Chilean Cristian Garin pictured during a game between Belgian Bergs and Chilean Garin, the fourth match in the Davis Cup

Konnte nicht weiterspielen: Cristian Garin nach dem Rempler von Zizou Bergs in der Davis Cup-Begegnung Belgien gegen Chile. Bild: IMAGO / Belga

Nach Rempler im Davis Cup: Chiles Tennis-Verband stellt krasse Forderungen

Nachdem Zizou Bergs Gegner Cristian Garin in der Davis Cup-Partie Belgien gegen Chile umstieß, fordert der chilenische Tennisverband Wiedergutmachung ein.

Der „Rempler von Hasselt“ in der Davis Cup-Partie zwischen Belgien und Chile brachte die Tennis-Bubble zu Wochenbeginn in Wallungen. Es waren tatsächlich Bilder, die man in der Form noch nicht gesehen hatte: Wie der jubelnde und im dritten Satz führende Zizou Bergs voller Euphorie seinen Kontrahenten Cristian Garin beim Seitenwechsel regelrecht über den Haufen lief, bezeichneten Medien schon als „größten Skandal in der Davis Cup-Geschichte“. Das ist sicherlich zu hoch gegriffen. Die Geschehnisse wirkten eher wie eine schlechte Slapstick-Szene.

Indes: Die Folgen dieser Kollision sind ernst. In erster Linie geht es um den Gesundheitszustand von Cristian Garin, der nach eigenem Bekunden und laut chilenischem Teamarzt nicht mehr in der Verfassung war weiterzuspielen, weil er die Schulter von Bergs ziemlich wuchtig ins Gesicht geknallt bekam.

Der unabhängige Arzt vor Ort und Stuhlschiedsrichter Carlos Ramos, der auf den medizinischen Rat des Arztes vertraute, sahen die Geschehnisse anders und handelten entsprechend. Bedeutete: Garin sollte nach einer längeren Unterbrechung das Match fortsetzen.

Doch der Chilene kehrte – beim Spielstand von 5:6 im dritten Satz – nicht auf den Platz zurück. Gemäß dem Regelwerk erhielt er drei Zeitstrafen, verlor dadurch das Match und Chile die gesamte Partie mit 1:3. Im Nachgang dieses unrühmlichen Endes einer Davis Cup-Begegnung stellen sich vor allem zwei Fragen: Warum wurde Bergs den Regeln entsprechend nicht disqualifiziert, es gab doch schon Disqualifikationen für harmlosere Zwischenfälle? Andrerseits: War Garin wirklich nicht mehr dazu in der Lage, im Höchstfall ein Spiel und einen Tie-Break zu absolvieren?

Chiles Tennisverband legt Protest ein

Wirklich zufriedenstellende Antworten auf diese Fragen wird es nicht mehr geben. Der Schiedsrichter hat seine Entscheidung ausführlich auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz begründet, Bergs beteuert sein „unabsichtliches Fehlverhalten“ und Garin fühlt sich ungerecht behandelt.

Doch der chilenische Tennisverband will die Sache nicht auf sich beruhen lassen und hat Protest beim Tennis-Weltverband ITF eingelegt. Mehr noch: Die „Federación de Tenis de Chile” (abgekürzt: FTCH) kündigte zunächst an, „alle geeigneten Schritte einleiten“ zu wollen, „um Gerechtigkeit zu erlangen und die Interessen unserer Sportler und des chilenischen Tennissports zu verteidigen“.

Inzwischen hat die FTCH einen Katalog mit „Korrekturmaßnahmen“ veröffentlicht, in dem von der ITF folgendes gefordert wird:

  1. Eine „Umkehr des Spielergebnisses“ in der vierten Partie. Heißt: Cristian Garin soll im Nachhinein zum Sieger des Matches gegen Zizou Bergs erklärt werden.
  2. Weil die erste Forderung zu einem 2:2-Zwischenstand führen würde, verlangt der chilenische Tennisverband die Ansetzung einer fünften, alles entscheidenden Partie – „zu einem späteren Zeitpunkt und unter Bedingungen, die für Fairness für beide Teams sorgen.“
  3. Als „Ausgleichsmaßnahme und als Anerkennung der Nachteile für Chile“ wird eine Wildcard für die „Davis Cup Final 8“ am Ende der Saison gefordert.

Das sind – man muss es so formulieren – krasse Forderungen, die nicht durchsetzbar sind. Allein die ersten beiden Punkte sind illusorisch: Garin nun zum Sieger zu erklären und ein Entscheidungsmatch irgendwo mitten in der laufenden Saison anzusetzen, ist schlicht nicht umsetzbar. Weil die Chilenen genau das wissen, haben sie mit dem dritten Punkt eine Forderung aufgenommen, die zwar auch ziemlich überzogen ist, aber möglicherweise den Weg zu einer Art Wiedergutmachung darstellt.

Wildcard für die Davis Cup Final 8?

Für die „Davis Cup Final 8“ werden sich in der zweiten Qualifizierungsrunde Mitte September sieben Teams qualifizieren. Hinzukommt noch Italien als Gastgeber und Titelverteidiger. Ergibt insgesamt acht Mannschaften. Eigentlich ist in diesem Szenario kein Platz für einen Wildcard-Starter, was Chile laut eigener Forderung dann ja wäre.

Es blieben zwei Möglichkeiten: Einem qualifizierten Team den Startplatz abzuerkennen, was komplett ausgeschlossen ist. Oder aber neun Teams zu der Finalwoche zuzulassen – also alle acht regulär qualifizierten Teams plus Chile. Das würde bedeuten, dass es quasi ein Vorrunden-Match geben müsste, bevor dann die vier Viertelfinals starten.

Natürlich: Auch dieses letzte Szenario ist unwahrscheinlich und Chile wird sein Ausscheiden hinnehmen müssen. Sollte sich die ITF aber ­– aus welchen Gründen auch immer – auf einen Deal mit Chile einlassen, wäre es eine Option.

Vermutlich aber geht es dem Tennisverband Chiles einfach ums Geld, da nun die Einnahmemöglichkeiten in einer zweiten Quali-Runde und bei den Final 8 für 2025 wegfallen. In der Hinsicht könnte die ITF den Chilenen viel einfacher entgegenkommen und eine Art Ausfallzahlung zusichern. Damit wäre das Thema vom Tisch.

„Es war die Folge einer rücksichtslosen Haltung“

Noch gibt sich der Präsident des chilenischen Tennisverbandes, Sergio Elias, äußerst kämpferisch. In einheimischen Medien wird er mit markigen Statements zitiert, die die Dringlichkeit seiner Forderungen wohl unterstreichen sollen. „Es war kein zufälliger Zusammenstoß, sondern die Folge einer rücksichtslosen Haltung“, sagt Elias etwa zu der Kollision von Bergs und Garin.

Und weiter: „Die Vorschriften wurden offensichtlich nicht angewendet. Ich glaube, der Schiedsrichter hat sich nicht getraut, die Entscheidung zur Disqualifikation von Zizou Bergs zu treffen. Die einhellige Meinung der Tenniswelt ist, dass es sich um einen Fehler des Schiedsrichters handelte. Bergs hätte wegen Körperverletzung disqualifiziert werden müssen.“

Chiles Tennisverband war in der Vergangenheit schon einmal mit der ITF aneinandergeraten. Als 2016 im Davis Cup Chile zu Hause auf Kolumbien traf, mussten die Spieler auf einem Sandplatz in Iquique antreten, der diese Bezeichnung wohl nicht verdient hatte. Beim Stand von 2:1 für Chile brach damals Kolumbiens Santiago Giraldo das Einzel gegen Gonzalo Lama ab – er weigerte sich auf dem Platz weiterzuspielen. Am Ende gewann Chile zwar 3:1, wurde aber zu einer Geldstrafe über 55.000 Dollar durch das ITF Davis Cup-Komitee verdonnert.

Zum aktuellen Fall äußerte sich die ITF bislang nur so: „Wir verstehen die Emotionen, die mit diesem ungewöhnlichen Vorfall verbunden sind, aber die endgültige Entscheidung wurde nach Berücksichtigung aller Fakten und der einzigartigen Umstände getroffen.“