Donna Vekic: Vor zehn Jahren Wunderkind
Es gibt keine Wunderkinder mehr? Doch! Donna Vekic, inzwischen 17 Jahre alt, die Nummer 63 der Weltrangliste und zweifache Finalistin bei einem WTA-Turnier. Experten glauben, dass die Kroatin der nächste Superstar wird.
Erschienen in der tennis MAGAZIN-Ausgabe 8/2013
Manager schwärmen von ihren Klienten. Das müssen sie tun. Sie wollen ihr Produkt schließlich verkaufen. Das ist bei Lawrence Frankopan nicht anders. Allerdings: Der Londoner mit kroatisch-schwedischen Wurzeln hat auch einige gute Argumente, wenn er über seinen neuesten Hit Donna Vekic spricht. „Hey, sie ist gerade 17 geworden und die Nummer 64 der Welt. Sie hat das Finale von Birmingham gespielt. Das ist unglaublich.“
Womit er zweifellos recht hat. Ähnlich erfolgreich wie die Kroatin waren zuletzt nur Maria Sharapova und Caroline Wozniacki, mit denen Vekic verglichen wird und mit denen sie sich vergleicht. „Unsere Erwartungen waren, dass sie in diesem Jahr die Top 100 knackt. Aber was seit Januar passiert ist, ist phänomenal“, sagt Frankopan.
Wie Sharapova und Wozniacki
Wahrscheinlich ist die Donna Vekic-Story eine der heißesten der letzten Jahre. Sie beginnt wie so viele Geschichten künftiger Stars in Florida. Donna ist neun Jahre alt. Sie spielt die Orange Bowl der U12 im Camp von Nick Bollettieri. Frankopan, damals in Diensten des Vermarktungsriesen IMG und früher auch einmal Manager von Sharapova, ist auch da. Er sieht sie spielen – und noch in der gleichen Woche verhandelt er mit Donnas Vater Igor, einem Geschäftsmann aus dem kroatischen Osijek, der in der Speiseeisbranche tätig ist. Wenig später steht Vekic bei IMG unter Vertrag.
Als Frankopan 2010 IMG verlässt, nimmt er sein Juwel mit zu Lagadere, dem anderen großen Vermarkter im Tennisbusiness. Zwei Jahre später gründet der 35-Jährige seine eigene Firma Starwing. Mit im Portfolio – natürlich – Donna Vekic.
Zu dem Zeitpunkt gehört der vielleicht wichtigste Mann längst zum Team: David Felgate. Seit Donna zwölf ist, trainiert sie mit dem früheren Coach von Tim Henman und Nicole Vaidisova und pendelt zwischen Osijek, der 100.000-Einwohner-Stadt im Norden Kroatiens, und London. Seit zwei Jahren reist Felgate mit Vekic um die Welt. Wenn sie in der englischen Hauptstadt arbeiten, heißt die Basis JTC (Junior Tennis Coaching), eine kleine Tennisakademie im Norden von London, in der auch die frühere britische Profispielerin Jo Durie und deren Ex-Coach Alan Jones trainieren. Von einer wahren Traumfabrik schwärmt die englische Presse.
Felgate hält von Superlativen nichts. Er dämpfte auch die hohen Erwartungen, nachdem sein Schützling in der Woche vor Wimbledon sensationell das Finale von Birmingham erreichte. Dort unterlag Vekic der früheren Top Five-Spielerin Daniela Hantuchova in zwei engen Sätzen. „Eine 16-Jährige träumt vom Wimbledonsieg“, schlagzeilte daraufhin der Schweizer Tagesanzeiger. Brad Gilbert, Ex-Agassi-Coach, twitterte: „Passt auf dieses Mädchen auf, mit einer guten Auslosung kann sie in Wimbledon weit kommen.“
Die Brad Gilbert-Prognose
Felgate konterte: „Dass sie Wimbledon gewinnt, kann ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen.“ Er sollte Recht behalten. Vekic verlor – recht unspektakulär – in Runde eins gegen Petra Cetkovska, die Nummer 196 der Welt. War der Druck zu groß? „Es gab gewaltige Erwartungen“, sagt Frankopan, „Donna setzt sich selbst am meisten unter Druck.“ In der Pressekonferenz nach dem Match klang die Analyse so: „Ich habe mehr von mir erhofft. Ich war nervös. Aber nächstes Jahr mache ich es besser. Mein Ziel ist es, die Nummer eins zu werden.“ O-Ton Donna Vekic. In perfektem Englisch. Markige Sprüche ist man von ihr gewohnt. „Ich bin eine Mischung aus Sharapova und Wozniacki“, hat sie schon öfter zum Besten gegeben. Auf dem Platz fällt die 1,79 Meter große Blondine in die Kategorie „Hardhitter“. Die Grundschläge sind mächtig, der Aufschlag pfeilschnell. Für eine künftig bessere Beinarbeit soll Dario, ein Fitnesstrainer aus Kroatien, sorgen, der mit Vekic und Felgate reist. Gelegentlich begleitet auch Mutter Brankica ihre Tochter.
Es gibt noch eine weitere Person im Umfeld, ohne die das Projekt Donna Vekic wohl kaum möglich gewesen wäre. Er heißt Clive Shirling, ein millionenschwerer englischer Geschäftsmann und glühender Tennisfan. Shirling unterstützt auch die ebenfalls bei Frankopan unter Vertrag stehenden Talente Borna Coric und Ivana Jorovic. Und er fungiert als Geldgeber bei der JTC. Für Vekic legte Shirling in jungen Jahren einen Fond an, denn Geld, um eine Profikarriere zu finanzieren, hatten die Eltern nicht.
Shirling ist der Mäzen von Vekic, der auch ihren Coach Felgate bezahlt. Die große Ratgeberin im Hintergrund heißt aber Chris Evert. Wie das zustande kam? Durch Strippenzieher Frankopan, der mit Everts Bruder John, ebenfalls früher in Diensten von IMG, bestens befreundet ist und die Tennislegende quasi als Galionsfigur in seine Agentur holte.
Tipps von Chris Evert
„Chris und Donna verstehen sich prächtig. Sie hat sie schon in ihrer Akademie besucht. Chris gibt ihr nicht unbedingt Tipps fürs Spiel. Aber sie sagt ihr, was sie in der Profiwelt erwartet, was außerhalb des Platzes auf sie einströmen wird“, sagt Frankopan. Die Voraussetzungen für eine große Karriere scheinen perfekt zu sein: ein für eine 17-Jährige bemerkenswertes Allroundspiel, ein Weltklasseumfeld, engagierte Eltern, die sich aber aus dem Tagesgeschäft heraushalten und nur darauf bestehen, dass die Tochter auf Reisen ihre Schulbildung nicht vernachlässigt. Es gibt noch ein weiteres, nicht unwichtiges Detail: Vekic ist charmant, spricht perfekt englisch und italienisch. Vor allem: Sie sieht umwerfend aus.
Flirt mit der Kamera
Betrachtet man Fotos von ihr, drängt sich der Vergleich mit Anna Kournikova auf. „Wissen Sie“, fragt ihr Manager, „wie viele offizielle Fotoshootings wir gemacht haben? Nur zwei in fünf Jahren.“ Aber die haben es in sich. Vekic beherrscht den Flirt mit der Kamera. Für Frankopan, das behauptet er zumindest, ist das zweitrangig. „Ich habe viele Talente kommen und gehen sehen“, sagt er, „wir wollen, dass Donna ihr Racket sprechen lässt. Wir wollen unter dem Radar bleiben.“
Was schwer fallen dürfte. Das Interesse an der Kroatin wird weiter steigen. Anfragen für kleinere Sponsorenverträge gibt es offensichtlich viele, aber das passe nicht zur Strategie. „Donnas wahrer Wert zeigt sich erst, wenn sie die Nummer eins ist oder Grand Slam-Turniere gewinnt“, sagt Frankopan.
Wie gut kann sie werden? Die postwendende Antwort: „Als ich sie zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich: Wow! Okay, sie muss ihre Beinarbeit noch verbessern, an den Schlägen noch feilen. Aber in den nächsten drei, vier Jahren kann sie die Beste der Welt sein.“