Christopher Eubanks

Hier bin Ich! Seit dem fulminanten Einzug ins Viertelfinale von Wimbledon ist der 2,01 Meter große Christopher Eubanks nicht mehr nur Insidern ein Begriff.

Christopher Eubanks: „Der Glaube ist mir sehr wichtig”

Fast aus dem Nichts spielte sich Christopher Eubanks dieses Jahr ins Rampenlicht. Dabei wollte er seine Karriere beinahe schon beenden. Das Kommentieren von Matches im TV half ihm unter anderem dabei, endlich den großen Durchbruch zu schaffen.

Erschienen in der tennis MAGAZIN-Ausgabe 11/2023

Er ist einer der großen Aufsteiger des Jahres 2023. Christopher Eubanks dachte während der Corona-Pandemie schon ans Aufhören, da es mit dem Durchbruch auf der ATP-Tour nicht klappte. Inzwischen ist der US-Amerikaner einer der angesagtesten Spieler auf der Tour – wegen seines mitreißenden Spiels, aber auch wegen seines Charismas abseits des Platzes. Eubanks hat viel zu erzählen, und man hört ihm gerne zu. Mit dem Einzug ins Wimbledon-Viertelfinale in diesem Jahr spielte sich der smarte 27-Jährige endgültig ins Rampenlicht. Höchste Zeit, ihn noch näher kennenzulernen. 

Herr Eubanks, es gibt mittlerweile viele Beispiele von gestandenen Profis auf der ATP- und WTA-Tour, die auf ein US-College gegangen sind. Sie gehören auch dazu. Welche Vorteile bietet das College auf dem Weg zum Profi?

Das College gibt dir Zeit, dich körperlich zu entwickeln. Es gibt dir Zeit, erwachsen zu werden. Wenn man auf die Tour kommt, muss man sehr diszipliniert sein und seine Zeit gut managen können. Man muss sehr sorgfältig an seinen Fähigkeiten arbeiten. Viele 18- oder 19-jährige Profis brauchen mehrere Jahre, um sich zu entwickeln, solange sie sich kein Team um sich herum finanzieren können, das mit ihnen reist. Der wichtigste Punkt für mich ist, dass ich in der Zeit meinen Spielstil finden konnte. Man hat die Garantie, dass man mindestens zwei Matches in der Woche in den ersten vier Monaten des Frühjahrs spielt. Im Herbst hat man dann noch mal viele Möglichkeiten, um Matchpraxis zu sammeln. Dadurch kann man extrem gut an der Art wie man spielt feilen. 

2016 und 2017 waren Sie der College-Spieler des Jahres und galten als großes Talent. Warum hat es bei Ihnen so lange gedauert, bis Sie den Durchbruch auf der ATP-Tour geschafft haben?

Als ich auf die Tour kam, musste ich immer noch reifer werden und Dinge lernen. Ich habe auch ein Jahr durch die Corona-Pandemie verloren. Für mich war es wichtig zu verstehen, dass nicht mehr so viel Zeit übrig ist in meiner Karriere. Nach fünf Jahren auf der Tour musste ich Veränderungen durchführen, um professioneller zu agieren. Ich begriff, wie wichtig Massage, Warm-ups und Cooldowns sind, generell, wie wichtig es ist, sich um den eigenen Körper zu kümmern. Als ich jünger war, habe ich nicht sehr darauf geachtet, weil ich glücklicherweise kaum Verletzungen hatte. Im letzten Jahr wurde mir klar, wie wichtig es ist, den Körper zu pflegen. Das hat mich in den letzten Jahren ein wenig ausgebremst. Vermutlich hat es deswegen ein bisschen länger gedauert, bis ich erfolgreich auf der Tour spielen konnte. 

Kommentieren ist eine Leidenschaft geworden

Sie kommentieren Matches für den Tennis Channel. Wie kam es dazu? 

Ich war sehr frustriert mit meiner Weltranglistenposition. 2021 habe ich mir gesagt, wenn ich 2022 immer noch nicht unter den Top 200 stehe, muss ich mir etwas zusätzlich zum ­Tennisspielen suchen. Wenn du Challenger-Turniere spielst und nicht viel gewinnst, dann verlierst du den Spaß. Zu dem Zeitpunkt habe ich angefangen, mich mehr um meinen Körper zu sorgen. Das Kommentieren war mein Plan, falls ich es nicht in die Top 200 schaffe. Zu Beginn hat das Kommentieren mir sehr viel Spaß gemacht. Inzwischen ist es eine Leidenschaft geworden. Das Kommentieren hat mir auch geholfen, mein Spiel zu verbessern. 

Inwiefern?

Wenn man Matches von den besten Spielern der Welt von Anfang bis Ende schaut, dann lernt man unbewusst Dinge. Auch wenn es nur etwas Kleines ist, wie man einen ersten Aufschlag bei wichtigen Punkten spielt. Viele gute Aufschläger oder die besten Spieler der Welt sind stark, wenn es darum geht, den ersten Aufschlag ins Feld zu bringen. Das ist ein Aspekt, den ich mitgenommen habe. Wenn ich einen Breakball gegen mich habe, dann ist es wichtig, den ersten Aufschlag ins Feld zu bringen. Ich habe gelernt, dass die schwierigsten Aufschlagsspiele entweder diejenigen sind nach einem erfolgreichen Break oder wenn du Breakbälle hattest, aber das Aufschlagsspiel des Gegners nicht holen konntest. Ich habe es häufig beobachtet bei den Matches, dass viele Aufschlagsspiele schwer werden, wenn der Aufschläger vorher Breakbälle vergeben hat. Wenn ich jetzt Breakbälle vergebe, dann versuche ich, mich im nächsten Aufschlagsspiel noch mal extra zu konzentrieren, um das Spiel zu gewinnen. 

Wie schwer es ist, nach einem verpassten Break danach das eigene Aufschlagspiel zu gewinnen, sah man auch häufig bei Roger Federer.

Ja, genau. Das passiert vielen Topspielern. Ich habe Roger Federer sehr oft zugeschaut, aber eher, um seinen Spielstil zu analysieren, wie schnell er ans Netz kommt, wo er welche Volleys spielt und wie er sie platziert. Ich hatte leider nicht die Möglichkeit, ein Match von ihm zu kommentieren. Ich habe aber Hunderte von seinen Matches geschaut. 

Wer ist Ihrer Meinung nach der beste TV-Analyst im Tennis?

Darren Cahill und Paul Annacone gehören zu meinen Lieblingsexperten. James Blake ist auch sehr gut. Jim Courier darf ich nicht vergessen. Ich würde sagen, dass Jim Courier meine Nummer eins ist, Darren Cahill die Nummer zwei und danach könnten es mehrere sein. Ich liebe es, wenn Jim Courier kommentiert, ich habe so viel von ihm gelernt. Aber als Experte ist er noch besser.

Gibt es eine Statistik, worauf Sie als ­Erstes schauen?

Wenn ich meinen ersten Aufschlag mit über 70 Prozent in das Feld bringe, dann ist es sehr gut für mich. Wenn der Wert ungefähr bei 70 Prozent liegt, dann spiele ich normalerweise sehr gut. Das ist ein Wert, auf den ich achte.

Christopher Eubanks

Feuer frei: Beim Wimbledonturnier schlug Christopher Eubanks in fünf Matches 321 Winner – so viel wie kein Spieler zuvor auf dem „heiligen Rasen“.

In Wimbledon haben Sie den langjährigen Rekord von Andre Agassi für die meisten Winner bei einem Wimbledonturnier gebrochen – mit 321! Gehört dieses Alles-oder-Nichts-Motto zu Ihrem Spiel?

Ich würde es nicht als Motto bezeichnen. Ich kenne meinen Spielstil sowie meine Stärken und Schwächen. Ich verteidige nicht sehr gut, ich renne nicht von Seitenlinie zu Seitenlinie. Deswegen muss ich sehr aggressiv spielen. Wenn ich einen Lauf mit Winnern habe, dann folgen meist noch mehr Winner. Es ist nicht unbedingt eine Alles-oder-Nichts-Mentalität, sondern ich spiele so, wie es am besten für meinen Spielstil ist. 

Ihr Vater hat als Baptist gearbeitet und war gleichzeitig Ihr Trainer. Wie hat er es geschafft, einen professionellen Tennisspieler aus ihnen zu formen?

Mein Vater war sehr streng zu mir, als ich jung war. Das hat dazu geführt, dass ich sehr schnell ziemlich diszipliniert war. Dadurch entwickelte sich ein starker Wille in mir, manchmal wurde ich auch zu stur. Dieser Wille zahlt sich meistens aus für mich, manchmal aber auch nicht. Er hat mir dabei geholfen, fokussiert und sorgfältig zu bleiben, wenn es darum geht, als Spieler besser zu werden. Ich lasse mich nicht leicht ablenken oder von meinen Freunden beeinflussen. Wenn sie etwas unternehmen wollen, dann sage ich, dass sie ihr Ding machen sollen. Ich mache dann mein Ding. 

Mein Vater war sehr streng zu mir, als ich jung war

Sind Sie auch so religiös wie Ihr Vater? Wie wichtig ist Ihnen der Glaube im Leben?

Der Glaube ist mir sehr wichtig. Als die Jahre andauerten, in denen auf der Tour bei mir nicht viel zusammenlief, da habe ich immer den Glauben gehabt, dass es irgendwann alles besser wird, auch wenn es in dem Moment nicht so aussah. Das ist das Wichtigste am Glauben, dass man nicht die Kontrolle über alles hat. Ich kann kontrollieren, wie hart ich arbeite, wie viel Zeit ich reinstecke, aber der Rest passiert dann einfach. Diese Herangehensweise hat mir in den letzten Jahren geholfen, mit Frustration umzugehen, als ich nicht so viele Matches gewonnen habe, wie ich meiner Meinung nach hätte gewinnen sollen. Ich arbeite hart an mir und mache das, was ich machen kann, um besser zu werden. Wo auch immer das hinführt, liegt nicht in meiner Hand. 

Der Ex-Profi Donald Young, ehemals Nummer 38 der Welt, spielt eine große Rolle in Ihrem Leben. 

Mit Donald bin ich als ­Trainingspartner mitgereist, als ich erst 15 Jahre alt war. Wir waren in Monte Carlo, Halle, Nottingham, Wimbledon, Roland Garros und bei vielen anderen Turnieren im Sommer. Es hat mir sehr viel geholfen, weil ich das Leben eines Tennisprofis aus nächster Nähe beobachten konnte. Ich konnte Zeit mit seinen Freunden und anderen Spielern auf der Tour verbringen. Dadurch kannte ich schon einige Spieler, als ich dann auf die Tour kam. Ich kenne Gael Monfils, seitdem ich 16 bin, weil wir beim Turnier in Halle zusammen Basketball gespielt haben. Diese Beziehungen und die Eindrücke haben mir dabei geholfen, zu verstehen, wie das Leben eines Profis auf der Tour aussieht. Ich war damals jeden Tag mit Donald unterwegs. Wenn du als 16-Jähriger mit einem Top-50 Spieler trainierst und danach wieder mit deinen Freunden zu Hause spielst, dann hast du das Gefühl, dass du deutlich besser spielst als die anderen. 

Sie haben Arthur Ashe in zwei TV-Dokumentationen verkörpert. Wie war das für Sie? Was für einen Einfluss hatte er auf Ihre Karriere?

Er hatte einen riesigen Einfluss. Es war eine große Ehre für mich, die Rolle des Arthur Ashe spielen zu dürfen. Er ist gestorben, bevor ich geboren war, aber er war eine große Inspiration für mich. Was Arthur Ashe mir gegeben hat: Du kannst so aussehen, wie wir aussehen und trotzdem in einem Sport aktiv sein, wo es nicht viele Schwarze gibt. Er hat die US Open, Wimbledon und viele weitere Turniere gewonnen. Er hat gezeigt, dass es auch im Herrentennis geht, sonst habe ich nur Serena und Venus gesehen, die im Tennis so erfolgreich waren. Zu wissen, was er alles erreicht hat, gab mir die Motivation, immer weiter an mir zu arbeiten, weil ich weiß, was möglich ist.

Christopher Eubanks

Titel aus dem Nichts: Auf Rasen hatte Christopher Eubanks bis zu dieser Saison nicht viel Freude. Es folgte der Turniersieg auf Mallorca und anschließend das Viertelfinale in Wimbledon.

Vor dieser Saison sah es aus, als würden Sie gar nicht auf Rasen spielen wollen. Jetzt haben Sie Ihre größten Karriere­erfolge ausgerechnet auf Gras gefeiert –mit dem Turniersieg auf Mallorca sowie mit dem Viertelfinale in Wimbledon. Was ist da passiert?

Einfach gesagt: Ich habe angefangen, Matches zu gewinnen. Am Anfang mochte ich es nicht, auf Rasen zu spielen. Ich habe dann immer mehr Zeit auf Rasenplätzen verbracht und mich dadurch daran gewöhnt. Ich habe meinen Bewegungen auf Rasen nicht vertraut. Je mehr ich gespielt habe, desto besser wurde meine Beweglichkeit. Dann erreichte ich einen Punkt, an dem es mir sehr viel Spaß machte, auf Rasen zu spielen.

Gibt es in Ihrem Training Dinge, die dazu geführt haben, dass Sie sich so signifikant verbessern konnten?

Ich habe mich sehr darauf fokussiert, meinen Aufschlag zu verbessern, indem ich auf Ziele serviert habe. Wenn ich gut serviere, dann kann ich fast jeden Spieler auf der Welt besiegen. 

Sie haben noch keinen offiziellen Spitznamen. Frances Tiafoe nannte Sie mal „Toothpick“ (Zahnstocher) wegen Ihrer langen dünnen Beine. Sloane ­Stephens bezeichnete Sie als „Daddy ­Longlegs“. Welchen Namen mögen Sie lieber?

Keinen der beiden, aber ich habe damit auch kein Problem. Frances und Sloane ­lieben es, verschiedene Namen in den Raum zu werfen. Es ist alles nur Spaß zwischen uns. Ansonsten nennen mich alle Chris. Aber vielleicht heiße ich bald „The Rocket“. Das ist mein Spielername beim Ultimate Tennis Showdown.

Vita Christopher Eubanks

Christopher Eubanks

Der US-Amerikaner, 27, stammt aus Atlanta im US-Bundesstaat Georgia. Der 2,01 Meter große Athlet studierte Wirtschaft an der Georgia Tech. 2016 und 2017 wurde er als College-Spieler des Jahres ausgezeichnet. Im Jahr 2017 wurde er Profi. Es dauerte aber bis zum Jahr 2023, ehe er erstmals in die Top 100 vorstoßen konnte. 2023 setzte er beim Mastersturnier in Miami mit dem Viertelfinaleinzug als Qualifikant sein erstes Ausrufzeichen auf der ATP-Tour. Auf Mallorca gewann er seinen ersten ATP-Titel. Kurz darauf erreichte er in Wimbledon das Viertelfinale. Seine beste Karriere­platzierung im ATP-Ranking: 29.