Wimbledon Day 7 Angelique Kerber (GER) during her fourth round match at the 2021 Wimbledon Championships at the AELTC in

Es war ein Fest: Angelique Kerber beendet nach den Olympischen Spielen ihre einzigartige Karriere.Bild: Imago / Debreuil Corinne

Angelique Kerber beendet Karriere: Dieses Erlebnis mit ihr vergesse ich nie

Der 25. Juli markiert eine Zäsur im deutschen und internationalen Tennis. Mit Angelique Kerber hört eine Ausnahmeathletin auf. Gedanken zu ihrem Rücktritt.

Natürlich wusste sie es schon früher. Vielleicht sogar schon länger, als viele dachten. Um 10.30 Uhr rauschte die Meldung durchs Internet: „Angelique Kerber beendet nach Olympia ihre Karriere.” Praktisch zeitgleich zu dem Post auf ihrem Instagram-Account. Ein emotionaler Post, wie es überall heißt, der auf Englisch mit den Worten beginnt: „The finish line. Before the Olympics begin, I can already say that I will never forget Paris 2024, because it will be my last professional tournament as a tennis player.”

In der Folge spricht sie in dem ausführlichen Post über fünf Absätze über ihre Liebe zum Tennis und wie die Olympischen Spiele, an denen sie teilnahm, die unterschiedlichen Kapitel in ihrem Leben als Tennisspielerin repräsentierten – der Durchbruch als Profi in der Zeit von London 2012, die Silbermedaille von Rio 2016 und jetzt das finale Kapitel als Profispielerin in Paris, wo sich ihr Buch schließt, was sie wie folgt kommentiert: „Obwohl es die richtige Entscheidung sein müsste, es wird sich nie so anfühlen.” Frei übersetzt: Eigentlich kann sie als Tennisspielerin gar nicht aufhören. Die Liebe ist zu groß. Das mag kitschig klingen. Man hört es immer wieder – von Murray in Wimbledon, von Djokovic, von Federer.

 

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Aber als Normalsterblicher kann man es nicht nachempfinden. Genauso wenig wie man nachempfinden kann, was Taylor Swift fühlt, wenn sie vor 50.000 Menschen im Hamburger Volksparkstadion auf einer Bühne steht. Ich habe Kerber oft getroffen, zuletzt bei der „Players Party” im Spielcasino in Berlin. Vielleicht hat sie dort, ohne dass ein Mikrofon angeschaltet war, so offen geplaudert wie selten. Über den Spaß am Spiel, die Herausforderungen als Mutter, das Reisen. Sie machte auf mich einen absolut glücklichen Eindruck.

Hautnah in Indian Wells

Wenn ich ein Erlebnis herauspicken sollte, dann ist es die Begegnung in Indian Wells 2016. Ein Sponsor hatte eingeladen. Ein paar Wochen zuvor hatte Kerber ihr erstes Grand Slam-Turnier gewonnen, die Australian Open. Wir flogen mehr oder weniger gemeinsam – sie saß ein paar Reihen hinter mir – in der Business-Klasse der Lufthansa von Frankfurt nach Los Angeles. Ihr Team war dabei, eine Handvoll Journalisten und ein Kamerateam vom NDR.

Da ist das Ding! 2018 erfüllte sich Kerber einen ihrer größten Träume und gewann in Wimbledon ihren dritten und letzten Grand Slam-Titel.Bild: Imago / Paul Zimmer

Klar, als erste deutsche Grand Slam-Siegerin seit Steffi Graf (Paris 1999) war sie quasi in den Olymp der Sporthelden aufgestiegen. Ein Film über ihre Karriere, der verschiedene Stationen beleuchtete und ein paar Monate später ausgestrahlt wurde, war eine Pflichtnummer. Wir landeten in L.A., wurden in einen „Car-Park” chauffiert und starteten von dort mit vielen Autos in die Wüste. Fahrzeit: etwa drei Stunden.

Es folgten ein paar Tage, in denen wir Kerber intensiv begleiteten. Wir verfolgten alle ihre Trainings-Sessions. Später traf ich mich mit ihr in der Lobby ihres Hotels zum Interview. Wir sprachen lange. Anschließend ging es nach draußen: Fotos machen für unsere „360 Grad-Serie”, bei der wir die Akteure von allen vier Seiten ablichten. „Angie” ließ alles geduldig mit sich machen. Die Atmosphäre war komplett entspannt. Ich glaube, es lag auch an dem magischen Ort. Wer einmal in Indian Wells ist, wird diesen Ort, dieses Flair sein Leben lang nicht vergessen.

Kerber in 2016: „Ich werde immer die Angie bleiben, die ihr kennt”

Was mir von dem Interview im Gedächtnis blieb, war die Aussage: „Jetzt werde ich gejagt!” Es war ein Moment, in dem Kerber für einen Moment ernster, reflektierter war. War es Vorahnung? In jedem Fall verlor sie ihr erstes Match 5:7, 5:7 gegen die Tschechin Denisa Allertova. Am Ende unseres Interviews sagte sie auf die Frage, ob der Triumph in Melbourne sie verändert habe: „Nein. Ich habe mich weiterentwickelt. Ich bin selbstbewusster geworden. Vom Charakter bin ich gleich geblieben. Das ist mir auch wichtig. Ich habe meinen engsten Vertrauten immer gesagt: Auch wenn ich einmal etwas Großes gewinne – ich werde immer die Angie bleiben, die ihr kennt.”

Perfektes Ende für eine besondere Karriere

Acht Jahre später gilt der Satz immer noch. Er sagt viel über ihre Bodenständigkeit aus. Was bleibt? Die Gewissheit, dass mit Angelique Kerber eine der größten deutschen Sportlerinnen die Bühne verlässt. Sie war die Nummer eins, sie schlug die vielleicht größte Tennisspielerin der Historie, Serena Williams, zweimal in einem Grand Slam-Finale, in Melbourne 2016 und in Wimbledon 2018. Dazu kommt der US Open-Sieg (2016) und die Silbermedaille bei Olympia in Rio (2016).

Jetzt schließt sich der Kreis einer fantastischen Karriere. Mögen einige Niederlagen nach ihrem Comeback als Mutter hart gewesen sein – Spielerinnen vom Kaliber Kerbers hassen es zu verlieren –, am Ende hat sie alles richtig gemacht. Olympia 2024 – wie immer es auch ausgehen mag – ist das perfekte Ende.