Vielspieler Zverev: Schon 80 Matches 2024 – ist es das wert?
Wenn Alexander Zverev beim Masters in Cincinnati an den Start geht, könnte er die 70 Einzelmatch-Marke in dieser Saison knacken. Angesichts seines Ziels bis zum Jahresende die Nummer eins zu werden, spricht vieles für diese hohe Aktivität. Doch sein Körper stellt sich aktuell quer.
In der aktuellen Saison bestritt Zverev 64 Matches im Einzel. Vergangenes Jahr waren es 82. Zwei starke Läufe in Cincinnati und bei den US Open und er wäre dieser Marke schon jetzt wieder ziemlich nahe. Und dass, bevor das letzte Jahresviertel überhaupt angebrochen ist. Es warten noch mindestens der Laver Cup, die beiden Masters in Shanghai und Paris, sowie auch die ATP- und Davis Cup-Finals. Läuft es richtig gut, könnte der Hamburger sogar die 100 Matches-Marke knacken. Eine Marke, der in den letzten 15 Jahren nur Novak Djokovic nahe gekommen ist. Der Serbe stand 2009 97-mal auf dem Court.
Matches der Top 10 in der Saison 2024
(Stand: vor Turnierstart in Cincinnati)
Rang | Spieler | Matches (ges.) | Bilanz |
1. | Jannik Sinner | 49 | 44:5 |
2. | Novak Djokovic | 36 | 29:7 |
3. | Carlos Alcaraz | 45 | 38:7 |
4. | Alexander Zverev | 64 | 49:15 |
5. | Daniil Medvedev | 47 | 35:12 |
6. | Andrey Rublev | 48 | 32:16 |
7. | Hubert Hurkacz | 51 | 36:15 |
8. | Casper Ruud | 57 | 44:13 |
9. | Grigor Dimitrov | 45 | 33:12 |
10. | Alex De Minaur | 48 | 36:12 |
Zverev schon immer ein Vielspieler
Dass Zverev zu den Spielern mit den meisten Matches im Jahr gehört, ist keine Ausnahme. Seit 2017 war er sechsmal unter den Top 5 der Spieler mit den meisten Matches. 2018 hatte er mit 76 Partien bereits einmal die meisten. Im vergangenen Jahr hatte nur Daniil Medvedev zwei Spiele mehr (84). Diese Emsigkeit ist in den vergangenen Jahren bei den Topsspielern nur noch selten zu sehen.
Djokovic, Alcaraz, Sinner und Co. lassen vermehrt kleinere Turniere links liegen und konzentrieren sich auf die Masters und Grand Slams. Oftmals dient diese Taktik auch der Vorbeugung von Verletzungen, um die „Main Events“ nicht in Gefahr zu bringen. Zverev hingegen spielt viele dieser Turniere. Die Überlegung, bei den meist schwächer besetzten 250ern vergleichsweise einfach Punkte zu holen, ist gar nicht so verkehrt. Der zusätzliche Stress, sowohl körperlich als auch das viele Reisen etc. sind allerdings eine Extrabelastung.
Zverev insgesamt schon mit 80 Matches 2024
2024 trat Zverev bisher bei den 250er-Events in München und Los Cabos an. 2023 spielte er fünf Turniere dieser Kategorie: Chengdu, Bastad, Genf, München und Doha. Zum Vergleich: Carlos Alcaraz bestritt in dem gleichen Zeitraum nur zwei 250er-Turniere – und zwar jeweils in Buenos Aires 2023 und 2024.
Trotz dieser bereits hohen Belastung spielt die deutsche Nummer eins auch noch recht regelmäßig Doppel. Mit seinem besten Kumpel Marcelo Melo bildet er ein solides Team. Zusammen erreichten sie im April das Finale von Monte Carlo. In Cincinnati sind die beiden aktuell auch am Start. Ihre Erstrundenpartie gewannen sie in drei Sätzen. Im Jahr 2024 weist Zverev im Doppel eine Bilanz von 7:4 auf. Also nochmal elf Matches obendrauf. Hinzukommen auch noch fünf Mixed-Partien beim United Cup zu Beginn des Jahres in Australien. In Summe hat Zverev damit bereits 80 Matches 2024 absolviert – und das dreieinhalb Monate vor Saisonende.
Meiste Matches seit 2018
Jahr | Spieler | Gespielte Matches | Matches von Alexaner Zverev |
2023 | Daniil Medvedev | 84 | 82 (Nr. 2) |
2022 | Stefanos Tsitsipas | 79 | 39 (Verletzung) |
2021 | Cameron Norrie | 71 | 70 (Nr. 3) |
2020 | Andrey Rublev | 51 | 36 (Nr. 5) |
2019 | Daniil Medvedev | 79 | 65 (Nr. 5) |
2018 | Alexander Zverev | 76 | / |
Zverev: „Ich will die Nummer eins werden“
Hintergrund für diese hohe Anzahl an Matches insbesondere im Einzel ist sein selbst gestecktes Ziel, am Ende des Jahres die Nummer eins der Welt zu sein. Nach seinem Heimturnier am Hamburger Rothenbaum sagte er: „Wir haben noch große Ziele und wollen am Ende des Jahres die Nummer eins werden.“ Schon nach dem Halbfinale bei den Australian Open Anfang des Jahres blickte auch sein Bruder und Manager Mischa optimistisch in die Zukunft: „Wenn diese Saison so weitergeht, bin ich fest davon überzeugt, dass er dieses Jahr als Nummer eins beenden kann.“
Schaut man sich den Stand der Dinge an, scheint die Lage zunächst fast aussichtslos. Der Hamburger steht in der Weltrangliste mit knapp 7.000 Punkten auf Rang vier. Vor ihm rangieren noch Carlos Alcaraz (7.950), Novak Djokovic (8.460) und Jannik Sinner (8.770). Zwar muss Zverev das Halbfinale in Cincinnati sowie das Viertelfinale bei den US Open verteidigen. Danach hat er allerdings nicht mehr sonderlich viel zu verlieren (2023 machte er „nur“ 1.020 Punkte nach den US Open).
Deutlich mehr steht für Novak Djokovic auf dem Spiel. Der Serbe muss die Turniersiege bei den US Open sowie in Paris-Bercy verteidigen. Auch wenn er bei Olympia die Goldmedaille holte, darf daran gezweifelt werden, ob ihm dieses Kunststück gelingt. Gerade auch mit Blick auf die Form des „Djokers“ im bisherigen Verlauf der Saison. Zur Titelverteidigung in Cincinnati tritt er nicht an. 1.000 Punkte wird er dadurch schon mal verlieren. Auch Sinner hat im Saisonendspurt noch ordentlich Punkte zu verteidigen. In Shanghai und Paris konnte er im vergangenen Jahr zwar nicht wirklich punkten. Der Italiener gewann aber die 500er-Turniere in Peking sowie Wien und erreichte das Finale bei den ATP-Finals.
Alcaraz: Nummer eins als Hauptziel
Carlos Alcaraz hat die Nummer 1-Position fest im Fokus. Der Spanier möchte das Jahr unbedingt als Nummer eins der Weltrangliste abschließen. „Das ist eines meiner Hauptziele ab sofort. Natürlich ist es immer mein Ziel, die Nummer eins zu sein, und das Race ist auch ein wichtiges Ranking für mich. Wenn du da am Ende des Jahres vorne bist, schaut es in der Rangliste meist ähnlich aus. Ich konzentriere mich voll darauf“, sagte der 21-Jährige, nachdem es nicht für die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Paris gereicht hatte.
Alcaraz hat ab den US Open bis zum Jahresende weniger als 1.500 Punkte zu verteidigen. Er kann sich als aktuell wohl stärkster Spieler auf der Tour die größten Hoffnungen auf den Platz an der Sonne machen. Zverev wird mit ziemlicher Sicherheit noch an Djokovic vorbeiziehen. Vieles deutet also auf einen Dreikampf zwischen ihm, Sinner und Alcaraz hin.
Zverev mit körperlichen Problemen
Ein Faktor, welcher dem 27-Jährigen allerdings einen Strich durch die Rechnung machen könnte, ist sein eigener Körper. In der Vergangenheit konnte Zverev sein hohes Pensum immer gut wegstecken. Ob dies auch 2024 der Fall ist, scheint im Moment nicht ganz klar zu sein. In Hamburg, bei den Olympischen Spielen in Paris und auch zuletzt beim 1000er-Masters in Montreal wirkte er körperlich nicht ganz fit. Zverev beklagte sich zuletzt über Müdigkeit und Kraftlosigkeit. In Montreal kam noch eine leichte Erkältung hinzu. Im Vorfeld durchgeführte Medizinchecks in seiner Wahlheimat Monte Carlo hatten keine auffälligen Befunde ergeben.
Nun stellt sich die Frage, wie weit Zverev bereit ist zu gehen. Wie viel wird er seinem Körper noch zumuten, um am Ende des Jahres ganz oben zu stehen? Im besten Fall hält er durch und erreicht sein großes Ziel. Im schlechtesten Fall gibt sein Körper nach und er muss seine Träume begraben. In den letzten Woche versagten ihm gerade in den späten Turnierrunden immer wieder die Kräfte. Um auf Platz eins zu kommen, muss er dann wohl oder übel doch ein bis zweimal über die volle Distanz gehen.