Eva Lys

Nicht zu fassen: Eva Lys steht bei den Australian Open als Lucky Loser im Achtelfinale. ©Imago/Schreyer

Eva Lys: „Diese Tage haben mein Leben komplett verändert”

Eva Lys schreibt Turniergeschichte bei den Australian Open und zieht in Melbourne als erster Lucky Loser bei den Damen ins Achtelfinale ein.

Manchmal kommt alles anders als erwartet. Und manchmal geschehen Dinge schneller als gedacht. Eva Lys schreibt die schönste Feel-Good-Story bei den diesjährigen Australian Open und nebenbei auch noch Turniergeschichte. Die 23-jährige Deutsche steht als Lucky Loser in Melbourne im Achtelfinale. Das gab es in der Damenkonkurrenz bei den Australian Open noch nie. Auf Grand-Slam-Niveau ist Lys die sechste Spielerin, die als Lucky Loser ins Achtelfinale vorstieß.

„Das fühlt sich noch surreal an für mich. Das ist eine unglaubliche Situation, in der ich bin, wenn man bedenkt, dass ich ein Lucky Loser bin. Ich habe ein Bild von mir gesehen vom Tag, an dem ich ins Hauptfeld kam. Ich habe geschlafen, ich habe nur versucht, mir die Zeit auf der Anlage zu vertreiben. Ich habe mich auf meinen Flug am nächsten Tag vorbereitet. Das ist definitiv eine verrückte Geschichte, wie das passiert und wie schnell das vor allem geschehen ist. Das ist erst ein paar Tage her. Diese Tage haben mein Leben komplett verändert“, sagte Lys über ihren märchenhaften Lauf in Melbourne.

Nächste Flugumbuchung für Eva Lys

Am Donnerstag, den 9. Januar, schied Lys im Quali-Finale knapp in drei Sätzen aus. Die Hamburgerin blieb in Melbourne, nicht nur um ihren 23. Geburtstag am 12. Januar zu feiern, sondern auch, weil sie in der Liste der Lucky Loser auf Platz drei stand. Am Dienstag, den 14. Januar, am letzten der drei Spieltage der ersten Runde schlug das Schicksal zu. Lys erfuhr fünf Minuten vor Matchbeginn gegen die Australierin Kimberly Birrell, dass sie als Lucky Loser für Anna Kalinskaya ins Hauptfeld rutschen wurde. Kein Warm-up, kein Essen, kein Gar nichts vor dem Match.

Lys spielte schließlich eines der besten Matches ihrer Karriere, in dem sie Birrell mit 6:2, 6:2 besiegte. Es war der Beginn einer märchenhaften Reise der Deutschen, die inzwischen bis zum Achtelfinale weitergeht. „Wir haben den Flug auf morgen umgebucht. Wir haben einfach ein Datum ausgewählt und gedacht: ‚Okay, Sonntag ist einige Tage entfernt. Dann nehmen wir Sonntag.‘ Ich bin froh, dass ich das Flugdatum nun ändern muss“, sagte Lys, die sich in Melbourne selbst überrascht und mit der erneuten Flugumbuchung ein Luxusproblem hat.

Eva Lys: Erstmals Top 100

Der Einzug ins Achtelfinale bringt der 23-Jährigen nicht nur 420.000 Australische Dollar, sondern nach den Australian Open den erstmaligen Einzug in die Top 100 (Live-Ranking: Platz 91). Eine Schallmauer für Lys, an der sie in den letzten Jahren immer knapp gescheitert war. „Ich hatte zu kämpfen, umso näher ich den Top 100 und großen Turnieren kam. Letztendlich wusste ich immer, dass ich das Niveau habe, aber ich habe mir immer zu viel Druck gemacht. Ich wusste stets, was auf dem Spiel steht. Ich wollte es immer unbedingt. Das war immer der Grund, warum ich nie gewinnen konnte. Ich erinnere mich an meine ersten Australian Open vor zwei Jahren. Ich habe es durch die Quali geschafft. Dann in der ersten Runde gegen Cristina Bucsa habe ich im ersten Satz so gut gespielt. Im zweiten Satz schoss mir durch den Kopf, wie viele Punkte ich mit einem Sieg machen würde und wie meine Ranglistenposition sein würde. Ich habe dann den zweiten Satz 6:0 verloren. Manchmal ist mein Kopf viel weiter voraus als mein Spiel. In den letzten zwölf Monaten ist die größte Sache, die ich gelernt habe, einfach drauf los zu spielen. Umso mehr ich denke, umso schlechter spiele ich. Die Lucky-Loser-Position hat mir definitiv geholfen. Manchmal braucht es nur eine zweite Chance“, sagte sie über den Meilenstein in ihrer Karriere.

Im März letzten Jahres machte Lys in den Sozialen Medien ihre Autoimmunkrankheit Spondyloarthritis (Symptome: Kreuzschmerzen, Erschöpfung) öffentlich, die im Jahr 2020 direkt nach ihrem ersten Profi­titel diagnostiziert wurde. Ihre entzündlich-rheumatische Erkrankung ist auch eine Erklärung dafür, warum es die talentierte Hamburgerin trotz immensen Trainingseifers und guter Resultate nicht in die Top 100 geschafft hatte – bis zu diesen Australian Open. „Meine Krankheit ist Teil meines Lebens. Ich muss immer vorsichtig sein und mich um meinen Körper kümmern. Ich muss gut essen und und mich gut regenieren, um in Form zu bleiben. Es ist etwas, was mich auch die nächsten Jahre begleiten wird. Aber derzeit habe ich es unter Kontrolle. Heute habe ich im dritten Satz mein bestes Tennis gespielt. Daher bin ich sehr glücklich, wie ich es geschafft habe, meinen Körper in einen stabileren Zustand zu bekommen“, sagte Lys über ihre Autoimmunerkrankung.

Warme Temperaturen helfen Lys

Mit ihrer Familie, ihren Eltern Maria und Vladimir, gleichzeitig ihr Trainer, sowie ihrer jüngeren Schwester Bella (9 Jahre), reiste Lys bereits einige Tage vor Weihnachten nach Australien, um sich zu akklimatisieren. „Die warmen Temperaturen tun meinem Körper sehr gut. Das war auch die Idee, dass wir so früh nach Australien gereist sind. Ich habe immer sehr große Schwierigkeiten im Hamburger Winter. Dadurch dass mein Immunsystem runterfährt, werde ich immer wieder krank. Daher versuchen wir generell, bei Turnieren mit wärmeren Temperaturen einige Tage früh anzureisen“, sagte sie.

Lys bekommt im Achtelfinale nun das große Spiel: ein Duell mit der langjährigen ehemaligen Weltranglistenersten Iga Swiatek, die bei den Australian Open bislang einen bärenstarken Eindruck macht. „Ich werde für Iga keine leichte Gegnerin sein. Ich weiß, dass ich von ihr nicht unterschätzt werde. Ich werde meine Chancen bekommen. Wenn ich Spaß auf dem Platz habe, weiß ich, dass ich eine sehr gefährliche Spielerin bin. Ich genieße den Moment“, blickte Lys auf das Duell mit Swiatek voraus. Im bisher einzigen Vergleich siegte Swiatek im Jahr 2022 in der zweiten Runde beim WTA-Turnier in Stuttgart auf Sand mit 6:1, 6:1. Das Achtelfinale bei den Australian Open wird allerdings unter völlig anderen Vorzeichen gespielt.