Auch ohne Vollkornbrot Weltklasse
Für eine Weile hieß die Zahl des Tages am vierten Tag in Wimbledon 1987. Damals passierte es zuletzt, dass keiner der deutschen Herren die dritte Runde erreichte. Man mag es kaum glauben: zu Zeiten von Boris Becker. 24 Jahre später war die Bilanz genauso furchtbar. Florian Mayer verabschiedete sich als letzter von 13 gestarteten Herren. Ohne Esprit. Ohne Ideen. Ohne Kampfgeist. Mayers vernichtende Selbstanalyse: Im ersten Satz war ich Welt-, in den anderen Kreisklasse. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Es lief nichts zusammen. Ich war total blockiert. Die Augen leer, der Mund ein einziger Strich.
Später am Tag, kurz nach halb acht abends London-Zeit, war das ganze Herren-Dilemma vergessen: der peinliche Auftritt der deutschen Nummer eins Mayer gegen den Parttime-Profi Xavier Malisse, die Verletzungen von Philipp Kohlschreiber und Philipp Petzschner, die die Davis Cup-Hoffnungen gegen Frankreich in der Woche nach Wimbledon auf ein Minimum schrumpfen lassen.
Das ist eine unglaubliche Story, entfuhr es Lindsay Davenport, die für die BBC kommentierte. Und auf der ganzen Anlage wurde bei gefühlten Minusgraden nur ein Name gewispert: Sabine Lisicki. Ein bisschen Hollywood war dabei, als sie nach ihrem 3:6, 6:4, 8:6-Triumph auf den abgewetzten Rasen des Centre Courts sank. In den Augen Tränen. Nur diesmal, anders als in Paris, Tränen der Freude, des puren Glücks.
Sabine Lisicki, das kann an diesem 23. Juni 2011 mit Fug und Recht behauptet werden, ist zurück. Noch nicht ganz an der Spitze, aber auf dem besten Weg dahin. Wer auf dem Centre Court von Wimbledon die amtierende French Open-Siegerin und Nummer drei der Setzliste Na Li schlägt, wer Returns vom anderen Stern spielt, wer 17 Asse schlägt und bis zu 200 km/h schnell serviert, wer Matchbälle beim Stand von 3:5 im dritten Satz abwehrt und nach mehr als zwei Stunden Spielzeit das höchste Level spielt, ist ganz vorne dabei.
Was für eine Story! Verletzt, sieben Wochen auf Krücken, abgerutscht auf Platz 218 der Weltrangliste, verzweifelt, abgeschrieben und längst kein Fräulein Bum Bum (Bild) mehr wie 2009, als sie in Charleston siegte. In Birmingham eine Woche vor Wimbledon dann das erste kleine Ausrufezeichen. Turniersieg ohne Satzverlust, Sprung auf Platz 62 der Weltrangliste.
Und dann dieser Thriller in Runde zwei. Es wird ein interessantes Spiel. Ich spiele gut auf Rasen. Na Li hat großes Selbstvertrauen, weil sie in Paris gewonnen hat, sagte Lisicki vor der Partie. Dass es aber so ein fantastisches Match werden würde, das 13.000 Zuschauer unter dem Glasdach zu Jubelstürmen hinreißen würde, hätte sie wohl nicht gedacht.
Im ersten Satz schafft Li das Break zum 5:3, gewinnt den Satz. Im zweiten Satz führt Lisicki 3:1, verspielt den Vorsprung, aber ihr gelingt noch ein Break zum 6:4. In Durchgang drei scheinen die Kräfte zu schwinden. Li führt 5:3 und 40:15 bei Aufschlag Lisicki. Zwei Matchbälle. Aber die Deutsche gewinnt noch das Spiel mit vier krachenden Aufschlägen in Folge, alle über 120 Meilen pro Stunde schnell fast 200 Kilometer pro Stunde. Es steht 5:4 für Li und Lisicki gelingt das Break. 5:5. Dann noch ein Break. Nach 131 Minuten verwandelt sie ihren dritten Matchball.
Großes Theater mit allem was dazu gehört: Drama, Tränen, am Rand der Niederlage, unerwartete Wende und Happy End. Eine Geschichte, die nur der Sport schreiben kann. Lisicki sagt, dass sie noch stärker sei als 2009, als sie das Viertelfinale erreicht hatte. Vor ein paar Tagen hat sie erzählt, dass sie befreiter sei, nachdem die Ärzte vor drei Monaten ihre Gluten-Unverträglichkeit festgestellt hatten. Das einzige, was sie bedauert: Ich kann kein Vollkornbrot mehr essen. Sie wird es verschmerzen. Ihre Leidenszeit scheint zu Ende. Die nächste Hürde für die 21-Jährige, die nur mit einer Wildcard am Start ist, heißt Misaki Doi, nur die Nummer 133 der Welt. Es sieht nicht so aus, als würde Lisickis Mission in Wimbledon bald zu Ende sein.
Andrej Antic aus Wimbledon
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