Dominic Thiem bezwang im Finale Stefanos Tsitsipas

Bye Bye, Domi! Ende des Jahres 2024 will Dominic Thiem seine professionelle Tenniskarriere beenden.Bild: AFP/SID/LEO RAMIREZ

Dominic Thiem: Der „Prince of Clay“ dankt ab

Was sich zuletzt bereits abgezeichnet hatte, ist nun eingetreten. Dominic Thiem wird am Jahresende seine Karriere beenden. Das teilte der Österreicher in einem Statement auf Instagram mit. Wir blicken zurück auf seine Karriere.

Wer sich in der jüngeren Vergangenheit die Matches von Dominic Thiem angesehen hat, dem dürfte häufig wohl etwas mulmig zumute gewesen sein. Vom einstigen Power-Player mit krachender Vorhand und einer Augenweide gleichenden einhändigen Rückhand ist nur wenig übrig geblieben. Viele Bälle trudeln nur noch regelrecht über das Netz oder fliegen ohne Not ins Aus und ins Netz. Fehler, die man bei der einstigen Nummer drei der Welt in seinen Bestzeiten nur selten erlebt hat. Nun zieht der Österreicher die Reißleine und beendet zum Ende der Saison 2024 seine Karriere.

Thiem: Statement zum Karriereende

Leger und in weiß gekleidet sitzt Thiem auf einem Stuhl neben einem Tennisplatz. Einem Hartplatz – seinem zweitliebsten Belag. „Hallo zusammen. Ich möchte euch allen eine sehr wichtige, traurige, aber auch schöne Nachricht mitteilen“, beginnt Thiem das knapp zweiminütige Statement auf Instagram mit seinem typischen österreichischen Akzent. Ohne groß abzuschweifen, lässt er dann auch gleich die Bombe platzen: „2024 wird mein letztes Jahr sein. Am Ende der Saison werde ich meine Karriere beenden“, teilt Thiem mit einem leichten Lächeln auf den Lippen mit. Für den ein oder anderen vielleicht etwas suspekt, allerdings hat sich der 30-Jährige schon lange über diesen Schritt Gedanken gemacht. Schon vor einigen Wochen hatte er preisgegeben, sich nicht mehr mit dem Spieler zu vergleichen, der er noch vor wenigen Jahren war. Die aktuelle Situation ließe das einfach nicht zu.

 

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Die Entscheidung aufzuhören, basiert maßgeblich auf zwei Dingen, wie Thiem schildert: „Zum einen mein Handgelenk. Es funktioniert immer noch nicht wie es soll und wie ich es gerne hätte. Der zweite Grund ist mein inneres Gefühl. Ich habe lange über diese Entscheidung nachgedacht und es ist die einzig richtige und ich bin sehr zufrieden damit.“ Der Österreicher reminisziert über seine Erfolge und wie dankbar er für diese ist. Er endet mit einem Verweis auf einen Vlog, in welchem die Entscheidung genauer beleuchtet und auch auf Thiems Karriere zurückgeblickt wird.

Unter dem Post versammelten sich zahlreiche Profikollegen und weitere Persönlichkeiten. Thiems guter Freund Diego Schwartzman will in Wien ein letztes Mal gemeinsam im Doppel antreten. Auch der Argentinier wird Anfang 2025 seine Karriere beenden. Der Australier Thanasi Kokkinakis schrieb schlicht: „Legende man!“

Dominic Thiem: Der „Mehr Leben“-Vlog

Der angesprochene Vlog (Video-Blog) ähnelt einem kleinen Familientreffen. Das knapp einstündige Video wurde am gleichen Ort gefilmt wie schon die Ankündigung zum Karriereende. Diesmal sind zusätzlich zwei andere Protagonisten mit dabei. Thiems Vater Wolfgang, der auch gleichzeitig sein Coach ist, und Bruder Moritz, der früher selbst auf der Tour aktiv war und mittlerweile als Manager fungiert. Hätte eigentlich nur noch Mutter Karin gefehlt, die ihren Sohn oft in dessen Box auf Turnieren begleitet hatte. Eine wahre Tennisfamilie im Hause Thiem. Gemeinsam blicken die drei auf eine belebte Karriere zurück. Von den Anfängen im jüngsten Kindesalter, über den Wechsel von beidhändiger zu einhändiger Rückhand, bis hin zum Sieg bei den US Open 2020.

Der Wechsel zum Einhänder begann 2005. Der damals elf-Jährige hatte Probleme mit hohen Bällen auf seine Rückhand und entschied sich daraufhin die Technik zu ändern. Gerade in der heutigen Zeit eine echte Seltenheit. Fast kein Spieler wechselt mehr vom taktisch vorteilhafteren Zweihänder zur optisch schöneren einhändigen Rückhand. Auch über Thiems größten Triumph sprechen die drei. Im Coronajahr 2020 bestritt der Österreicher zwischen Februar und August kein Match, da die Tour pausiert wurde. Zur Vorbereitung auf die US Open wurde das Turnier von Cincinnati ausgetragen, wo es eine Erstrundenniederlage gegen Filip Krajinovic setzte. Enttäuscht von seiner Leistung zog Thiem in Erwägung die US Open abzusagen. Ein Glück, dass dies nicht geschah. „Hätte ich das Finale gegen Sascha (Zverev) verloren, weiß ich nicht, ob ich mich davon wieder erholt hätte“, gibt Thiem zu. Zuvor hatte er bereits drei Grand Slam-Endspiele verloren.

Dominic Thiem: Die Anfänge

So unrühmlich die Karriere des Wieners nun zu Ende gehen mag, so märchenhaft begann sie vor rund 13 Jahren. 2011 in Kitzbühel war er zum ersten Mal im Hauptfeld eines ATP-Turniers vertreten. Ein Sieg blieb ihm dort noch verwehrt. Einige Monate später sollte sich das ändern. In seiner Geburts- und Heimatstadt Wien gelang ihm sein erster Triumph auf Profilevel. Sein Gegner: Niemand geringeres als sein Landsmann und die ehemalige Nummer eins der Welt Thomas Muster. Mit 44 Jahren war der French Open-Sieger von 1995 gerade auf Comeback-Tour. Diese beendete der damals 18-jährige Thiem mit einem deutlichen Zweisatzsieg. Ein Erfolg, welcher rückbetrachtet eine Wachablösung im österreichischen Tennis war. Es ist bis heute das Match mit dem größten Altersunterschied der sich gegenüberstehenden Spieler.

Vier Jahre später meldete sich Thiem dann auch im Siegerkreis der ATP-Tour an. 2015 gewann er die Turniere in Nizza/Frankreich, Umag/Kroatien und Gstaad/Schweiz. Allesamt auf Sand. Allmählich erkannte man seine Stärke auf der roten Asche. Diese stellte er auch 2016 eindrucksvoll unter Beweis. Bei den French Open konnte er erst im Halbfinale von Novak Djokovic gestoppt werden. Im selben Jahr fand er sich auch erstmalig unter den Top Ten der Welt. In Roland Garros spielte er sich über die Jahre dann in den Vordergrund. Dreimal in Folge verlor er dort gegen Rafael Nadal. Einmal im Halbfinale, zweimal im Endspiel.

Lange Zeit war er einer der Einzigen, die dem „King of Clay“ auf Sand mehr oder weniger die Stirn bieten konnten. Vier Siege gegen Nadal auf Sand verzeichnet Thiem. Nur Djokovic hat mit acht Erfolgen mehr. Der Österreicher wurde schließlich von den Fans auf den Namen „Prince of Clay“ getauft. Jemand, der sich dem König zwar noch unterordnet, ihn in Zukunft aber vielleicht ablösen wird.

Thiem vs. Nadal: Eine epische Rivalität

Die Rivalität zwischen Nadal und Thiem, dem King und Prince of Clay ist sicherlich eine der spannendsten der jüngeren Vergangenheit. Allein 2017 und 2018 spielten sie achtmal gegeneinander. 2017 sogar bei vier Turnieren in Folge (Barcelona, Madrid, Rom und Roland Garros). Wenn die beiden auf dem Platz standen, konnte man nur Mitleid mit dem Ball haben, so hart knallten sie sich die kleine Filzkugel hin und her. Gerade die Vorhände der beiden waren unheimlich temporeich und mit seiner einhändigen Rückhand war Thiem der Status als Publikumsliebling eigentlich schon von vorneherein sicher.

Doch nicht nur ihre Duelle auf Sand waren Highlights. Ihre Begegnungen auf Hartplatz waren ebenso spannend. Jeder von ihnen gewann beispielsweise jeweils eine regelrechte Schlacht bei Grand Slams. Nadal bei den US Open 2018, Thiem bei den Australian Open 2020. Auch ihr Match in der Gruppenphase bei den ATP-Finals im selben Jahr gilt für viele als eines der besten Zweisatzmatches.

Dominic Thiem: In der Ära der Big Three

Neben Spielern wie Juan Martin del Potro, David Ferrer und vielen weiteren, gehörte auch Dominic Thiem zu denjenigen, die das „Pech“ hatten, in der selben Ära aktiv zu sein wie Federer, Nadal und Djokovic. Nicht selten stellten sich Fans und Experten deshalb die Frage, wie erfolgreich der Österreicher ohne die großen drei hätte sein können. Blickt man nur einmal auf die direkten Vergleiche schneidet der Wiener so gut ab wie nur wenige andere. Gegen Nadal verlor er zehn Mal, gewann aber auch sechs Vergleiche. Vier davon, wie bereits erwähnt, auf dessen Paradebelag Sand. Die Bilanz gegen Novak Djokovic ist noch besser. Bei sieben Niederlagen konnte Thiem auch fünf Mal gegen den Grand Slam-Rekordchampion gewinnen. Gegen Roger Federer konnte er sogar fünf von sieben Begegnungen für sich entscheiden. Die Frage, wie die Erfolgschancen für ihn in einer Welt ohne die drei Übermächtigen gewesen wären, ist also durchaus berechtigt.

Thiem: US Open-Triumph

Trotz seiner Brillanz auf Sand war Thiem längst kein reiner Spezialist auf diesem Belag. Anders als als ein Thomas Muster wusste der Wiener auch auf Hartplätzen zu überzeugen. Das zeigte sich besonders im Corona-Jahr 2020. Nach der Finalteilnahme bei den Australian Open folgte im September der größte Erfolg seiner Karriere. Im US Open-Finale machte er gegen Deutschlands Nummer eins Alexander Zverev einen Zwei-Satz-Rückstand wett und gewann seinen ersten und einzigen Grand Slam-Titel. Beim Saisonabschluss, den ATP-Finals erreichte er zum zweiten Mal in Folge das Endspiel, verlor dort aber gegen Daniil Medvedev. Mit Position drei beendete er das Jahr mit der besten Platzierung seiner Karriere.

Verhängnisvolle Verletzung

Was dann 2021 passierte, sollte für die Karriere des Österreichers der Anfang vom Ende sein. Beim 250er-Turnier auf Mallorca musste er wegen einer Handgelenksverletzung aufgeben und verpasste daraufhin den Rest der Saison. Sein Comeback startete er dann im April 2022. Doch schon damals ließ sich erkennen, dass nicht der gleiche Thiem auf dem Platz stand wie noch ein dreiviertel Jahr zuvor. Während die Rückhand ganz gut funktionierte, peitsche gerade die Vorhand bei weitem nicht mehr so stark und schön wie einst. Die Verletzung am Handgelenk hielt ihn davon ab, wieder mit voller Intensität zu spielen. Erst im Juli konnte er sein erstes Match gewinnen. Bei einem Challenger in Salzburg-Anif/Österreich. In den nächsten Monaten folgte dann eine Leistungssteigerung mit einigen Viertel- und Halbfinalteilnahmen bei 250er-Events.

2023 fiel das Niveau wieder ab und es gelang dem 30-Jährigen nur selten mehr als ein Spiel zu gewinnen. Auf heimischem Boden in Kitzbühel bäumte sich Thiem noch einmal auf und erreichte das Finale, wurde dort aber von Sebastian Baez an Titelgewinn Nummer 18 gehindert. In der Weltrangliste rutschte er immer weiter ab und steht aktuell auf Position 117. Dieses Jahr findet man den einstigen „Domi“ bisher häufig in der Qualifikation. Selbst dort hat er mittlerweile Erfolge zu feiern.

„Domis“ großes Herz für Umwelt & Natur

Wie genau er seine Zeit nach der Profikarriere verbringen will, ließ Thiem noch offen. Bekannt ist allerdings, dass sich der Wiener schon lange für den Umweltschutz einsetzt. Immer wieder macht er auf viele Naturschutz-Projekte und auch Umweltgefährdungen aufmerksam. Auch für Nachhaltigkeit setzt er sich ein. So unterstützt er beispielsweise die Organisation „4ocean“, welche sich für die Entfernung von Plastikmüll aus den Weltmeeren einsetzt.

Ein Grund, warum er bei der obligatorischen Kamerasignierung nach einem Match öfters auch „Play for the ocean“ schrieb. „Es ist eine wirklich gute Sache. Es ist eines der größten Probleme mit dem wie heute konfrontiert sind. Ich liebe die Natur und versuche dies zu unterstützen, wann immer ich kann“, erklärt er seine Hingabe für die Natur beim österreichischen Sportsender „Laola1“. So auch dem Platz, wo er die Parley-Kollektion von Sponsor Adidas trägt. Einem Schuh, aus aufbereitetem Plastikmüll aus dem Meer. Mit der WWF hat Thiem ebenfalls eine Kooperation.

 

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Als Tennisprofi ist Thiem viel mit dem Flugzeug unterwegs. Dennoch sieht er sich als gutes Vorbild in Sachen Natur- sowie Umweltschutz und gesunder Ernährung. Auch sein eigener Lebensstil ist dieser Philosophie angepasst: „Für mich ist es extrem wichtig, den Plastikkonsum einzuschränken. Da achte ich fanatisch drauf. Außerdem gehe ich nur in Bioläden einkaufen und wähle Lebensmittel aus der Region.

Auch auf Kleidung aus Österreich lege ich viel Wert.“ Seinen Wunsch nach der Karriere ausschließlich gesund und vegetarisch zu leben, kann er jetzt ebenfalls wahr machen. Darin findet sich auch eine weitere Leidenschaft des US Open-Siegers: Tiere. Neben seinem Labrador und dem neuesten Hund „Pipo“ (Yorkshire Terrier) pflegt er auch Patenschaften zu einer Ameisenbärin und einem Hammerhai. „Ich liebe Tiere. Und zwar so gut wie jede Art, denn sie sind ganz einfach richtig schöne Kreaturen. Die meisten brauchen unsere Hilfe. Deshalb versuche ich, mich für sie einzusetzen.“ Einem Vollzeitengagement für unseren Planeten und seine Flora und Fauna stünde ab nächstem Jahr dann nichts mehr im Wege.