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Eingespieltes Team: Paul Häuser (li.) und Marcel Meinert ­während des ATP-­Turniers in München. Bild: Sky

Marcel Meinert und Paul Häuser: „Tennis kommentieren ist ein Fehlersport”

Marcel Meinert und Paul Häuser sind zwei der renommiertesten Tenniskommentatoren in Deutschland. Die beiden Sky-Reporter geben im Interview mit tennis MAGAZIN Einblicke, worauf es in ihrem Job ankommt. 

Marcel und Paul, könnt ihr euch an euer erstes Match erinnern, das ihr kommentiert habt?

Marcel Meinert: Puh, das weiß ich tatsächlich nicht mehr ganz genau. Mein Probekommentar für Sky war in jedem Fall das Erstrundenmatch von Nicolas Kiefer in Wimbledon im Jahr 2007 gegen Filippo Volandri. Ein Jahr später war ich dann im Wimbledon-Team von Sky dabei.

Paul Häuser: Mein Probekommentar für Sky war das Wimbledon-Halbfinale 2016 zwischen Roger Federer und Milos ­Raonic. Mein erster Liveeinsatz war dann beim ­Turnier in Rotterdam 2017. Ich habe Marin Cilic gegen Benoit Paire kommentiert. Viel präsenter bei mir ist der Probekommentar. Da war ich noch deutlich nervöser. 

Was war euer denkwürdigstes Match als Kommentator?

Meinert: Da muss ich auf jeden Fall das längste Tennismatch der Geschichte nennen. Wimbledon 2010, erste Runde, John Isner gegen Nicolas Mahut, 11:05 Stunden. Mit diesem Match werde ich mich immer verbunden fühlen. Daneben stechen sicher das Wimbledion-Finale 2013 zwischen Sabine Lisicki und Marion Bartoli, das ich in unserer 3D-Übertragung ­tatsächlich mit entsprechender Brille kommentiert habe, sowie das Finale letztes Jahr zwischen ­Carlos Alcaraz und Novak Djokovic hervor. Auch die ATP Finals 2021 in Turin, als ­Alexander Zverev gewonnen hat und ich das komplette Turnier vor Ort begleiten durfte, muss ich erwähnen.

 

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Marcel, wie kommentiert man ein 11-Stunden-Match?!

Meinert: Erst einmal: Es war irgendwie ein Unfall, dass ich dieses Match kommentiert habe. Das werde ich nie vergessen. Ich habe zuvor das Match auf dem Centre Court zwischen Lleyton Hewitt und Evgeny Korolev kommentiert. Korolev verletzte sich und gab etwas überraschend auf. Wir überlegten dann, wie wir fortfahren. Eigentlich sollte Gerd Szepanski mich auf meinem Platz ablösen. Weil es aber bis zum nächsten Match noch etwas gedauert hat, habe ich zur Regie gesagt: ‚Lasst uns mal auf Court 18 gehen, da steht es 5:5 im fünften Satz zwischen Isner und Mahut. Das dauert nicht mehr allzu lange.‘ Es war früher Abend und dann ging es mehrere Stunden weiter bis zum Abbruch wegen Dunkelheit. Meine Kollegen haben sich sehr fürsorglich um mich gekümmert, Essen reingebracht und mich immer wieder mit aktuellen Statistiken und Infos versorgt. Am nächsten Tag durfte ich das Rekordmatch dann auch zu Ende kommentieren.

Paul, was sticht bei dir hervor? 

Häuser: Mein jüngstes Highlight war das Finale beim Masters in Rom mit der großartigen Andrea Petkovic als Expertin an meiner Seite. „Petko“ ist der Knaller. Ihre Präsenz, ihr Witz, ihre grandiose Sprache und ihre scharfe Analyse sind der pure Genuss. Lustigerweise hat sie bei diesem Endspiel zwischen Alexander Zverev und Nicolas Jarry das exakt richtige Ergebnis mit 6:4 und 7:5 für Zverev vorhergesagt. Ein großer Leckerbissen im Rückblick war für mich auch das dramatische Indian Wells-Finale 2018 zwischen Roger Federer und Juan Martin del Potro. Die Stimmung war gigantisch. Federer servierte zum Turniersieg, hatte Matchbälle und verlor noch. Genau wie Marcel kann ich auch noch mit einem Rekord glänzen. Ich habe das Match zwischen Alexander Zverev und Jenson Brooksby in Acapulco kommentiert mit dem spätesten Matchende der Geschichte: 4:54 Uhr Ortszeit. Ich habe an jenem Tag um 2 Uhr nachts deutscher Zeit mit meiner Schicht angefangen und war dann um 12 Uhr mittags nach dem Zverev-Match erst fertig. An die Halbfinals in Wimbledon, die ich gemeinsam mit Michael Stich kommentieren durfte, denke ich gerne zurück. Mit seinem ehemaligen Idol zu kommentieren, ist eine Riesenehre. Michael hat auch eine irre Präsenz und eine tolle Klarheit in der Sprache. 

Wie sieht bei euch ein klassischer Tagesablauf aus? 

Häuser: Ich sage immer gerne, dass unser Job situationselastisch ist. Inzwischen haben wir auf Sky auch die WTA-Tour dazubekommen. Das bedeutet, dass wir immer schauen müssen, was gerade live passiert. Bei einigen Matches ist vorher klar, dass sie im Fokus stehen. Darauf bereitet man sich entsprechend gezielt vor. Ich habe mir von allen Spielern und Spielerinnen, die ich bereits kommentiert habe, Dateien angelegt, in denen Infos zum Umfeld und Team des Spielers stehen, auch um vorbereitet zu sein, wer in der Spielerbox sitzt. Mittlerweile gehört das Scannen der Social-Media-Profile mit dem jeweiligen Privatleben dazu. Bei deutschen Spielern versuche ich vorher, einen Kontakt zum Trainer, zu einem Teammitglied oder im besten Fall zum Spieler selbst herzustellen. Je höher jemand im Ranking steht, umso schwieriger wird es, Infos aus dem Umfeld zu bekommen. Generell sollte man stets die besondere Geschichte zu einem Match vorher herausarbeiten und dann flexibel reagieren. Möchtest du noch etwas ergänzen, Marcel?

Meinert: Der einzige Unterschied zwischen uns beiden ist, dass bei mir die Aufzeichnungen noch ein bisschen häufiger handschriftlich sind. Der Anspruch muss sein, dass man immer über alles Bescheid weiß. Zu allen deutschen Spielern besteht ein vertrauensvolles Verhältnis. Alle verstehen, was wir machen und dass uns Informationen helfen, um gewisse Dinge besser einschätzen zu können. 

Wer entscheidet denn, wer welche Matches kommentiert?

Meinert: Bei Tagen mit sehr viel Spielbetrieb, vor allem in der frühen Phase der Masters-Turniere, klären wir Kommentatoren untereinander ab, wer welche Matches kommentiert. Dazu setzen wir die inhalt­lichen Schwerpunkte für den jeweiligen Tag. Es gibt auch einen Redaktionsleiter, der im Vorfeld die Verfügbarkeiten abfragt und festlegt, wer Halbfinale oder Finale kommentiert. 

Häuser: Ich kann mich nicht erinnern, dass wir irgendwann mal Stress hatten bezüglich der Einteilung. 

Meinert: Den Teamgedanken schätze ich sehr. Das hilft enorm, vor allem bei einem vollgepackten Spielplan. 

Marcel Meinert und Andrea Petkovic

Gefragte Expertin: Marcel Meinert kommentiert häufig an der Seite von Andrea Petkovic.

Bekommt ihr beim Kommentieren von außen Vorgaben zu Dingen, die ihr beachten sollt? 

Meinert: Es gab bei uns lange Zeit die heilige Kuh, dass man nicht in die Ballwechsel reinreden sollte. Darauf wurde längere Zeit extrem genau geachtet und ich halte es immer noch für einen wichtigen Grundsatz. Dass man sich allerdings nicht jedes Mal daranhalten kann, sollte klar sein. Hin und wieder dauert es ein bisschen länger, dass man einen Gedanken ausformuliert hat oder ein Experte seinen Gedanken zu Ende bringen möchte. Hinzu kommt natürlich auch das Feedback der Zuschauer, die immer mehr unterhalten werden wollen. Die Altersstruktur im Tennis ist anders als beispielsweise im Fußball. Es geht darum, die richtige Mischung zu finden. Wenn man einen jungen Zuschauer fragt, wie ein Kommentar im Sport grundsätzlich aussehen sollte, dann würden alle sagen, dass dieser sich einen noch ­unterhaltsameren, bunteren Kommentar wünscht. Jeder ­Kommentator findet hierbei seine persön­liche Mitte, die vor allem authentisch sein sollte. Der Zuschauer merkt, wenn du etwas emotional vorspielst, was du nicht bist. Ich stehe für eine emotionale Art des Kommentierens, weil Tennis meine absolute Leidenschaft ist. Darunter sollte aber die Analyse natürlich nicht leiden. Diese steht weiter zusammen mit dem journalistischen Anspruch absolut im Zentrum.

Häuser: Die Leidenschaft muss transportiert werden. Marcel und mir fällt das einfach, weil diese Leidenschaft vorhanden ist. Tennis ist unser Sport. Das Schöne am Tennis ist, dass jedes Match, egal, wer spielt, seine eigene Geschichte hat. In der heutigen Zeit sehe ich auch etwas die Gefahr, dass manche Sachen zu hochgejazzt werden. Es gibt dann nur noch Superlative. Dafür stehen wir nicht. Wir wollen ebenso den analytischen Mehrwert herausarbeiten. Diese Balance ist eine Herausforderung. 

Meinert: Am Ende weiß der Zuschauer nicht, was du dir vor dem Match alles aufgeschrieben hast und was du möglicherweise nicht untergebracht hast, sondern es zählt, was du in dem Moment geliefert hast. Du darfst dich nicht überbieten wollen, sondern musst die wichtigen Dinge herausarbeiten. 

Häuser: Das ist ein ganz wichtiger Punkt und war für mich ein großer Lernfaktor. Ich gehörte zu denen, die recherchierte Sachen, unbedingt unterbekommen wollten. Kill your darlings ist das Stichwort. Es gibt nichts Wichtigeres als das Match. 

Wie sieht es bei Matches mit deutscher Beteiligung aus? 

Häuser: Die deutsche Farbe darf auf jeden Fall rein. Wir versuchen bei Matches von Zverev, Kerber oder Struff, etwas emotionaler mitzugehen, aber trotzdem kritisch zu bleiben. Das soll kein Fanjournalismus sein. 

Hattet ihr Vorbilder bei der Art des Kommentierens? 

Häuser: Ich bin geprägt durch die intensive Berichterstattung von Eurosport bei den Grand Slam-Turnieren. Ein Name ist dabei ganz präsent: Matthias Stach, der für mich ein Vorbild ist, wie er Tennis ­transportiert. Bei ihm kommen die Leidenschaft, die Emotionen gepaart mit einem Analyse-Mehrwert so gut rüber. Dazu möchte ich auch unbedingt Markus Theil nennen. Er hat eine so entspannte, angenehme Art mit ebenfalls großer Leidenschaft. Für mich waren in meiner Entwicklung bei Sky aber auch vor allem Stefan Hempel und Marcel wichtig. Von beiden habe ich viel gelernt, was einen guten Kommentar ausmacht. Stefan war dabei für mich ein oftmals auch sehr strenger Mentor. Er hat mir aufgezeigt, wenn ich kein gutes Timing hatte und zu viel gequasselt habe. Dieses direkte Feedback hat mir enorm geholfen. Grundsätzlich ist es so, dass man seinen eigenen Stil finden muss. Das entscheidende Stichwort: Authentizität.

Meinert: Wie Paul bereits sagte, schaut man links und rechts, von welchem Kommentar man etwas adaptieren kann. Bei Matthias Stach ist es die Detailverliebtheit, wie präzise er sich auf ein Match vorbereitet und wie genau er in der Analyse ist. Es bringt aber nichts, wenn man zum Beispiel Floskeln von irgendjemand kopiert, die nicht auf dich passen. Für mich war damals Gerd Szepanski mit seiner Ruhe und Ausgeglichenheit das Nonplusultra. Man muss ein Tennismatch heute aber natürlich anders kommentieren als vor 20 oder 30 Jahren. Letztendlich ist es ein Privileg, was wir machen dürfen. Das versuchen wir, so gut es geht umzusetzen.

Häuser: Sprache entwickelt sich stetig weiter und damit auch die Art des Kommentierens. Bei mir ist wahrscheinlich im Vergleich zu anderen Kommentatoren mehr Jugendsprache dabei. Es ist manchmal etwas flapsiger. Trotzdem möchte ich nicht, dass mein Kommentar dadurch an Seriosität und einer guten Analyse verliert, und schon gar nicht an Emotionalität.

Apropos Sprache: Gab es für euch Sprechtraining?

Meinert: Ich habe nie eine Stunde Sprechtraining absolviert. Als ich damals mein Casting bei Premiere (Sky-Vorgänger; Anm. d. Red.) gemacht habe, wurde mir gesagt, dass es ihnen gefallen hat und ich nächste Woche anfangen kann. Ich wurde also direkt ins kalte Wasser geworfen. Seitdem bekomme ich immer wieder Feedback in den unterschiedlichsten Richtungen. Aber es hat noch niemand gesagt, dass ich zum Sprechtraining gehen sollte. Es fühlt sich für mich auch nicht so an, als würde etwas fehlen. Da war sicher auch viel ,learning by doing’ dabei.

Häuser: Ich habe Sprechtraining bekommen. Im Zuge meines Volontariats bei Sky war das ein großer Bestandteil, weil zunächst Sky Sport News meine Heimatredaktion war. Hier ist eine gute Vertonstimme für die Beiträge bedeutend. Einen Beitrag vertonen und ein Live-Kommentar sind aber zwei ganz unterschiedliche Disziplinen. Mir ist auch Atemtraining wichtig, damit man die PS in der eigenen Stimme auch wirklich herausholt.

Paul Häuser und Mischa Zverev

Wimbledon: Paul Häuser (li.) im Einsatz mit Mischa Zverev.

Beim Live-Fernsehen laufen gerne mal Sachen schief. Von welchen amüsanten Pannen könnt ihr berichten?  

Häuser: Ich erinnere mich an das Match beim Wimbledonturnier 2019 zwischen Ugo Humbert und Gael Monfils. Nach drei Stunden Kommentieren musste ich dringend auf Toilette. Ich bin dann bei 3:0-Führung für Humbert im fünften Satz auf Toilette gegangen. Als ich wiederkam, war der Platz plötzlich leer. Monfils hatte in der Zwischenzeit aufgegeben. Das war natürlich ein katastrophales Timing. Ich habe dann on air nicht gelogen und von meiner schlecht getimten Toilettenpause berichtet. 

Meinert: So etwas hatte ich tatsächlich noch nicht. Es gibt natürlich immer wieder Situationen, die du dann irgendwie überbrücken musst, wenn technisch etwas nicht läuft. Ich habe gelegentlich Trainer oder Prominente verwechselt, die im Bild zu sehen waren. Da bin ich immer froh, wenn ich jemanden an der Seite habe, der sich auch bei den Promis gut auskennt, zum Beispiel Boris Becker. Bei einer bitteren Panne im Stadion war ich live dabei. Das war im 2003er-Endspiel in Hamburg zwischen Guillermo Coria und Augustin Calleri. Nach dem 6:3, 6:4 hat der Stadion­sprecher Coria zum Sieger in Hamburg erklärt. Blöd war nur, dass damals das Endspiel noch über drei Gewinnsätze stattfand. Ansonsten passieren immer wieder Situationen, mit denen man nicht rechnet und man improvisieren muss. Letztes Jahr im US Open-Halbfinale zwischen Coco Gauff und Karolina Muchova hat sich ein Klima­aktivist auf der Tribüne festgeklebt. Das Spiel wurde eine Stunde unterbrochen. Ich habe mich in der Zwischenzeit mit unserer Expertin Andrea Petkovic über Dinge aus dem Tennisleben ausgetauscht. Auch den Zwischenfall dieses Jahr in Indian Wells, als ein Bienenschwarm das Match zwischen Zverev und Alcaraz unterbracht, werde ich nie vergessen. Innerhalb von kürzester Zeit haben Philipp Kohlschreiber und ich unser Wissen über Bienen aufgefrischt. Inzwischen bekommt man gerade in solchen Situationen auch von den Zuschauern über Social Media viel Input. Ich liebe es, wenn die Leute bei unseren Sendungen aktiv mitmachen und man live auf Zuschauerfragen und Anregungen eingehen kann. 

Mittlerweile ist es üblich, dass ihr an der Seite eines Experten kommentiert. Inwiefern unterscheidet sich das zum Einzelkommentar? 

Meinert: Das ist ein Riesenunterschied. Das ist fast eine andere Sportart, die wir dann betreiben. Schon die Vorbereitung ist anders, weil man sich vorher natürlich Gedanken machen muss, mit welchen Themen man den Experten konfrontieren kann. Hat der Experte Berührungspunkte zum Turnier und zu den Spielern und Spielerinnen? Der Experte ist auch dafür da, um eine persönliche Note mitzugeben. Die Arbeit mit den Experten macht wirklich Riesenspaß. Im Laufe der Jahre ist auch eine persönliche Beziehung entstanden, sodass man sich auch mal einen lockeren Spruch an den Kopf werfen kann, der den anderen nicht kopfschüttelnd zurücklässt. Für den Zuschauer wertet der Einsatz eines Experten die Analyse enorm auf und ist auch ein großes Unterhaltungselement. Inzwischen haben wir unsere Experten bei allen Masters-Turnieren fast permanent dabei.

Häuser: Ich liebe den Doppelkommentar. Er ist immer ein Mehrwert. Das kann ich alleine gar nicht rausarbeiten, was ich mit einem Experten geliefert bekomme. Man muss dann auch die richtigen Knöpfe drücken und die richtigen Fragen stellen. Genau das macht es so irrsinnig spannend. 

Kommt es mal vor, dass ihr einen ­Experten korrigieren müsst, wenn er etwas Falsches erzählt hat?

Häuser: Ja, absolut. Tennis ist ein Fehlersport. Tennis kommentieren ist ebenfalls ein Fehlersport. Es ist alles andere als eine Herzoperation. 

Meinert: Der Austausch ist komplett auf Augenhöhe. Wenn es ins Taktische geht, stellt sich manchmal die Frage, inwieweit man dem Experten, der selbst gespielt und Titel gewonnen hat, etwas Contra gibt. 

Häuser: Reibung ist gut. Das ist nicht schlimm, wenn man dem Experten sagt, dass man es anders sieht.

Fußballkommentatoren bekommen inzwischen viel Häme über die sozialen Medien zu spüren. Wie ist das bei euch im Tennis?

Häuser: Bei uns ist das wesentlich entspannter. Ich hatte eine negative Erfahrung bei einem Djokovic-Match, wo ich es gewagt habe, Djokovic sehr kritisch zu sehen, weil er sich sehr theatralisch verhalten hat. Es gab einen Zuschauer, offensichtlich ein Djokovic-Ultra, dem hat das gar nicht gepasst. Er ist in den sozialen Medien sehr beleidigend mir gegenüber geworden. Ansonsten haben wir leidenschaftliche und faire Zuschauer, die mitgehen und den Kontakt zu uns suchen. In dieser kleinen, aber feinen Tennis-Community geht es sehr zivilisiert zu. 

Meinert: Es ist deutlich konstruktiver und kultivierter als beim Fußball. Es ist manchmal amüsant zu sehen, dass diese Grabenkämpfe zwischen Nadal, Federer und Djokovic nicht nur auf dem Platz stattfinden, sondern auch zwischen den jeweiligen Fangruppen. Manchmal geraten wir als Kommentatoren dazwischen. Es ist ganz normal, dass es hin und wieder emotionale und kontroverse Reaktionen gibt. Wir sind Kommentatoren, wir sind keine Beschreiber. Wir sollen das Spielgeschehen einordnen und sind im Zweifel dafür da, eine Meinung zu vertreten. Wenn ich die Meinung habe, dass ein gewisses Benehmen auf dem Tennisplatz nicht geht, dann sage ich das, auch wenn ich nicht derjenige bin, der bei 30 Grad auf dem Platz steht und in diesen Moment die Emotionen in sich trägt. Es ist ein Balanceakt. Man muss die Worte bewusst wählen, aber man muss auch Grenzen aufzeigen, an denen sich die ­Spieler messen lassen können. 

Habt ihr generell Tipps für sportbegeisterte Leute, die gerne den Beruf als Kommentator einschlagen und speziell Tennis kommentieren möchten?

Meinert: Ich gebe hin und wieder Coachings, nicht nur zum Fußball, sondern auch zum Tennis. In erster Linie braucht es Ehrgeiz und den Glauben, dass man sein Ziel auch erreichen kann. Natürlich benötigt es auch ein gewisses Talent im Umgang mit Sprache. Ganz wichtig sind die Fachkenntnisse im Tennis. Eine Portion Glück ist auch hilfreich, denn es braucht auch  jemanden an einer entscheidenden Stelle, der von dir überzeugt ist. In dem Beruf des Kommentators gibt es nicht diese eine Straße, in die man einbiegt und dann sein Ziel erreicht. Um Kommentator zu werden, benötigt es fundierte Kenntnisse im Fernsehjournalismus. Es gibt mittlerweile einige spezialisierte Studiengänge, um Fernsehjournalist zu werden. Wichtig ist, sich auszuprobieren, viele praktische Erfahrungen zu sammeln und ein Gefühl dafür zu entwickeln, ob einem das Kommentieren wirklich liegt, und man mit der Anspannung, wenn das Rotlicht angeht, umgehen kann. Was ein Ansporn ist: Es wurde noch nie so viel Tennis übertragen wie heute. Der Bedarf an Kommentatoren ist prinzipiell so groß wie noch nie.

Häuser: Es braucht neben einer ­schönen Sprache auch ein feines Gespür sowie neben dem Glauben an sich auch die Bereitschaft, nicht nur einmal den Extrakilometer zu gehen. Die Fähigkeit des ­Storytellings ist besonders wichtig und in gewisser Hinsicht musst du auch eine Rampensau sein. Für mich ist die journalistische Ausbildung unabdingbar. Das kommt mir in der heutigen Generation etwas zu kurz, dass jemand nach einem Praktikum am liebsten sofort einsteigen möchte. Gerade beim Kommentieren braucht es das journalistische Rüstzeug. Wenn man ein Match begleitet, sollte sich das abheben. Es darf kein Fankommentar sein, sondern es muss ein Journalist dort sitzen, der einen gewissen Anspruch transportieren kann. Beim Einstieg muss es auch nicht immer gleich ein Kommentar bei einem Masters-Turnier sein. Vielleicht reicht auch erst mal die Tennis-Bundesliga. Leider ist Tennis nach den glorreichen Zeiten von Becker, Graf und Stich mittlerweile etwas in der Nische angekommen. Aber in dieser Nische gibt es trotzdem tolle Möglichkeiten. 

Meinert: Heute kommentieren viele Reporter die Matches bequem aus dem eigenen Wohnzimmer. Als ich bei meinen Anfängen die Tennis-Bundesliga im Internet-Livestream kommentiert habe, war es abenteuerlich. Ich habe unter anderem eine Partie des ETUF Essen aus dem Rückraum eines Sprinters hinter dem Zaun des Centre Courts kommentiert. Wir haben das Auto irgendwo auf einem Feldweg geparkt, um die Leitung durch den Zaun zur Kamera am Court zu legen. Das Match haben wir letztlich nur über den Fernseher verfolgen können.

Vita Marcel Meinert und Paul Häuser

Marcel Meinert: Der gebürtige Schleswig-Holsteiner, Jahrgang 1980, ist seit 2007 als Kommentator für Sky tätig. Zuvor arbeitete er als Pressereferent für den Deutschen Tennis Bund. Er kommentiert neben Tennis auch regelmäßig Fußball und Eishockey und ist zusätzlich unter anderem als Event-Moderator, zum Beispiel bei Radsportveranstaltungen, tätig.

Marcel Meinert 

Paul Häuser: Der Münchener, Jahrgang 1984, ist seit 2012 bei Sky und kommentiert seit 2017 Tennis. Zuvor arbeitete er bei Red Bull, Servus TV und dem Bayerischen Fußball-Verband. Er studierte in Wien Public Communication im Master-Studiengang, sowie vorher im Bachelorstudium Publizistik und Kommunikationswissenschaft. Seine Lieblingsspieler waren früher Stefan Edberg, Boris Becker und dann Roger Federer.

Paul Häuser