Tennis – Australian Open  –  Melbourne  Park – Melbourne – Victoria – Australia  – 16/01/2025.

Kevin Krawietz (vorne) und Tim Pütz (hinten) haben bei den Australian Open 2025 das Halbfinale erreicht. Bild: IMAGO / Hasenkopf

Kevin Krawietz bei den Australian Open: Chancen auf zwei historische Rekorde

Kevin Krawietz steht mit Partner Tim Pütz im Doppel-Halbfinale der Australian Open. Er hat nun gute Aussichten, neue Kapitel deutscher Tennisgeschichte zu schreiben.

Wer weiß, wie das Doppelfeld bei den Australian Open 2025 aussehen würde, wenn sich Kevin Krawietz und Tim Pütz in ihrem Zweitrundenmatch gegen Victor Cornea (Rumänien) und Mariano Navone (Argentinien) nicht aus dieser brenzligen Situation hätten befreien können. Krawietz/Pütz, die Nummern neun und zehn der aktuellen Doppel-Weltrangliste, hatten gegen die rumänisch-argentinische Zufallspaarung den ersten Satz überraschend mit 4:6 verloren. Im zweiten Durchgang stand es 1:1, Tim Pütz servierte – und lag 0:40 hinten.

Cornea, 91. im Doppelranking, und Navone, die Nummer 247, waren in zwei Ballwechseln am Drücker, um das Break zu schaffen. Dreimal ging das Service-Game über Einstand, insgesamt vier Breakbälle wehrten Krawietz/Pütz ab und gingen dann schließlich doch mit 2:1 in Führung. Danach verschob sich das Momentum. Die Deutschen kamen zu ihrem ersten Breakball überhaupt, machten den Punkt zum 3:1 und hatten wenig später den zweiten Satz mit 6:1 gewonnen. Im dritten Durchgang reichte ein Break. 4:6, 6:1, 6:4 hieß es schließlich für die aktuellen Doppel-Weltmeister, die Ende der letzten Saison bei den ATP-Finals in Turin ihren größten gemeinsamen Titel holten.

Krawietz/Pütz auch mit dem Quäntchen Glück

Ein echter Befreiungsschlag war der Sieg aber nicht. Auch in der dritten Runde gegen Gilles/Zielinski verloren Krawietz/Pütz den ersten Satz, kamen aber mit einem 6:7, 6:4, 6:4-Sieg ins Viertelfinale. Auch dort gab es einen engen Schlagabtausch ohne ein einziges Break: Gegen das englische Duo Cash/Glasspool mussten die beiden Deutschen im ersten Durchgang zwei Satzbälle abwehren und gewannen schließlich 7:6, 7:6. Sie stehen nun in ihrem dritten gemeinsamen Grand Slam-Halbfinale (nach den US Open 2024 und Wimbledon 2023).

„Wir hatten nicht viele Chancen. Beide Teams haben nicht gerade viele Punkte beim Return gemacht. So kam es zu den Tiebreaks und da gehört manchmal auch ein Quäntchen Glück dazu“, analysierte Pütz im On-Court-Interview nach dem Match. „Im ersten Satz hatten wir schon Glück, dass wir mit 11:9 gewonnen haben, dann folgte ein 7:5. Das ist so knapp. Deshalb sind wir echt happy, dass wir gewonnen haben.“

Krawietz/Pütz im Halbfinale ab 4:30 Uhr Donnerstagmorgen

Am Donnerstagmorgen nicht vor 4:30 Uhr deutscher Zeit treffen Krawietz/Pütz in der Rod Laver Arena nun auf Heliovaara/Patten, gegen die sie zu Jahresbeginn im Halbfinale von Adelaide 7:6, 7:5 gewannen. „Wir sind ziemlich glücklich mit den Ergebnissen. Wir gewinnen, auch wenn wir hier nicht immer unser bestes Tennis spielen“, sagte Krawietz der Deutschen Presse Agentur nach dem Einzug ins Halbfinale.

Sein bestes Tennis hebt sich das deutsche Erfolgsduo womöglich für den Schluss auf. Nachdem Krawietz/Pütz ihren ersten gemeinsamen Grand Slam-Titel im US Open-Finale 2024 knapp verpassten, soll es dieses Mal klappen. Darauf richtet sich der komplette Fokus der beiden. Was insbesondere Kevin Krawietz aber zusätzlich erreichen kann, hätte tennishistorische Ausmaße – zumindest in Deutschland.

Krawietz könnte nun der am höchsten platzierte deutsche Spieler in der Doppel-Weltrangliste werden. Im aktuellen Live-Doppelranking ist er das sogar schon – mit Platz vier. Kein anderer deutscher Spieler stand bislang so hoch. Die bisherige Rekordmarke liegt bei Position sechs. Dorthin schafften es Udo Riglewski (1991) und Boris Becker (1986). Um seine Live-Position zu halten und auch in der offiziellen Doppel-Weltrangliste vom kommenden Montag auf Platz vier zu stehen, ist allerdings ein Sieg im Halbfinale erforderlich. Andernfalls könnten Harri Heliovaara und Julian Patten an Krawietz vorbeiziehen.

Deutsche Herren in den Top 10 der Doppel-Weltrangliste*

SpielerHöchstes RankingJahr
Boris Becker61986
Udo Riglewski61991
Kevin Krawietz72019
Tim Pütz72022
Andreas Mies82019
Michael Stich91991
Philipp Petzschner92011
Kursiv: noch aktive Spieler
*Seit Einführung der ATP-Rankings 1973

Unter Umständen muss aber auch der Titel her, um das Ranking zu festigen. Denn auch die Italiener Simone Bolleli und Andrea Vavassori (spielen im anderen Halbfinale gegen die Außenseiter Goransson/Verbek) könnten theoretisch Krawietz noch überholen. Sollten Krawietz/Pütz aber tatsächlich in Melbourne gewinnen, würde Krawitz bis auf zehn Punkte an die aktuell Führenden der Doppel-Weltrangliste, Marcelo Arevalo und Mate Pavic, heranrücken. Kevin Krawietz hat übrigens 90 Punkte mehr im Doppel-Ranking als sein Dauerpartner Tim Pütz und steht deswegen vor ihm. Der Grund: Krawietz spielte 2024 das Turnier in Basel mit Aleksandr Nedovyesov (Niederlage im Viertelfinale), weil Pütz zu diesem Zeitpunkt einen Muskelfaserriss in der Wade auskurieren musste.

Krawietz/Pütz können Geschichte schreiben in Melbourne

Ein deutscher Doppeltitel in Melbourne wäre eine Premiere. Bislang schafften es nur Gottfried von Cramm und Henner Henkel (1938) sowie David Prinosil (2001 mit Byron Black) ins Doppelfinale der Australian Open. Falls am Ende tatsächlich der große Triumph herausspringen sollte, hätte Kevin Krawietz drei Grand Slam-Doppeltitel – nach den beiden Siegen in Roland Garros mit Andreas Mies (2019 und 2020). Krawietz wäre damit der erfolgreichste deutsche Doppelspieler auf Grand Slam-Level. Gottfried von Cramm, Henner Henkel, Philipp Petzschner und Andreas Mies kommen auf jeweils zwei Grand Slam-Titel.

In dieser Gesamtkonstellation könnte der 24. Januar 2025, der kommende Freitag also, zu einem wahren Festtag für Kevin Krawietz werden. Denn dann findet das Doppelfinale der Herren statt, Krawietz könnte gleich zwei neue Kapitel deutscher Tennisgeschichte schreiben und er wird seinen 33. Geburtstag feiern. Mehr geht ja kaum. Der Plan von Krawietz ist jedenfalls klar: „Ich muss es besser machen als letztes Jahr, da habe ich an meinem Geburtstag verloren.“