Es geht nicht weiter: Nach einer Verletzung muss erst einmal die Diagnose gestellt werden. ©Imago

Tennis: Wie man sich nach Verletzungen erholt

Verletzungen sind ein unvermeidlicher Bestandteil des Sports. Der Umgang damit spielt eine entscheidende Rolle, wie lange es dauert, bis ein Spieler erfolgreich wieder ins Spiel einsteigt und die alte Leistungsstärke herstellt. Dabei geht es neben dem physischen Aspekt auch um gefühlte Sicherheit und mehr. 

Text: Sebastian Altfeld

Es ist der Klassiker: Ein Tennisspieler knickt um, die Bänder im Fußgelenk reißen. Nach der Verletzung folgen unterschiedliche Phasen.  Die „Akut-Phase“ ist der Zeitraum kurz danach, die die sofortige Behandlung im Vordergrund hat. Ziel ist es, Schmerzen zu lindern, Schwellungen zu reduzieren, erste Heilungsprozesse zu fördern. Kennzeichen sind Gefühle der Unsicherheit und Angst, die einhergehen mit Fragen wie „Wie schlimm ist es?“ und „Werde ich bald wieder spielen können?“. Die zweite Phase ist die „Rehabilitationsphase“ mit den Stadien früh, mittel und spät. Zu guter Letzt folgt der Wiedereinstieg. 

Wodurch sind vor allem die beiden letzten Phasen der Verletzung geprägt? Oftmals herrscht Unsicherheit darüber, wie stabil die Strukturen sind und ob der Fuß die zunehmende Belastung gut verkraften wird. Im Zuge dieser Unsicherheit tendieren Sportler zu Verhaltensweisen, die auf den ersten Blick sinnvoll wirken, aber bei zu häufiger Anwendung auch den Reha-Prozess erschweren und den Wiedereinstieg verzögern können. Dazu gehört jene Frage, die jeder, der schon einmal eine Verletzung hatte, mit hoher Wahrscheinlichkeit ähnlich beantworten wird. Was ist das Erste, was man morgens nach dem Aufstehen macht? Checken, ob die Schmerzen noch da sind. Das ist normal, denn man möchte wissen, ob es besser geworden ist als am Tag vorher. Es besteht der dringende Wunsch wieder dem nachzugehen, was Freude macht. 

Manchmal kommt es vor, dass es nicht bei dem einen Mal bleibt, sondern mehrmals am Tag in den Körper hineingehorcht wird, teilweise bis zu 100 Mal. Sportler sind zum einen neugierig, und zum anderen soll dieses Prüfen die eigene Unsicherheit reduzieren. Denn wenn der Schmerz aufkommt, sollte dieser Teil des Körpers lieber noch nicht belastet werden, oder? 

Schmerzen sind wie ein Radio

Was aber passiert? Schonhaltungen, also eine Ausweichbewegung oder die Vermeidung bestimmter Bewegungen, sind die Folge. Zum einen geht mit dem Checken einher, dass man vielleicht so lange drückt oder Bewegungen macht, bis der Schmerz tatsächlich auftritt. Man fühlt sich bestätigt und glaubt, weiter aufpassen zu müssen. Zudem wird der Sportler trauriger, weil der Schmerz noch immer da ist. Und Traurigkeit führt dazu, wie wissenschaftliche Studien zeigen, dass Schmerzen intensiver wahrgenommen werden. Schmerzen sind wie ein Radio: Psychologische Faktoren und Verhaltensweisen tragen dazu bei, dass sie lauter oder leiser sind. Und das Checking-Verhalten ist einer dieser Faktoren. Wenn man 50 bis 100 Mal am Tag eine Tätigkeit übt, dann wird sie natürlich immer besser. In diesem Fall leider. 

Es kann sogar sein, dass die eigene Wahrnehmung so gut trainiert wird, dass beim Checken Empfindungen wahrgenommen werden, die eigentlich normal sind, und deshalb nie aufgefallen sind. Diese werden dann aber vom Sportler als erneute Signale interpretiert, dass der Fuß noch immer nicht in Ordnung sei. Dies verunsichert erneut, und der Kreislauf beginnt von vorne mit erneutem Checking, um die Unsicherheit zu reduzieren. 

In der Reha gilt es, die körperliche als auch mentale Sicherheit wieder herzustellen. ©Imago

Wenn ich annehme, dass die Strukturen im Fuß noch nicht belastbar sind, dann vermeide ich bestimmte Kräftigungsübungen, Bewegungen oder kompensiere diese mit Ausweichbewegungen. Wichtig: Eine gute physiotherapeutische Behandlung sollte verfolgt werden, die zurückmeldet, ob Bewegungen ausgeführt werden können. Dennoch kommt es vor, dass sich Spieler trotz „grünem Licht“ zögerlich und ängstlich verhalten. Dies erhöht allerdings die Wahrscheinlichkeit einer Wiederverletzung – und dagegen lässt sich etwas tun. 

Was ist dabei hilfreich?

Am besten ist es, das Checking zu reduzieren. Ganz unterlassen ist nicht nötig, da es auch sinnvoll ist. Ein guter Richtwert ist maximal fünf Mal pro Tag. Mit einer Strichliste für einen Tag wird nachgehalten, wie oft gecheckt wird. Eine Notiz erinnert daran, in den folgenden Tagen weniger zu checken. Dabei kann es am Anfang schwierig sein, wenn viel checken „gut geübt“ ist. 

Aufbau von Vertrauen in den eigenen Körper

Gute Stimmung ist wichtig. Verletzte Spieler sind verständlicherweise traurig und haben vielleicht sogar Angst. Diese Gefühle sind normal. Dennoch könnte eine Reaktion sein, dass sich Spieler zurückziehen und dadurch auch Aktivitäten vernachlässigen, die unabhängig von der Verletzung möglich wären. Sie unternehmen beispielsweise nichts Schönes mit Freunden, sorgen schlechter für den eigenen Körper und werden dadurch noch trauriger. Auch wenn es zu Beginn schwerfällt: Aktivitäten, die als sinnhaft und wertvoll erlebt werden, sollten gemacht werden. Schöne Momente und Entspannung neben dem Sport fördern eine gute Stimmung, was die Schmerzwahrnehmung reduziert. Zudem tragen Entspannung und ein ausgeglichenes Gemüt dazu bei, dass Regenerationsprozesse des Körpers besser ablaufen können, was positive Effekte auf die Heilung hat.

Auch Vermeidungsverhalten sollte reduziert werden. Dies beinhaltet den Aufbau von Vertrauen in den eigenen Körper. Denn oft geht der Wiedereinstieg mit der Sorge vor einer Wiederverletzung einher. Komplikationen ergeben sich dann, wenn der Spieler zu schnell wieder einsteigt und diese Stufe, das Vertrauen systematisch aufzubauen, überspringt. So kann sich Unsicherheit verfestigen, es kommt mit höherer Wahrscheinlichkeit zu Vermeidungs- und Kompensationsverhalten, welches das Risiko für Wiederverletzungen erhöht.

Dann fehlt das Zutrauen, mit hohem Tempo einen Richtungswechsel an der Grundlinie durchzuführen. Stattdessen wird abgebremst, der Ball nicht erreicht. Oder der Stemmschritt für einen Schlag wird mit erhöhter Aufmerksamkeit durchgeführt, wodurch der Ball ins Netz fliegt, weil der Bewegungsfluss unrund ist. Der Aufbau von Sicherheit und der Abbau der Vermeidung ist also wichtig. Der folgende Ablauf kann sinnvoll sein, er orientiert sich am Kölner Körpervertrauenstraining (Kleinert, 2003). 

•Schritt 1: 

Eine Hierarchie der Bewegungen aufbauen, die Unsicherheit auslöst:  1 = wenig Unsicherheit bis 7 = Verletzungssituation. So könnte auf der 1 beispielsweise Seilspringen auf dem verletzten Fuß stehen. Der Richtungswechsel mit 50 Prozent der Geschwindigkeit auf Stufe 3, und auf der 5 der Schlag mit vollem Körpergewicht. Die sieben ist die Bewegung, bei der die Verletzung im Spieltempo passierte.

•Schritt 2: 

Auf der niedrigsten Stufe beginnen und die Unsicherheit einschätzen: Null = keine Unsicherheit, zehn = maximale Unsicherheit.

•Schritt 3: 

Die Übung der jeweiligen Stufe ohne Vermeidungs- oder Kompensationsverhalten ausführen, wiederholen, bis die Unsicherheit abnimmt und man bereit ist für die nächste Stufe. 

•Schritt 4: 

Die nächste Stufe wählen und alles ab Schritt 2 wiederholen. Dabei darf immer eine Stufe zurück gegangen werden, um die Sicherheit erneut aufzubauen. Auf diese Weise soll das Vertrauen systematisch in die eigene Bewegung gesteigert und das alte Leistungslevel wieder hergestellt werden.

Fazit:

Falls bei diesem Ablauf auffällt, dass es schwerfällt, mit der aufkommenden Unsicherheit oder Angst umzugehen und Beteiligte den Eindruck haben, dass die durch Verletzung ausgelöste Traurigkeit länger andauert als es sollte, könnte es sinnvoll sein, einen Sportpsychologen einzubinden. Auf diese Weise wird die individuelle Situation analysiert und gezielte Interventionen entwickelt.

Vita

Dr. Sebastian Altfeld aus Iserlohn ist Sportpsychologe, klinischer Psychologe und Psychotherapeut. Der ehemalige Basketballspieler arbeitet für das Bundesinstitut für Sportwissenschaft, leitet die sportpsychologischen Inhalte der B- und A-Lizenz-Trainerausbildung des Deutschen Basketball Bundes sowie weiterer Sportverbände. Für den DOSB ist er Referent im Diplom-Trainer-Studiengang.