Australian Open im Gaming-Look: Wieso die Profis zu Avataren auf YouTube werden
Die Australian Open sorgen auf YouTube für Furore, weil sie dort Live-Matches der Stars im Gaming-Look zeigen. Aber warum machen das die Veranstalter überhaupt?
Es ruckelt ab und zu ein wenig, manchmal ist auch der Schläger futsch und der Ball ist viel zu groß. Und wenn die Kamera nah auf einen Profi zoomt, sehen die Hände seltsam starr aus und das Racket baumelt merkwürdig am Handgelenk. Nicht alles ist perfekt auf den YouTube-Live-Streaming-Kanälen der Australian Open. Und dennoch: Dass dort die Matches aus Melbourne in einem Gaming-Look gestreamt werden und die Profis dabei als Avatare mit überdimensionierten Köpfen und Comicfiguren-Körpern gezeigt werden, findet im Web großen Anklang.
— Out of Context Iga Świątek (@SwiatekOOC) January 13, 2025
Australian Open zeigen Live-Tennis mit Comicfiguren
Ja, Sie haben das gerade richtig gelesen: Die Australian Open zeigen auf ihrem YouTube-Channel zwar etliche Matches live, aber man sieht dabei nicht die echten Spieler und Spielerinnen, sondern eben deren comicartige Stellvertreter. Die Stars ähneln rein optisch dann jenen Figuren aus dem populären Videospiel „Wii Sport“. Der Clou: Die Bewegungen der animierten Profis entsprechen komplett den realen Vorbildern – und das in Echtzeit. Bewegungserfassung mit zwölf Kameras und künstliche Intelligenz machen es möglich, dass die Partien wie ein Videospiel anmuten. Weil die Veranstaltern zu den Matches im Gaming-Look den Original-Kommentar und den echten Sound vom Court sekundengenau einspielen, erschaffen sie eine fast perfekte virtuelle Tenniswelt. Wer sich ein wenig auf die lustigen Figuren einlässt und dazu den Ton auf sich wirken lässt, erlebt Live-Tennis auf eine komplett neue Art und Weise.
Die Technologie feierte ihre Premiere bereits 2024 und die Zuschauerzahlen erreichten ihren Höhepunkt beim Herren-Finale zwischen Jannik Sinner und Daniil Medvedev. Dessen Aufzeichnung auf YouTube wurde inzwischen fast 800.000-mal angesehen. Allerdings wurden 2024 noch nicht so viele Matches im Gaming-Look gestreamt. 2025 wurde das Angebot ausgeweitet und das Interesse soll nach Angaben von Tennis Australia, dem australischen Tennisverband, enorm angestiegen sein. So sollen die Partien etwa viermal so viele Zuschauer anziehen wie zur gleichen Zeit im vergangenen Jahr.
Der Innovationsdirektor von Tennis Australia, Machar Reid, sagte dem Guardian, die Technologie sei zwar noch lange nicht ausgereift, entwickle sich aber schnell weiter. „Die Verfolgung der Gliedmaßen ist komplex, wir haben zwölf Kameras, die versuchen, die Silhouette der Profis in Echtzeit zu verarbeiten und das über 29 Punkte im Skelett zusammenzufügen“, erklärt Reid. „Es ist nicht so nahtlos, wie es sein könnte – wir haben zum Beispiel keine Finger – aber mit der Zeit kann man sich eine Welt vorstellen, in der das alles möglich sein wird.“
Daniil Medvedev in AO Animated is hilarious 😂 pic.twitter.com/ivcYAST67E
— Bastien Fachan (@BastienFachan) January 14, 2025
Der technische Ablauf ist komplex. Die getrackten Daten vom Court werden in ein System eingespeist, das die grafische Darstellung mit einer Verzögerung von rund zwei Minuten erzeugen kann. Der gleiche Kommentar und die Geräusche des Stadions, die sonst im Fernsehen zu hören sind, sowie die Einblendungen direkt aus der Übertragung werden mit der virtuellen Darstellung des Spiels synchronisiert.
Australian Open: Warum der ganze Aufwand?
Aber warum betreibt Tennis Australia diesen immensen Aufwand? Der Hauptgrund: Natürlich hat der Verband die Streamingrechte für die Australian Open für gutes Geld in aller Welt verkauft und darf deswegen nicht die Originalbilder über seine eigenen Kanäle laufen lassen. Mit den tennisspielenden Comicfiguren, die den echten Stars zum Teil nicht immer ähnlich sehen, umgeht Tennis Australia diese Hürde. Jeder kann kostenfrei die Partien aus Melbourne auf YouTube verfolgen – nur eben im Gaming-Look.
In Deutschland liegen die TV- und Streamingrechte für die Australian Open bei Eurosport/Discovery. Viele Begegnungen sind zwar im Free-TV zu sehen, wer aber das komplette Geschehen verfolgen will, muss ein Abo abschließen. In den meisten anderen Ländern hingegen liegen alle Live-Übertragungen aus Melbourne hinter der Bezahlschranke. Gerade dort sind die Comic-Matches eine tatsächliche Alternative.
Es gibt aber noch einen weiteren Grund für dieses virtuelle Angebot: Tennis Australia will damit neue Zielgruppen erschließen. Der Verband erklärte gegenüber der BBC, das Ziel sei es, „eine neue Generation von Tennisfans zu begeistern und den Sport zugänglicher und ansprechender zu machen, insbesondere für Kinder und Familien“. Zudem erhofft man sich, die Gaming-Community zu erreichen. „Für Menschen, die sich mit animierten oder virtuellen Produkten oder Spielen beschäftigen, wollen wir interessant werden. Es gibt eine unmittelbare Verschmelzung beider Welten, und das ist instinktiv der Punkt, an dem wir unser Angebot im Moment positionieren“, erklärt Machar Reid von Tennis Australia.
Australian Open als Pioniere im virtuellen Feld
Die Australier sind mit ihrem Technologie-Vorstoß mal wieder Pioniere – zumindest im Tennisbereich. In anderen Sportarten geht man indes ähnliche Wege. Im Dezember 2024 zeigte etwa die National Football League (NFL) in Zusammenarbeit mit Disney+ und ESPN+ ein animiertes Echtzeitspiel zwischen den Cincinnati Bengals und den Dallas Cowboys. Die Spieler wurden in der Begegnung zu Figuren aus den Simpsons umgewandelt. Auch die National Hockey League (NHL) ließ schon ein Spiel übertragen, in dem die Athleten aussehen wie die Figuren aus der Disney Channel-Zeichentrickserie „Big City Greens“.
Die Australian Open werden das Projekt weiter vorantreiben und Chefentwickler Machar Reid hofft darauf, dass die etablierten TV-Stationen die Technologie neben der echten Live-Action eines Tages einsetzen werden. „Wir versuchen immer, das Erlebnis der Fans zu verbessern, sei es vor Ort oder zu Hause“, sagt Reid. „Hier ist nun ein Weg, um die Inhalte der Übertragungen auf verschiedene Weise zu personalisieren und ein anderes Angebot zu präsentieren, von dem wir uns letztendlich erhoffen, dass es die Sender übernehmen werden.“