auch alle dunkelhäutigen Spieler.
Noah und Wilander rocken den Court Philippe-Chatrier
40 Jahre sind inzwischen seitdem vergangen. Und Frankreich sehnt sich mehr denn je nach einem Grand-Slam-Titel bei den Herren, am liebsten hier in Roland Garros. Es wurde dick aufgefahren dieses Jahr, um Noahs Titeljubiläum zu würdigen. Zum Turnierstart gab der 63-Jährige, der inzwischen den meisten mehr bekannt ist als leidenschaftlicher Musiker denn als Ex-Tennisprofi, auf dem Court Philippe-Chatrier ein Konzert. Dazu gesellte sich zwischenzeitlich sein Finalgegner von damals, Mats Wilander, an der Gitarre. Beide sangen den Klassiker von Bob Dylan Knockin‘ On Heavens Door.
Doku über Yannick Noahs French-Open-Sieg
Die Zahl 1983 sieht man überall auf der Anlage. Eine Klamottenkollektion mit dem Label 1983 ist in den Boutiquen auf der Anlage erhältlich. Das Shirt der Spieler des Ausrüsters Le Coq Sportif, darunter Lucas Pouille und Yannick Hanfmann, ist inspiriert an das gelb-weiße Dress von Noahs Titellauf 1983. Auf YouTube gibt es die dreiteilige Doku „Noahed“ zu sehen, in denen Noah und seine sieben Gegner im Jahr 1983 auf die Matches zurückblicken. Es wirkt alles ein bisschen wie der Hype um den ersten Wimbledontitel von Boris Becker im Jahr 1985, an den spätestens alle fünf Jahre erinnert wird. Der Unterschied: Während Becker in Deutschland sein Denkmal beschädigt hat, ist Noah in Frankreich immer noch ein Volksheld.
Noah hatte einen Traum als Kind: eines Tages auf dem Centre Court in Roland Garros zu spielen, eines Tages das Turnier zu gewinnen. Sein Traum wurde tatsächlich wahr. „Dieser Moment hat mein ganzes Leben verändert. Plötzlich war ich einer der populärsten Menschen des Landes. Leute haben meinetwegen geweint“, erklärte er einst. Vor allem die Szenen bei der Siegerehrung, als Noah in den Armen seines Vaters weinte, gingen den Franzosen ans Herz.
Yannick Noah und sein Vater-Sohn-Moment
„Der Sieg erklärt vielleicht nur zehn Prozent, warum die Franzosen mich ins Herz geschlossen haben. Der Rest ist, und das ist die wichtigste Sache, der Moment der Verbindung zwischen einem Vater und seinem Sohn. Normalerweise weint man nicht vor Freude in den Armen seines Vaters in der Öffentlichkeit. Bei mir geschah dies vor Tausenden Zuschauern und Millionen TV-Zuschauern. Das Image eines taffen Athleten wurde überspült, die Menschlichkeit übernahm“, sagte Noah. Viel wichtiger als der so innig gewünschte French-Open-Titel war die Zuneigung seines Vaters Zacharie, die er nicht allzu oft spürte. „Es war das erste Mal, dass mein Vater mir sagte, dass er mich liebt. Man kann sich nicht vorstellen, wie glücklich ich mich gefühlt habe. Diese Emotion war so pur“, gab er zu.
Dass Noah ausgerechnet mit bedingungslosem Serve-and-Volley auf dem damals noch langsamen Sand in Paris den Titel gewann, scheint im Rückblick Schicksal zu sein. Talent hatte Noah für weitere Grand-Slam-Titel. Doch statt weitere große Siege zu feiern, stand beim Franzosen der Spielspaß im Vordergrund. Sein Ziel: Leute zu unterhalten, auf und abseits des Platzes. „Ein strahlendes Gesicht macht mich glücklich“, war seine Devise. Aus dem Grand-Slam-Sieger wurde der Entertainer, der Musiker. Ein Grund, warum die Popularität Noahs über die Jahre hinweg immer weiter stieg.
Gasquets düstere Prognose
Seit 40 Jahren wartet die „Grande Nation“ nun schon auf den nächsten Yannick Noah – einen Grand-Slam-Sieger bei den Herren. Seitdem hat Frankreich zahlreiche Topspieler hervorgebracht, viermal gewann man seit 1983 den Davis Cup (1991, 1996, 2001 und 2017; dreimal mit Noah als Kapitän). Doch seit 1983 scheiterten alle Spieler am großen Ziel: Grand-Slam-Sieg. Sei es Henri Leconte, Guy Forget, Cedric Pioline, Arnaud Clement, Jo-Wilfried Tsonga, Gael Monfils, Richard Gasquet oder Gilles Simon.
Dass die goldene Generation der Franzosen der letzten Jahre um Tsonga, Monfils, Gasquet und Simon keinen Grand-Slam-Titel gewann, hat auch viel mit der Übermacht von den „Big Three” um Novak Djokovic, Rafael Nadal und Roger Federer zu tun. „Wir haben eine großartige Generation. Deshalb denke ich, dass wenn wir in den nächsten Jahren keinen Grand Slam gewinnen, wir mindestens zehn weitere Jahre warten müssen“, sagte Gasquet vor zehn Jahren. Inzwischen ist Gasquet bald 37 Jahre alt, spielt immer noch und wurde dieses Jahr frenetisch gefeiert wie auch Monfils, dem man neben Tsonga am ehesten zutraute, die Rolle von Noah einzunehmen: sowohl von der begeisternden Spielweise als auch vom Charisma.
Arthur Fils und Lucas van Assche als Hoffnungsträger
An Gasquets Aussage von 2013, dass man bis 2033 womöglich keinen französischen Grand-Slam-Sieger erleben werde, wird sich sicherlich die junge französische Generation um Arthur Fils (18 Jahre) und Lucas van Assche (19 Jahre) stören. Fils gewann vor den French Open in Lyon seinen ersten ATP-Titel. Van Assche siegte 2021 in Roland Garros in der Juniorenkonkurrenz – im Finale gegen Fils. Die Voraussetzungen sind zumindest gut für die nächsten Jahre. In diesem Jahr steht nach Ende der zweiten Runde fest, dass es erneut keinen Grand-Slam-Sieger aus Frankreich geben wird. 18 Franzosen standen im Hauptfeld, sechs schafften es in die zweite Runde, aber keiner in die dritte Runde.
Umso länger die französische Titeldürre anhält, umso mehr wird Yannick Noah zur Legende. Am 11. Juni wird Noah den Coupe des Mosquetaires dem Herrensieger der French Open überreichen. Es wird wieder kein Franzose sein.
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