Linkshänder im Tennis: Sind sie im Vorteil?
Anlässlich des Weltlinkshändertages lohnt es sich, auch einen Blick auf den Tennissport zu werfen. Seit geraumer Zeit wird sich die Frage gestellt, ob Linkshänder bevorteilt sind. Ist da wirklich was dran? Und welche Linkshänder waren überhaupt am erfolgreichsten?
Beim Blick auf die Top 50 der Weltranglisten bei den Herren und Damen finden sich insgesamt zehn Linkshänder, sechs bei den Herren, vier bei den Frauen. Dies ist logischerweise auch dem Fakt geschuldet, dass nur knapp über zehn Prozent der Weltbevölkerung Linkshänder sind. Im Tennis sind es prozentual ungefähr genauso viele. Lange Zeit wurde die Möglichkeit, dass Linkshänder im Tennis bevorteilt sein könnten, gar nicht diskutiert. Als ab den 1970er-Jahren dann vermehrt Linkshänder wie Martina Navratilova, John McEnroe oder Jimmy Connors das Welttennis dominierten, wurde dies allerdings mehr und mehr diskutiert.
Vorteil weil unorthodox?
Gerade in der Vergangenheit waren Spieler allein durch den Fakt bevorteilt, dass sie linkshändig waren. Ihr Spiel wich von der Norm ab und war dadurch schwieriger zu lesen. Fehlende Analyse-Methoden und nicht ausgereifte Vorbereitung machten Linkshänder zu sehr unangenehmen Gegnern. Auch heutzutage zeigen Experimente, dass das Spiel von Linkshändern schwieriger einzuschätzen ist. Verschiedene Tests haben gezeigt, dass Probanden die Schlagrichtung bei Linkshändern öfter falsch einschätzen als bei Rechtshändern. Und das nicht nur im Tennis. Auch im Volleyball oder Tischtennis ließ sich diese Tendenz erkennen. Selbst die Tennisprofis geben auf Nachfrage noch immer häufig an, dass sie ungerne gegen „Lefties“ spielen.
Do lefties have the edge in tennis? 🤔🎾
Would Victoria Azarenka, Katie Boulter, and our Pepperstone Global Ambassador Alex de Minaur trade being right-handed for left-handed?
Here’s what they had to say on #WorldLeftHandersDay! #Pepperstone pic.twitter.com/dSxPUtZOGj
— Pepperstone (@PepperstoneFX) August 13, 2024
Vor Matches gegen Linkshänder bereiten sich Rechtshänder meist sogar extra vor, um sich auf den anderen Rhythmus einzustellen. Roger Federer trainierte beispielsweise vor Spielen gegen Rafael Nadal immer mit einem Linkshänder. Andersherum brauchen Linkshänder sich nicht großartig umstellen, da sie ohnehin viel öfter gegen Rechtshänder spielen.
Effektive Taktiken bei Linkshändern
Doch nicht nur der Fakt, dass sie ein seltenerer Gegner sind, macht Linkshänder gefährlich. Auch taktisch gibt es einige Kniffe, die sie für ihre rechtshändigen Kollegen gefährlich macht. Beim Aufschlag kann der Linkshänder beispielsweise von der Vorteilseite sehr weit in die Rückhand des Rechtshänders servieren. Das ist dieser nicht gewohnt und da zudem die Rückhand häufig schwächer ist, hat der Linkshänder bessere Chancen auf schnelle Punkte. Gerade bei Spielbällen ist dies eine äußerst beliebte und effektive Taktik.
Hier lohnt sich ein weiteres Federer-Nadal-Beispiel. Und zwar der Topspin des Spaniers. Besonders auf Sand höchst effektiv, spielte er diesen sehr oft cross in die Rückhand des Schweizers. Dieser hatte bei weitem keine schlechte Rückhand, doch das hohe Abspringen des Balls bereitete Federer immer wieder Probleme. Dementsprechend ist die Bilanz gegen Nadal auch nicht wirklich rosig. 16 Matches gingen an den Schweizer, während der Mallorquiner 24-mal jubelte.
Roger Federer spent some time coaching young kids in New York
“Who was the person you struggled against the most?
Roger: “I struggled against Rafa the most. Yeah, just bc of his topspin and lefty, you know. Do you like playing against lefties?”
“No.”
Roger: “There you go” 😂 pic.twitter.com/HFukQbqEc7
— The Tennis Letter (@TheTennisLetter) August 1, 2023
Geht man mit einem Linkshänder in ein Cross-Duell spielt man ihm immer in den jeweils anderen Schlag. Die Rückhand geht in die Vorhand, die Vorhand in die Rückhand. Die Chance auf plötzliche Longline-Schläge ist erhöht, je nachdem welcher Schlag präferiert wird. Der Rechtshänder kann dies aber genauso zu seinem Vorteil nutzen.
Die erfolgreichsten Linkshänder im Tennis
Auch wenn ihr Anteil an der Weltbevölkerung eher klein ist, gab es in der Tennisgeschichte bereits einige Weltklassespieler, welche den Schläger mit links schwangen. Jimmy Connors gewann acht Grand Slams, 109 Profititel insgesamt und war 268 Wochen die Nummer eins der Welt. Auch John McEnroe war für sein linkes Händchen bekannt. Bei den Damen ist die mit Abstand erfolgreichste Linkshänderin Martina Navratilova. Sie siegte bei 18 Major-Turnieren, gewann 167 Titel und stand 332 Wochen an der Spitze der Weltrangliste.
Der bekannteste aller Linkshänder im Tennis ist Rafael Nadal. Mit 22 Grand Slam-Titeln hielt er zwischenzeitlich den Rekord. Ironischerweise ist der Mallorquiner eigentlich gar kein natürlicher Linkshänder. Alle möglichen Dinge macht er ansonsten mit der rechten Hand. Sein Onkel und früherer Coach Toni Nadal hatte ihn vor langer Zeit „zum Linkshänder gemacht“. Damals spielte Rafa die Vorhand noch beidhändig. Als das geändert werden sollte, befand „Onkel Toni“, dass die Bewegungen mit der linken Hand deutlich besser aussahen. Wie erfolgreich der „King of Clay“ als Rechtshänder gewesen wäre, steht somit in den Sternen.
Spieler | Grand Slam-Titel | Karrieretitel | Wochen als Nr. 1 |
Rafael Nadal | 22 | 92 | 209 |
Martina Navratilova | 18 | 167 | 332 |
Monica Seles | 9 | 53 | 178 |
Jimmy Connors | 8 | 109 | 268 |
John McEnroe | 7 | 77 | 170 |
Angelique Kerber | 3 | 14 | 34 |
Thomas Muster | 1 | 44 | 6 |
Rod Laver | 11 | 72 | / |
Guilermo Vilas | 4 | 62 | / |
Petra Kvitova | 2 | 31 | / |
Goran Ivanisevic | 1 | 22 | / |
Marcelo Rios | / | 18 | 6 |