Alexander Zverev

Ratlos: Alexander Zverev nach seiner Viertelfinalniederlage bei den US Open.

„Bodenlos” und „schrecklich”: Zverev läuft die Zeit davon

Alexander Zverev scheitert bei den US Open vor allem sich selbst. Und er deutet an, dass ihm die Zeit auf der Jagd nach seinem ersten Grand-Slam-Titel davonläuft.

Alexander Zverev stürmte davon, als sei der Leibhaftige hinter ihm her. Knapp sechs Minuten lang hatte er sich schonungslos selbst an den Pranger gestellt, hatte vollgepumpt mit einem Gefühlscocktail aus Frust, Ärger und Ratlosigkeit seine Leistung als „bodenlos”, „schrecklich” oder „unglaublich“ bezeichnet. Nun wollte er nur noch weg von diesem Ort des Grauens. So schnell wie möglich.

Die ernüchternde Niederlage im Viertelfinale der US Open gegen den klug spielenden Taylor Fritz aus den USA war das eine, was Zverev an sich selbst zweifeln ließ. Tatsächlich schien ihm auch klar zu sein, welch große Chance er wieder mal verspielt hatte: Auf den Südtiroler Jannik Sinner, den zweiten noch verbliebenen Favoriten auf den Turniersieg, hätte er erst im Finale treffen können.

Zverev: „Ich habe nichts getan, um den Sieg zu verdienen”

Die vorsichtigen Fragen nach seinem ersten Titel bei einem Grand Slam würgte Zverev daher barsch ab. „Ich habe keinen gewonnen. Das interessiert mich alles nicht”, sagte er und ergänzte den unvollendeten Satz: „Ich bin 27 Jahre alt, ich meine, ich werde 28 nächstes Jahr.” Der Hamburger klang in diesem Moment, als wolle er andeuten, dass ihm auf der Jagd nach dem heiligen Gral die Zeit davonläuft.

In New York schien der Weg geebnet, wie 2020 bei den US Open und im Juni bei den French Open zumindest das Finale zu erreichen. Aber dann das: „Ich habe nichts getan, um den Sieg zu verdienen”, sagte Zverev nach dem 6:7 (2:7), 6:3, 4:6, 6:7 (3:7) gegen den aktiven und risikofreudigen Fritz – und haute sich dann schonungslos selbst in die Pfanne: „Es war einfach nur bodenlos. Ich habe schrecklich gespielt.”

Zverev: „Ich wusste nicht, was ich tun sollte”

Vor allem mit seiner Rückhand haderte Zverev. „Schrecklich, absolut schrecklich. Mein zuverlässigster Schlag, für den du mich normalerweise um 3:00 Uhr morgens wecken kannst, und ich würde ihn nicht verschlagen, war absolut nicht da. Ich habe keine Worte dafür, um ehrlich zu sein.” Er habe, konstatierte er, ab dem zweiten Ballwechsel „kein Gefühl im Schläger” gehabt, „nullkommanull”.

Den zweiten Satz, bekannte Zverev, „habe ich irgendwie gewonnen”, aber: „Es wurde nichts besser.” Vielmehr sei er an den Punkt gekommen, „da wusste ich nicht mehr, was ich tun sollte”. Tatsächlich fand er kein dauerhaftes Rezept gegen den permanenten Druck von Fritz, er spielte passiv, vergrub sich hinter der Grundlinie, auch der Wechsel auf Schläger mit anderer Bespannung half nicht weiter.

Zverev: Nummer zwei der Welt, aber kein Grand-Slam-Titel

„Irgendwann”, berichtete Zverev weiter, „irgendwann hatte ich einfach so viele Fragen in meinem Kopf”. Fragen, die er selbst auf dem Platz nicht beantworten konnte, auch Hilfe aus der Box, wo Vater Alexander senior und Bruder Mischa saßen, kam nicht an. Noch nach dem Match bekannte Zverev: „Ich habe keine Antworten. Ich werde auf keine Frage eine Antwort haben.”

Auch Boris Becker rätselte im Studio von sportdeutschland.tv. „Das Tor fürs Finale war auf, vielleicht hat ihn das gebremst.” Vielleicht. Kurios: Zverev wird ab Montag wieder die Nummer zwei der Welt sein, doch auf den Sieg bei einem der vier Grand Slams wird er bis 2025 warten müssen. „Ich bin enttäuscht”, sagte Becker noch, „ich dachte wirklich, dass was drin ist in diesem Jahr”.