Jakob Schnaitter und Mark Wallner (r). Foto: Frank Molter

Guter Grund zum Abklatschen: Bei ihrem ersten Auftritt auf ATP 500er-Ebene in Hamburg schlugen Schnaitter/Wallner die indische Paarung Bopanna/Balaji – ihr größter Sieg bislang. Bild: Frank Molter

Deutsches Doppel Schnaitter/Wallner: Das nächste Power-Paar

Elf deutsche Doppelspieler standen Anfang August in den Top 100 – Rekord! Das neueste Duo bilden Jakob Schnaitter und Mark Wallner. Ihr Aufstieg steht exemplarisch für das aktuelle deutsche Doppelhoch.

Der M1-Court am ­Hamburger Rothenbaum ist picke­packevoll, aber nur die wenigsten Fans wissen, wem sie da eigentlich genau zuschauen. Auf dem Hauptplatz des Traditionsturniers findet gerade kein Einzel statt, also strömen die Besucher auf die Tribüne des kleinen ­Nebenplatzes, weil da „irgendein deutsches Doppel“ angesetzt ist, wie es ein Junge seinem verdutzten Vater im Vorbeigehen erklärt. Man kann es ihm nicht übelnehmen, denn das deutsche Doppel auf dem M1-er ist eine neue Formation, die in den letzten Monaten wie aus dem Nichts nach oben geschossen ist. Es sind Jakob ­Schnaitter, 28, und Mark Wallner, 25, die 2024 schon vier Challengertitel gemeinsam gewannen und nun dem Hamburger Publikum eine energiegeladene Performance vom Allerfeinsten präsentieren.

Schnaitter/Wallner schlagen die Nummer 1 im Doppel

Schnaitter/Wallner schlagen das ­indische Duo Bopanna/Balaji mit 6:1, 6:4. Nur zur Erinnerung: Rohan Bopanna war zu Beginn des Jahres die Nummer eins der Doppel-Weltrangliste. Die deutschen Fans sind schnell verzückt. „Krass, was die hier abliefern“, hört man aus den Zuschauerreihen. „Es war für uns keine außergewöhn­liche Leistung. Sicher, wir haben gut gespielt, aber wir hatten eine klare ­Taktik. Nämlich eher über Bopannas ­Partner gehen. Daran haben wir uns strikt ge­halten“, erzählen die beiden einen Tag später. In dem Gespräch mit tennis MAGAZIN wird schnell klar: Die Jungs aus Bayern meinen es verdammt ernst mit ihren Doppelambitionen.

Ihre Werdegänge sind mittlerweile typisch in der deutschen Doppelszene. Schnaitter hatte, wie er selbst sagt, seine „Prime-Time mit zwölf Jahren, danach war ich ganz okay, aber kein Top-Junior.“ Er lebte und trainierte viele Jahre an der Tennis-Base des Bayerischen Tennis-Verbandes. Nach dem Abitur ging er in die USA, spielte Collegetennis und machte seinen Master in „Communication“. Ein Tattoo auf seinem rechten Oberarm mit der Zahl 113 erinnert an diese Zeit: „Das war die ­Zimmernummer an meinem ersten College.“ Zurück in Deutschland versuchte er, sich im ­Einzel durchzuschlagen und wurde 2022 sogar Deutscher Herrenmeister.

2023 aber merkte Schnaitter, dass er im Einzel nicht so vorankommt, wie er es sich vorgenommen hatte. Auf der ITF-Tour, der untersten Profiebene, räumte er dagegen reihenweise Doppeltitel ab. An dieser Stelle kommt nun Mark Wallner ins Spiel. Als Junior war Wallner ein Nobody. „Ich war nie in irgendeiner Förderung. Nur mit 15 durfte ich einmal pro Woche an einem erweiterten Kadertraining mit dem jüngeren Jahrgang teilnehmen“, erinnert er sich. Er ließ sich aber nicht von dem Traum Tennisprofi abbringen und wählte seinen eigenen Weg.

In der zehnten Klasse machte Wallner ein Auslandsjahr in Florida, USA. Dort, erzählt er, hätte es ihm so gut gefallen, dass er nicht mehr nach Deutschland zurückkam und seinen Schulabschluss in den USA machte: „Ich konnte in der Zeit an einer Tennis-Akademie trainieren und gleichzeitig meine Schule zu Ende bringen – das war für mich ideal.“ Im Hinterkopf hatte er stets den Gedanken, nach der Schule an ein College zu gehen, um dort für ein Tennisteam aufzulaufen. „Meine ­Chancen, in ein Collegeteam zu kommen, waren besser, wenn ich gleich in den USA blieb, als wieder in die ­Heimat zu gehen.“

Schnaitter/Wallner als Trainingspartner beim TC Ismaning

Sein Plan ging auf. Wallner blühte am ­College als Tennisspieler auf und machte seinen Master in „Management and Human Resources“. Bei seiner Rückkehr nach Deutschland landete er beim TC Ismaning bei München – dem Verein, in dem Jakob Schnaitter bereits regelmäßig trainierte. Die beiden lernen sich kennen, ­werden Freunde und merken schnell, dass sie als Doppelpaar gut zusammenpassen.

Schnaitter/Wallner

Bayern-Buben: Mark Wallner (li.) und Jakob Schnaitter (re.) stammen aus Süddeutschland und spielen seit Beginn der Saison fest als Doppel zusammen – mit Erfolg.Bild: Frank Molter

Mark Meigel, ehemaliger ATP-Profi, der es in die Top 500 schaffte, führt ­Schnaitter und Wallner schließlich zusammen. Er leitet als Coach die Trainingsgruppe beim TC Ismaning und „hatte die Idee schon ­länger im Kopf“, die beiden als festes Doppel auf die Tour zu schicken. Dass sie sich dann aber in sieben ­Monaten vom ITF-Level in die Top 100 der Doppel-Weltrangliste spielen, hat auch Meigel überrascht: „Das kommt nicht oft vor und zeigt vor allem, dass sich harte Arbeit auszahlt.“

Mit ihrem Einzug in die Top 100 ­sorgten Schnaitter und Wallner für einen neuen Rekord im deutschen Herrentennis. Anfang August standen mit elf Spielern so viele Deutsche wie noch nie in den Top 100 der Doppel-Weltrangliste. Der bisherige Bestwert lag bei neun Top 100-Spielern. Aktuell sind zehn deutsche Profis in den Doppel-Top 100 vertreten. Nur Alexander Zverev rutschte seit dem Rekordwert im August etwas ab.

Deutsches Doppelhoch mit Schnaitter/Wallner

Zehn deutsche Profis stehen aktuell in den Top 100; im August waren es sogar elf.

15.Kevin Krawietz
15.Tim Pütz
49.Constantin Frantzen
49.Hendrik Jebens
56.Andreas Mies
83.Yannick Hanfmann
84.Jakob Schnaitter
85.Mark Wallner
89.Dominik Koepfer
93.Andre Begemann

„Ich glaube, dass diese tolle Anzahl stark mit den Erfolgen von Kevin Krawietz und Andreas Mies zusammenhängt. Da haben einige deutsche Spieler, die es im Einzel vielleicht nicht geschafft haben, gesehen, dass man trotzdem noch eine erstklassige Doppelkarriere hinlegen kann“, vermutet Bundestrainer Michael Kohlmann. Er sieht aber auch noch weitere Faktoren, die eine Rolle spielen: „Bei vielen Spielern ist es einfach die Liebe zum Sport. Und: Aktuell sind viele deutsche Doppelteams so erfolgreich, weil sie sich gegen­seitig zu Bestleistungen antreiben.“

Was auffällt: Von den aktuell zehn deutschen Top 100-Doppelspielern waren insgesamt neun an einem US-College. Die einzigen ­Ausnahmen ist Kevin Krawietz. „Was das College insbesondere für Doppelspieler so wertvoll macht, ist vor allem die charakterliche Prägung“, betont Coach Mark Meigel. Als Wallner/Schnaitter bei ihm anfingen, fiel ihm gleich die positive Einstellung und die große Lust zur Weiterentwicklung auf. Gleichzeitig stellte er aber auch fest, dass es spielerisch noch eine Menge zu optimieren gab. „Grundsätzlich bringen sie von Natur aus schon sehr viel mit, um es als Doppel weit zu bringen“, ergänzt er.

Schnaitter/Wallner: „Bringen Energie und Power auf den Platz“

Wallner, knapp zwei Meter groß, ist ein monströser Aufschläger, der auch sonst eine Menge Wucht in seine Schläge legen kann. Schnaitter ist dagegen der bessere Returnspieler, der mit viel Touch vorne am Netz spektakuläre Volley wegfischt. Das, was man im Doppeljargon als „schnelle Hände“ bezeichnet, lässt sich bei ihm wunderbar bestaunen. „Beide Jungs sind ­fleißig, loyal, demütig und vor allem nachgiebig. Das ist im Profi­tennis eher selten, aber Mark und Jakob können ihr eigenes Ego zurückstellen und sich optimal in den jeweils anderen hineinversetzen. Dadurch schaffen sie es, sich gegenseitig aus einem Leistungsloch während einer Partie herauszu­holen“, schwärmt Meigel.

Schnaitter/Wallner schätzen sich selbst als ein Doppel ein, „das viel Energie und Power auf dem Platz entwickeln kann“. Das sei in einigen Matches schon die halbe Miete, denn dann werde man regelrecht von der Euphorie getragen. Die Schwierigkeit besteht allerdings darin, nicht zu überdrehen und das Level so zu halten, dass es die beiden zum Sieg führt.

Doch allein durch gegen­seitiges Pushen wären sie nicht da, wo sie jetzt sind. Wenn beide im TC Ismaning bei Coach Meigel sind, spulen sie ein ordentliches Trainingsprogramm ab. Das, betont Meigel, könne mitunter größer sein als das von Einzelspielern – „einfach, weil es als Doppel­spieler nicht ganz so anstrengend ist.“ Schnaitter/Wallner investieren viel Zeit in die Basics des Doppelspiels – sprich: Aufschlag, Return, Volleys. „Das geht nur über etliche Wiederholungen“, erklärt Meigel.

Die im Match oft so vertraut wirkenden Spielzüge sind nur zum Teil einstudiert. „Hier ist die Matchpraxis der entscheidende Faktor“, sagt Meigel. Weil die beiden fast jede Woche zusammen antreten, passt die Feinabstimmung so gut. Allein 2024 spielten Schnaitter/Wallner 94 Doppelmatches (!!) auf der Tour (Challenger und ATP-Events), von denen sie 63 gewannen (Stand: 18. Oktober 2024). Aktuell haben sie beim ATP-Turnier in Almaty, Kasachstan, erstmals ein Halbfinale auf ATP-Level erreicht. Dort treffen sie am morgigen Samstag auf die indische Kombination Bollipalli/Kadhe. Die Chancen stehen gut, dass Schnaitter/Wallner sogar in ihr erstes ATP-Finale einziehen, nachdem sie 2024 in Hamburg und Umag jeweils im Viertelfinale scheiterten.

Natürlich stellen sich auch ­Schnaitter/Wallner oft in der auf der Doppeltour mittler­weile gängigen I-Formation auf. Bei eigenem Service kniet der Netzspieler in der Mitte des Netzes und sagt an, wohin der Aufschläger servieren soll und in welche Richtung er selbst läuft. Das Ziel: Chaos beim Returnspieler stiften. „Es geht um eine große Variabilität: Der Gegner darf nie wissen, was wir als nächstes machen“, erklären sie beim Gespräch in Hamburg.

Schnaitter/Wallner im „Doubles Race“ auf Rang 26

Wie weit können sie es damit noch bringen? „Wir sehen eine realistische Chance, es in die Weltspitze zu schaffen.“ Coach Meigel sieht es ähnlich: „Die Top 30 traue ich ihnen zu.“ Das sind die ­Regionen, in denen man als Doppelprofi so viel Preisgeld verdient, dass die Tour kein Zuschussgeschäft mehr ist. Kurzfristiges Ziel aber sind die Grand Slam-Felder. Dafür ist eine Platzierung in den Top 70 nötig. „Das Zeug dazu haben sie“, glaubt ­Bundestrainer Kohlmann. ­Constantin Frantzen und ­Hendrik Jebens, das andere deutsche Newcomer-Doppel, haben das bereits geschafft und erreichten in Wimbledon sogar das Viertelfinale. „Sie sind eine Inspiration für uns“, sagen Schnaitter/Wallner.

Im aktuellen „Doubles-Race“, also der Jahresbestenliste für Doppelteams, stehen Schnaitter/Wallner schon auf Rang 26. Constantin Frantzen und ­Hendrik Jebens, gegen die sie 2024 zweimal antreten mussten (1 Sieg, 1 Niederlage) belegen Platz 19. Sie sind ihren Vorbildern also schon dicht auf den Fersen. Kevin Krawietz und Tim Pütz, Deutschlands Spitzenduo, nehmen Position sechs ein und haben gute Aussichten, sich für die ATP-Finals im Doppel zu qualifizieren.

Für 2025 bedeutet das: Drei feste deutsche Duos werden in den Doppelkonkurrenzen auf der ATP-Tour sicherlich einige Akzente setzen. Und Schnaitter/Wallner, die man im deutschen Tennissommer 2024 noch kaum kannte, wird eins von ihnen sein.

Schnaitter/Wallner

Treffen am Hamburger Rothenbaum: Jakob Schnaitter (Mi.) und Mark Wallner (re.) im Gespräch mit tM-Redakteur Tim Böseler (li.).Bild: Frank Molter

Schnaitter/Wallner: Alle Infos zum deutschen Doppel

Mark Wallner
Alter: 25 (20. Juli 1999)
Geburtsort: München
Aktueller Verein: TC Ismaning (2. BL)
Studien-Abschlussam US-College: Management & Human Resources an der University of Tennessee
Größte Erfolge: 4 Challenger-Titel im Doppel, 7 ITF-Doppeltitel
Höchstes Einzel-Ranking: 1.095 (1. April 2024)
Höchstes Doppel-Ranking: 85 (14. Oktober 2024)
Preisgeld: 61.771 US-Dollar

Jakob Schnaitter
Alter: 28 (7. März 1996)
Geburtsort: Wasserburg am Inn
Aktueller Verein: TC Bad Vilbel (2. BL)
Studien-Abschluss am US-College: Master of Communication an der Wake Forest University
Größte Erfolge: Deutscher Meister im Einzel 2022, 4 Challenger-Titel im ­Doppel, 10 ITF-Doppeltitel
Höchstes Einzel-Ranking: 686 (11. Juni 2023)
Höchstes Doppel-Ranking: 84 (14. Oktober 2024)
Preisgeld: 78.820 US-Dollar