Zverev im Halbfinale der Australian Open: „Hätte 0:2-Sätze zurückliegen müssen!“
Alexander Zverev steht nach einem umkämpften Sieg gegen Tommy Paul zum dritten Mal im Halbfinale der Australian Open. War das nun die wegweisende Partie, um seinen ersten Grand Slam-Titel zu holen?
Zwei Wochen, sieben Siege: Der Weg zu einem Grand Slam-Titel ist lang, mitunter sehr lang. Die wenigsten Titelträger dieser Mammutevents spielen vom ersten bis zum letzten Match durchgehend auf einem Level. Es gibt selbst bei den Top-Athleten diese Leistungsschwankungen, die vom Match-Up, von der Ansetzung, vom Wetter, von der Physis und von vielen anderen Faktoren abhängig sind. Was auffällt: Häufig gibt es dieses eine Match, in dem der Favorit nicht überragend spielt, sich aber irgendwie durchwurschtelt, um am Ende, nach den zwei Wochen, den begehrten Pokal in den Himmel zu stemmen.
Novak Djokovic hat in der jüngeren Grand Slam-Geschichte häufig mal einen 0:2-Satzrückstand in den ersten Runden eines Majors aufgeholt, um letztlich das Turnier zu gewinnen. Längst legendär: Wie Boris Becker bei den US Open 1989 in der zweiten Runde gegen Derrick Rostagno kurz vor dem Aus stand und im Tiebreak des vierten Satzes zwei Matchbälle abwehrte – einen mit Hilfe der Netzkante. Zehn Tage später gewann er den US-Open-Titel. Es muss aber gar nicht immer so super-spektakulär laufen. Manchmal reicht es eben auch, einen Sieg einzufahren, bei dem man am Ende gar nicht so richtig weiß, wie der denn nun zu Stande kam.
Sascha Surges On ⚡️
Alexander Zverev advances to his third AO semifinal following a 7-6(1) 7-6(0) 2-6 6-1 win over Tommy Paul! 🇩🇪@wwos • @espn • @eurosport • @wowowtennis • #AusOpen • #AO2025 pic.twitter.com/PM7hKQ4f6j
— #AusOpen (@AustralianOpen) January 21, 2025
Zverev nicht auf Top-Level, Gegner Paul schon
So gesehen sollte es Alexander Zverev Hoffnung machen, dass er dieses eine Match bei den Australian Open hatte, bei dem er nicht auf seinem Top-Level agierte, sein Gegner Tommy Paul hingegen – zumindest größtenteils – schon, und das er schließlich scheinbar easy in vier Sätzen gewann: 7:6, 7:6, 2:6, 6:1. Doch die Partie war nicht einfach. In den ersten beiden Durchgängen war Paul der bessere Spieler. Durchgang eins: Paul breakt zum 6:5, hat kurz darauf Satzball bei eigenem Service – und macht drei Fehler in Folge. Den anschließenden Tiebreak gewinnt Zverev klar mir 7:1. Durchgang zwei: Gleich zu Beginn ein Break für Paul, das er durch den Satz transportiert. Bei 5:3 serviert er zum Satzgewinn – und gibt sein Aufschlagspiel zu null ab. Bei 5:4 hat Paul Breakball, also Satzball, kann ihn aber nicht nutzen. Im Tie-Break macht er keinen einzigen Punkt. Verrückt!
„Ich weiß wirklich nicht, wie ich diese Partie gewonnen habe; ich hätte 0:2 Sätze zurückliegen müssen! Paul hat famos gespielt, ich nicht so toll – aber irgendwie habe ich die beiden Sätze geklaut und brauchte dann nur noch einen Durchgang zum Sieg. Keine Ahnung, aber ich bin jetzt irgendwie im Halbfinale“, sagte Zverev, der nun zum dritten Mal zu den letzten Vier von Melbourne gehört (nach 2020 und 2024). Mit seiner Einschätzung traf der Deutsche voll ins Schwarze. „Ich brauchte nach den ersten beiden Sätzen eben nur noch diesen einen Satz, und im vierten habe ich dann auch gut gespielt“, so Zverev.
Halbfinal-Teilnahmen deutscher Herren bei den Australian Open
Zverev | 3x | 2020, 2024, 2025 |
Haas | 3x | 1999, 2002, 2007 |
Becker | 2x | 1991 (S), 1996 (S) |
Kiefer | 1x | 2006 |
Schüttler | 1x | 2003 (F) |
Stich | 1x | 1993 |
Meiler | 1x | 1973 |
Tommy Paul indes haderte verständlicherweise mit den vergebenen Chancen: „Diese beiden Sätze musst du gewinnen gegen die Nummer zwei der Welt; irgendwann schaust du zur Anzeigetafel und siehst neben dem Ergebnis auch noch: 40 leichte Fehler. Das macht dich natürlich fertig.“ Kleiner Trost für den US-Amerikaner: Er wird nach den Australian Open erstmals zu den Top Ten der Weltrangliste gehören.
Zverev when asked to give his thoughts on Carlos Alcaraz vs Novak Djokovic match at Australian Open
“Absolutely. Boring matchup. No reason of staying here after you just witnessed Zverev vs Paul” 😂
— The Tennis Letter (@TheTennisLetter) January 21, 2025
Zverev stellte durch seinen vielleicht etwas glücklichen Sieg einen neuen deutschen Rekord auf: Er hat nun insgesamt 30 Matches in Melbourne gewonnen – so oft wie kein anderer deutscher Tennisspieler. Als Boris Becker 1996 im Finale der Australian Open Michael Chang schlug, war dies sein 29. Sieg beim Grand Slam in Down-Under. Danach spielte er noch einmal in Melbourne und verlor 1997 in der ersten Runde gegen Carlos Moya. Aber: Becker hat zweimal in Melbourne den Titel geholt. Zverev fehlen aktuell noch zwei Siege, um zumindest einmal bei den Australian Open triumphieren zu können.
Zuversicht, dass es dieses Mal mit dem ersehnten Grand Slam-Titel klappen könnte, strahlte Zverev nach seinem Viertelfinal-Sieg jedenfalls zu Genüge aus. Beim Sieger-Interview auf dem Platz scherzte er: „Geht nach Hause – besser als Zverev gegen Paul wird es nicht! Wer will da noch Djokovic gegen Alcaraz sehen?“ Dann wurde er wieder ernst und betonte: „Das sind zwei der besten Spieler, die jemals einen Schläger in der Hand hatten. Es wird ein Duell der Generationen. Bitte genießt es, es wird sicher ein großartiges Match.“ Zum Schluss wünschte er sich noch: „Ich hoffe, dass es 7:6 im fünften Satz ausgeht, egal für wen.“
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Zum Abschluss wurde Zverev noch gefragt, was es mit diesem seltsamen Abklatschen, das er mit Freundin Sophia Thomalla gerne macht, genau auf sich habe. Antwort Zverev: „Wir sind Deutsche; das ist das Coolste, was Deutsche so drauf haben.“ Angesichts seiner kurzweiligen Antworten wünscht man sich noch weitere Sieger-Interviews mit Alexander Zverev in Melbourne – im Idealfall zwei.