ATP Shanghai

Das Masters-Turnier in Shanghai wird inzwischen auch über knapp zwei Wochen gespielt. ©Imago/Xinhua

Ewig lange 1000er-Masters-Events: Die Kaugummi-Turniere

Die Masters-Events auf der Tour werden immer riesiger und streben in eine mit Grand Slam-Turnieren vergleichbare Dimension. Was die Sandplatzgötter dabei stört: Es gibt zu viel Leerlauf und das oft beschworene Fanerlebnis hält sich in Grenzen.

Die Welt ist widersprüchlich, die Tenniswelt bildet da keine Ausnahme und die großen Tennisorganisationen erst recht nicht. Die WTA präsentiert sich gerne als Speerspitze von Gleichberechtigung und ­Frauenrechten, verlegt ihr größtes Turnier – die WTA-Finals – aber nach Saudi-Arabien. Die ITF möchte gerne den Davis Cup revitalisieren und lässt dann Teams aus Europa/Amerika eine Gruppenphase in China ­spielen, bei der keine asiatische Mannschaft dabei ist.

Die ATP hat sich auch etwas überlegt: Nachdem eigentlich in Bezug auf die einzelnen Matches vieles ausprobiert und auch umgesetzt wird, das sekundenweise die Brutto-Spielzeit verkürzt, damit diese sich in Richtung der ­vermeintlichen Aufmerksamkeitsspanne der „Generation TikTok“ entwickeln kann, wird in letzter Zeit auf der Makroebene ihrer Tennisturniere eher entgegengesetzt geschraubt: Nicht nur sorgen immer ­chaotischere Zeitpläne dafür, dass einzelne Turniertage mittlerweile schon regelmäßig erst weit nach Mitternacht enden; auch für die Gesamtdauer der größten Turniere ist das Motto ganz offensichtlich „the bigger the better“.

Masters-Events: Oftmals gibt es stundenlangen Leerlauf

In Madrid und Rom wird statt einwöchig bereits über zwölf Tage gespielt, aktuell auch in Shanghai. Weitere Masters-Turniere wie die in Cincinnati und Toronto/Montreal werden folgen. Die Motivation dahinter ist – wie bei allen bereits genannten Entscheidungen – nicht ausschließlich für Raketen­wissenschaftler offensichtlich: Geld. Mehr Turniertage gleich mehr Monetarisierung. So lautet die recht ein­fache Formel. Und in Indian Wells und Miami hat man es ja schon längere Zeit so vorgemacht.

Ob diese Rechnung aber dauerhaft aufgeht, ist gar nicht mal so sicher. In der Profibubble gab es gemischte Reaktionen, insbesondere hagelte es aber von ­Fanseite in Bezug auf die Sandplatzturniere in Madrid und Rom Kritik aufgrund des Kaugummi-­Formats der Events. Das mag im direkten Vergleich zu den bereits ­länger ­etablierten zweiwöchigen 1.000ern in Kalifornien und Florida auch mit der unterschiedlichen Position im ­Turnierkalender zusammenhängen: Während die US-Riesenevents tatsächlich den klaren Höhe- und Schlusspunkt der frühjährlichen Hartplatztour in Mittel- und Nordamerika bilden, sind Madrid und Rom – bei aller Tradition und Wertschätzung – „nur“ wichtige Vor­bereitungsstationen auf dem Weg zum eigentlichen ­großen Sandsaisonziel namens Roland Garros. Der V­ersuch der Turniere, sich im direkten Vorfeld davon künstlich zum Slam-ähnlichen Scheinriesen aufzu­pumpen, wird durchschaut und stößt bei vielen Tennisliebhabern auf Ablehnung. 

Masters-Events: Schwach zu Beginn und am Ende

Was zudem diese „verlängerten 1.000er“ ­unabhängig von ihrem Standort im Kalender gemeinsam haben: Sie schwächeln zu Beginn und am Ende. Der Start ­erfolgt nämlich mit einem Nachteil, den die vier großen Grand Slam-Vorbilder, an deren Wertigkeit man so gerne heranrücken möchte, nicht haben: Eine erste Runde ohne ­Starpower, weil die besten Profis Freilose bekommen. Es ist die große Chance für Spieler jenseits der ­Setzlisten, die eine komplette Masters-Runde unter sich aus­machen. ­

Stadiontribünen und ­Streamingplattformen lassen sich damit aber nur moderat füllen. Die erste Runde mutet eher wie eine weitere Qualifikationsrunde an, bevor es dann erst am Wochenende so richtig mit dem Hauptfeld losgeht. Danach gibt es zugegebener­maßen ein paar vollgepackte Tage mit mehr als nur einem Hauch von Slam-Feeling. Richtung Finalwochenende gehen den Kaugummi-Turnieren dann aber die Luft und die Matches aus.

Nur zwei Gewinnsätze bei den Herren, dazu Day- und Night-Sessions, die gefüllt werden ­müssen: Oftmals gibt es stundenlangen Leerlauf, der durch ­„kreative“ und verwirrende Ansetzungen kaschiert ­werden soll, die auch noch den letzten vermeintlichen Vorteil des Formats, die spielfreien Regenerationstage für die Spieler, zunichtemachen. Wir hätten nicht geglaubt, das einmal in Bezug auf unseren Lieblingssport zu schreiben – aber: Vielleicht ist auch beim Tennis manchmal weniger doch mehr.