DTB-Präsident von Arnim: „Davis Cup lebt von Heim- und Auswärtsspielen“
Im Interview mit tennis MAGAZIN spricht DTB-Präsident Dietloff von Arnim über das deutsche Davis Cup-Team, seine Ansichten zum aktuellen Format des Teamwettbewerbs und Fördermaßnahmen, die der DTB für Spielerinnen und Spieler ergreift.
Herr von Arnim, Sie waren bei der Davis Cup-Qualifikationspartie zwischen Deutschland und Ungarn in Tatabanya vor Ort. Wie haben Sie die Stimmung wahrgenommen?
Die Ungarn haben eine beeindruckende Halle in Tatabanya errichtet. Die 6500 Zuschauer haben dort für eine tolle und faire Atmosphäre gesorgt. Es sieht dort in der Umgebung nicht so aus, als würde eine solch moderne Arena in der Seitenstraße auftauchen. Ungarn hat im vergangenen Jahr gegen Frankreich dort gespielt, deswegen wusste ich schon ein wenig, was mich erwartet. Die Ungarn wollten eigentlich in Budapest spielen. Dort haben sie aber aufgrund der Kurzfristigkeit der Auslosung Anfang Dezember keine Halle gefunden.
Wie haben Sie das deutsche Team erlebt?
Das Team funktioniert, egal, wer spielt. Alle sind froh, wenn sie spielen können und dürfen. Dafür stand für mich an diesem Wochenende sinnbildlich Maxi Marterer. Es war eine großartige Bereitschaft von ihm, dass er die Reise so spontan aus Frankreich auf sich genommen hat, die viel mühsamer als gedacht war. (Anm. d. Red.: Maximilian Marterer war für Alexander Zverev nachgerückt, der krankheitsbedingt abgesagt hatte.) Es war ein toller Einsatz von ihm und der ganzen Mannschaft, der deutlich macht: Diese Jungs spielen einfach gerne zusammen Davis Cup.
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Von Arnim: „Der Davis Cup lebt von Heim- & Auswärtsspielen“
Gespielt wurde in einer vollbesetzten Halle mit 6.500 Zuschauern. Wie wichtig ist es also, dass es beim Davis Cup Heim- und Auswärtsspiele gibt?
Wir haben immer gesagt, dass man es bei Heim- und Auswärtsspielen belassen sollte. Das wurde in Ungarn noch einmal ganz deutlich. Sie haben dort kein ATP-Turnier und die einzige Möglichkeit, dass die ungarischen Spieler sich zuhause präsentieren können, ist damit der Davis Cup. Wir haben in Deutschland vier ATP-Turniere und damit die Möglichkeit, die einheimischen Spitzenleute zu sehen. Das ist in anderen Ländern nicht der Fall. Auch deshalb lebt der Davis Cup von Heim- und Auswärtsspielen.
Hat der Davis Cup heute noch die gleiche Wertigkeit wie vor 20-30 Jahren?
Der Weltverband ITF hat sich genau angeschaut, wie die Teilnahme, also die „Player Participation“ der Spitzenspieler an dem Teamwettbewerb ist. Diese Beteiligung ist stetig gesunken. Es war ein deutsches Phänomen, dass entweder Boris Becker oder Michael Stich gespielt haben. Aber man hat das auch in den anderen Ländern gesehen, dass die Spieler das nicht mehr mitgemacht haben. Das Format „Best of 5“ in drei Tagen war schwer durchzustehen. Deswegen musste man an das Format ran. Die Spielerbeteiligung ist jetzt besser geworden. Aber mit dem Format tue ich mich trotzdem immer noch schwer.
Von Arnim über den Davis Cup: „Man muss immer eine Entscheidung zwischen Fans und Sponsoren treffen“
Welches Format würden Sie sich beim Davis Cup wünschen?
Ich würde mir insgesamt wünschen, dass die Davis Cup-Wochen besser in den Kalender integriert werden. Für die Top-Spieler ist es nach einem Grand Slam-Turnier schwer zu spielen. Das heißt: Man müsste sich den Kalender insgesamt ansehen, das ist nicht komplett in der Hand der ITF. Ich würde mir ein Format wünschen, das sportlich funktioniert, mit besseren Gegebenheiten. Dann glaube ich auch, dass man es besser vermarkten kann. Aber der Sport bei diesem Traditionsevent ist einfach einmalig. Da muss man nicht drüber reden. Ich bin gespannt, was wir im ITF-Board entscheiden werden, wie das Format 2025 aussehen wird.
Was könnte der Davis Cup von anderen Wettbewerben wie dem Ultimate Tennis Showdown (UTS) oder United Cup lernen?
Wenn man die Events in Trier, Ungarn oder auch in Malaga gesehen hat, weiß man, dass das Davis Cup-Format insgesamt weiterhin funktioniert. Was sich aber ändern sollte, ist die Planbarkeit der Veranstaltung. Zudem sollte man die Wochen, in denen Davis Cup-Spiele stattfinden überdenken. Es ist nicht einfach, ein Event von der Auslosung im Dezember bis zum Spieltag im Februar auszurichten. Bei der Gruppenphase ist es ein bisschen besser. Dort liegt die Schwierigkeit jedoch darin, die drei Spieltage, ohne die Heimnation zu planen. Letztlich muss man immer eine Entscheidung zwischen Fans und Sponsoren treffen, aber an erster Stelle muss immer der Sport stehen.
Von Arnim über den Davis Cup in Deutschland: „Können das finanzielle Risiko nicht tragen“
Noch im Jahr 2022 hat die Davis Cup-Gruppenphase in Hamburg stattgefunden. In diesem Jahr wird das nicht der Fall sein. Warum ist das so?
Das Rothenbaum-Stadion als Standort war für die ITF keine langfristige Option. Die ITF hat klar gesagt: „Das ist nicht das, was wir ausgeschrieben haben, das sind keine Hallenbedingungen, das ist nur ein covered Court.“ Dazu kam im September dann echtes Hamburger Wetter. Ich habe die Kohlschreiber-Verabschiedung auf dem Centre Court gemacht und mir ist das Jackett weggeflogen. Die Spieler haben auch gesagt, dass Gegen- bzw. Rückenwind auf dem Platz ist. Reingeregnet hat es auch. Das sind nicht die Bedingungen, die man sich für eine Gruppenphase vorstellt.
Wir haben daher im Anschluss an die Qualifikation für die Gruppenphase probiert, eine Halle zu finden. Doch für 2024 gab es keine Halle, die in dem vorgegebenen Zeitraum ausreichend Kapazitäten zur Verfügung hatte. Dazu kommt die zweite Herausforderung, die wir haben: Die Hallen müssen Einspiel-, Warm-up und Trainingsmöglichkeiten in der Nähe haben. Das finden wir in Deutschland aktuell nicht. Außerdem scheitert es auch ein bisschen am finanziellen Thema. Es gibt einfach andere Länder, die solche Events viel großzügiger unterstützen.
Wird es also in Deutschland kein größeres Davis Cup-Event mehr geben?
Wir werden weiter alles versuchen und probieren, dass wir die Gruppenphase 2025 vielleicht wieder in Deutschland austragen können. Dafür brauchen wir aber starke Partner. Wir können als Verband nicht alleine das finanzielle Risiko für eine Gruppenphase in Deutschland tragen.
Von Arnim über die Fördermaßnahmen in Deutschland: „DTB ist nur unterstützend tätig“
Der Deutsche Tennis Bund wird aktuell häufig kritisiert, weil es angeblich an Nachwuchs mangelt. Wie wirken Sie dieser Kritik entgegen?
Der DTB hat klare Vorstellungen von dem, was der Leistungssport braucht, wie wir jungen Talenten den Weg nach oben ermöglichen und welchen Beitrag der Verband dazu leisten kann. All dies ist Gegenstand eines neues Leistungssportkonzept, das innerhalb des Verbandes gerade erarbeitet wird. Wir haben uns die Fragen gestellt: Ist es richtig, was wir machen? Was können wir besser machen? Was machen andere Länder? Was müssen wir ändern? Ich glaube, wir können ohne Frage besser werden. Es muss geklärt sein, was die Aufgabe des DTBs und die der Landesverbände ist. Der DTB kann hier immer nur unterstützend tätig werden. Unser Ziel ist es, dass wir in ein paar Jahren wieder mehr Spieler und Spielerinnen in den Top 100 und sogar Top 50 haben.
Wie werden Spielerinnen und Spieler aktuell unterstützt? Finanziell oder durch Training oder Wildcards?
Alles drei sind Optionen der Unterstützung, die wir bereits momentan anbieten. Eine Maßnahme ist sicherlich, dass wir die Turnierlandschaft vergrößern wollen, um den Spielern mehr Wildcards geben zu können. Es ist so: Je mehr Turniere es in Deutschland gibt, desto eher kann der DTB die Profis unterstützen und die besten bzw. talentiertesten Spieler dahin schicken. Wir haben leider keinen Zugriff auf alle ATP-Turniere. In Hamburg entscheiden wir über die Wildcards. Bei den anderen Turnieren treten wir als Partner auf. Aber wenn die Turnierlandschaft insgesamt breiter wird, ist das auch für die Entwicklung der Spieler gut.
Von Arnim: „Wir müssen Tennis in Deutschland populärer machen!“
Wie würde eine optimale Förderung aussehen?
Es gibt nicht die eine richtige Fördermaßnahme, die für alle funktioniert. Wir als DTB sind dafür zuständig, dass wir eine möglichst breite Basis von Spieler:innen aufbauen und vom jüngsten Talent bis zu den Spitzenspielern bestmögliche und individuelle Unterstützung anbieten können. Irgendwann muss die Spielerin oder der Spieler den Weg alleine gehen.
Was sind Ihre Ziele beim DTB? Wie wollen Sie die Nachfrage nach Tennis in Deutschland verbessern?
Für mich ist es in erster Linie die Entwicklung der Mitgliederzahlen, an der wir als Verband gemessen werden. Da haben wir in den vergangenen Jahren eine sehr gute Entwicklung hingelegt. Aber auch hier geht noch mehr. Unsere Vereinsbefragung hat gezeigt: 60,2% der Vereine haben ausreichend Mitglieder, würden jedoch gerne weitere aufnehmen. Es gibt also noch Potenziale und Raum für Wachstum und Erweiterung. Dabei wollen wir die Vereine in verschiedenen Feldern, von der Digitalisierung bis hin zur Trainerausbildung, bestmöglich unterstützen. Wir müssen Tennis in Deutschland insgesamt wieder populärer machen. Tennis ist gesund, es macht Spaß. Eine Langzeitstudie in Dänemark belegt, dass Tennis Lebenserwartung um rund 10 Jahre verlängert. Das sind doch tolle Gründe für jeden auf den Platz zu gehen und Tennis zu spielen.