Chilean Cristian Garin and Belgian Zizou Bergs pictured during a game between Belgian Bergs and Chilean Garin, the fourt

Ungewöhnliche Szenen im belgischen Hasselt: Zizou Bergs (rotes Hemd) rannte seinen Gegner Cristian Garin beim Seitenwechsel während der Davis Cup-Partie zwischen Belgien und Chile um. Bild: IMAGO / Belga

Rempler im Davis Cup: Warum Zizou Bergs hätte disqualifiziert werden müssen

Zizou Bergs aus Belgien sorgte beim Davis Cup-Wochenende für den größten Aufreger. Sein Rempler gegen Chiles Cristian Garin hätte schärfer geahndet werden sollen.

So etwas hat man im Tennissport noch nicht gesehen: Davis Cup 2025, erste Qualifizierungsrunde, Belgien führt mit 2:1 gegen Chile und es läuft das vierte Match. Lokalmatador Zizou Bergs gelingt im dritten Satz gegen Chiles Cristian Garin ein Break zum 6:5. Bergs freut sich darüber so sehr, dass er erst hoch in die Luft springt und dann zu einem Sprint über den halben Platz ansetzt.

Dabei kommt es zu der entscheidenden Szene: Bergs eilt auf seine Bank zu, muss dabei zwischen Netzpfosten und Schiedsrichterstuhl aber seinem entgegenkommenden Gegner ausweichen, was ihm jedoch nicht gelingt. Bergs rennt Garin regelrecht über den Haufen und rammt ihm seine Schulter ins Gesicht – in unmittelbarer Nähe des Schiedsrichters Carlos Ramos.

Zizou Bergs war selbst geschockt

Bergs blickt ziemlich geschockt zum Schiedsrichter, als er sieht, wie Garin auf dem Boden liegt und sich die Hände vor das Gesicht hält. Er war aufgedreht wie eine Spielmaus und hatte seinen Gegner wohl übersehen. Oder er dachte, dass er noch an ihm vorbeispringen könnte in all der Euphorie des gerade geschafften Breaks.

Wie auch immer: Garin wurde daraufhin behandelt und medizinisch versorgt. Der Chilene kehrte nicht wieder auf den Platz zurück und erhielt drei aufeinanderfolgende Zeitstrafen, die dazu führten, dass Bergs den Satz mit 7:5 gewann und damit Belgien schließlich Chile mit 3:1 besiegte. Was für ein Matchende!

Der chilenische Verband erhob im Anschluss schwerwiegende Vorwürfe. Garin sei „von Zizou Bergs angegriffen und auf inakzeptable Weise disqualifiziert“ worden, der neutrale Arzt habe ihn zudem „nicht angemessen behandelt“. In der am Sonntagabend veröffentlichten Mitteilung kündigte der Verband zudem an, „alle relevanten Schritte beim Internationalen Tennisverband (ITF)“ einzuleiten, „um Gerechtigkeit zu erlangen und die Interessen unserer Spieler und des chilenischen Tennissports zu verteidigen“.

„Es ist schrecklich für mich, schrecklich für das Land. Garín wurde am Auge getroffen und konnte nicht weitermachen, und jetzt sind wir raus“, sagte Chiles Teamchef Nicolas Massu. Ein Sprecher des Weltverbandes ITF verteidigte den Entschluss, das Match fortzusetzen: „Wir verstehen die Emotionen, die mit diesem ungewöhnlichen Vorfall verbunden sind, aber die endgültige Entscheidung wurde nach Berücksichtigung aller Fakten und der einzigartigen Umstände getroffen.“

Garin postete nach dem Zusammenstoß ein Bild von sich bei Instagram. Darauf war zu sehen, dass seine Lippe, seine rechte Wange sowie sein rechtes Auge gerötet waren. „Cristian Garin erhielt einen starken Schlag auf den Augapfel, weshalb er stürzte und sich den Kopf stieß“, teilte der chilenische Teamarzt Alejandro Orizola mit. „Dies verursachte bei ihm eine Entzündung, Sehstörungen, Übelkeit und starke Kopfschmerzen, obwohl er zu keinem Zeitpunkt das Bewusstsein verlor. Er war nicht in der Lage, weiterzuspielen.“

Zizou Bergs: „Natürlich war es mein Fehler“

Bergs hingegen beteuerte seine Unschuld. „Es war nie meine Absicht, meinen Gegner zu verletzen“, sagte der 25-Jährige, der auf Rang 60 der Weltrangliste steht. „Ich will wegspringen, aber es ist zu spät und ich treffe ihn“, räumte der Belgier ein. Er gab zu, selbst eine Disqualifikation befürchtet zu haben. Es blieb aber bei einer Verwarnung für unsportliches Verhalten. Berg: „Natürlich war es mein Fehler, aber ich glaube schon, dass er (Gegner Garin, Anm. d. Red.) es übertrieben hat.“

Der entscheidende Punkt dabei: Es spielt im Regelwerk eigentlich keine Rolle, ob eine regelwidrige Aktion nun absichtlich oder unabsichtlich erfolgt ist. Das berühmteste Beispiel dafür ist die Disqualifikation von Novak Djokovic bei den US Open 2020, als er aus Wut unabsichtlich eine Linienrichterin abschoss.

Damals wurde die Disqualifikation vom deutschen US Open-Oberschiedsrichter Sören Friemel unter anderem so begründet: „Die Absicht wird miteinbezogen, aber vor allem gibt es zwei Faktoren: die Handlung und das Resultat. Und die Handlung – selbst ohne Absicht – mit dem Ergebnis, dass jemand verletzt wird, ist in diesem Entscheidungsprozess der wesentliche Faktor.“

2023 wurde in Roland Garros das Damen-Doppel Miyu Kato/Aldila Sutjadi disqualifiziert. Der Grund: Kato hatte einen Ball in Richtung eines Ballmädchens gelupft, das aber nicht reagierte und am Oberarm getroffen wurde. Der Supervisor schmiss das japanische Duo schließlich aus dem Wettbewerb.

Legt man diese Regelauslegung zu Grunde, dann hätte Zizou Bergs disqualifiziert werden müssen. Sowohl bei den Grand Slam-Turnieren als auch beim Davis Cup greift das Regelwerk des Tennis-Weltverbandes ITF.

Zizou Bergs hätte disqualifiziert werden müssen

Darin heißt es: „Spieler dürfen zu keiner Zeit einen Offiziellen, einen Gegner, einen Zuschauer oder eine andere Person im Bereich des Turniergeländes physisch verletzen. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift soll eine Strafe von bis zu 20.000 Dollar pro Verstoß nach sich ziehen.“ Und weiter: „Der Schiedsrichter kann (…) einen Ausschluss aufgrund eines einzelnen Verstoßes gegen diesen Kodex (…) aussprechen.“

Warum dieser Ausschluss gegenüber Zizou Bergs in diesem Fall nicht ausgesprochen wurde, liegt wohl daran, dass ein unabhängiger Arzt von der ITF zu der Diagnose kam, Garin habe sich nach dem Unfall in der Verfassung befunden, um die Partie gegen Bergs zu beenden. Die ITF spricht von einem „unbeabsichtigten Zusammenstoß“. Doch selbst dann wäre eine Disqualifikation möglich gewesen.

Am Ende wird man den Eindruck nicht los, dass in der aufgeheizten Stimmung bei der Davis Cup-Partie im belgischen Hasselt der falsche Spieler bestraft wurde.