US Open-Sieger del Potro: Bohnenstange mit Bums
Geschmeidig und rund sehen sie aus, die Bewegungen von Juan Martin del Potro auf dem Tennisplatz. Nicht so energiegeladen wie bei Rafael Nadal, nicht ganz so elegant wie bei Roger Federer. Einfach nur flüssig und harmonisch. Bei einer Körperlänge von fast zwei Metern ist das keine Selbstverständlichkeit. Aber wenn er über den Platz sprintet, wenn er sich aus der Defensive mit schnellen, kleinen Schritten befreit und wenn er bei Hochgeschwindigkeitsschlägen immer perfekt zum Ball steht, fällt es gar nicht auf, dass der 20-Jährige so groß ist. Erst wenn er sich zu Aufschlägen jenseits der 220 Stundenkilometer-Marke auftürmt, wird klar, was für ein Riesenkerl dieser del Potro doch ist.
Turm von Tandil oder El Palito
Turm von Tandil oder El Palito (zu deutsch: Bohnenstange) nennen sie ihn in seiner Heimat. In Tandil ist Tennis populärer als Fußball höchst selten in Argentinien. Profis wie Guillermo Perez-Roldan, Mariano Zabaleta, Juan Monaco, Diego Junquiera und Maximo Gonzalez kommen aus der Gegend. Und eben del Potro, der als kleiner Junge vor allen Dingen Fußball im Club Independiente spielte und dabei von seinem ersten Tenniscoach, Marcelo Gomez, im Alter von fünf Jahren entdeckt wurde. Gomez fiel damals die Leichtigkeit der Bewegungen del Potros auf und er ermunterte ihn, Tennis zu lernen. Vorher hatte del Potro nie Kontakt zum Tennis. Sein Vater Daniel war ein semi-professioneller Rugbyspieler, dem Tennis viel zu filigran war. Aber seinem Sohn gefiel der neue Sport, in dem er sich rasant weiterentwickelte.
2002 gewann er in der Altersklasse U14 die Orange Bowl in Florida, die inoffizielle Jugend-WM. Damals, mit 13 Jahren, war del Potro schon 1,90 Meter groß und servierte im Schnitt zwei Asse pro Aufschlagspiel, erinnert sich sein Jugendcoach. Die Orange Bowl war sein einziger großer Titel als Junior. Schon früh ließ er Jugendturniere links liegen und konzentrierte sich auf kleinere Profievents. 2005 war er, nach drei Future-Titeln, der jüngste Spieler in den Top 200. Ein Jahr später war er der Jüngste in den Top 100 in dem Rhythmus ging es weiter. 2007: Jüngster Spieler in den Top 50. 2008: Jüngster Spieler in den Top 10. Ein stetiger Aufstieg, der nur kurzzeitig gefährdet war, als del Potro Anfang 2008 Probleme mit dem Rücken bekam.
Daraufhin wechselte er seinen kompletten Trainerstab aus. Das Training wurde geändert, Muskelaufbau für die Bohnenstange stand nun im Vordergrund. Und del Potro nahm wieder Fahrt auf, rauschte zielsicher in die Top Ten, nachdem er im Sommer 2008 seine ersten vier Turniere in Serie gewann eine Leistung, die einmalig ist auf der Tour. Und eine gewisse Bürde. Denn: Von elf Spielern, die als Teenager vier Titel in seiner Saison holten, erreichten zehn den ersten Platz der Weltrangliste (z.B. Nadal, Hewitt, Agassi, Sampras).
Plötzlich im Favoritenkreis
Schon vor den US Open 2008 rückte del Potro plötzlich in den Kreis jener Spieler, denen ein Grand Slam-Titel in naher Zukunft zuzutrauen war. Dass er schon ein Jahr später diese Erwartungen erfüllen würde, verblüffte selbst die Fachwelt. Sein Sieg im Finale von New York über Roger Federer war beeindruckend. Am Ende dominierte er das Match mit seinem Aufschlag und einer Vorhand, die im Cruise Missile-Tempo übers Netz rauschte und selbst in Zeitlupenaufnahmen noch unglaublich schnell erschien. Im ganzen Match versenkte del Potro 47 Gewinnschläge mit der Vorhand in Federers Hälfte eine Wahnsinnszahl.
Was ihn von anderen verheißungsvollen Jungspunden auf der Tour unterscheidet, sind genau diese Waffen in seinem Spiel. Andy Murray oder Novak Djokovic haben auch tolle Schläge. Sie können alles Mögliche mit dem Ball anstellen. Aber Schläge, bei denen den Fans vor Erstaunen der Mund offen stehen bleibt, sind eher selten. Und wenn, dann resultieren sie aus Situationen heraus, in denen sie sich aus der Umklammerung ihrer Gegner mit einem tollen Konter befreien.
Bei del Potro ist das anders. Kommt ein Ball ein wenig zu kurz und wenig zu hoch in seine Vorhandhälfte, rückt er blitzartig ein, zwei Schritte vor ins Feld, beginnt mit seiner schnörkellosen Ausholbewegung und feuert furchteinflößende Geschosse ab. Das Ungewöhnliche dabei: Seine Technik ist klassisch. Kaum Spin, kein Handgelenkseinsatz. Genau deswegen bekommt er, diese Bohnenstange, soviel Bums in seine Vorhand.
Del Potro erinnert an Marat Safin, der 2000 ebenfalls mit 20 Jahren seinen ersten Grand Slam-Titel in New York holte, als er Pete Sampras an die Wand spielte. Was wurde Safin damals nicht alles prophezeit. Er würde der dominierende Spieler der nächsten Jahre sein, einer, der etliche große Titel holt. Es kam anders. 2009 spielte Safin bei den US Open sein letztes Grand Slam-Turnier. Insgesamt gewann er zwei große Titel und war für neun Wochen die Nummer 1 der Welt. Eigentlich viel zu wenig. Safin ließ sich zu sehr ablenken, feierte viel, genoss seinen Ruhm mit Frauen, Autos und Wodka.
Ein Schöngeist, der den ganzen Tag schlafen kann
Wie wird nun del Potro reagieren? Aus seinem Umfeld ist zu hören, dass er ein völlig ruhiger Typ sei. Einer, der ohne weiteres einen ganz Tag schlafen könnte. Einer, der sich gerne historische Bauten ansieht, sich mit Architektur beschäftigt, ein Schöngeist. Er sei keiner, der übermütig wird. Von seinem US Open Preisgeld (knapp zwei Millionen Dollar) will er sich einen Käsekuchen für seinen 21. Geburtstag am 23. September kaufen. Den Mercedes, den er für seinen Turniersieg 2008 in Stuttgart erhielt, verschenkte er an seine jüngere Schwester Juliette.
Juan Martin hat Geschichte für das argentinische Tennis geschrieben, schwärmte Jugendtrainer Gomez in einheimischen Medien. Zusammen mit Nachwuchsspielern und Trainern sah Gomez das Finale von New York vor einer großen Leinwand, die im Vereinshaus des Club Indipendiente von Tandil aufgestellt wurde. Er hat gar keine Ahnung, was für eine Sogwirkung sein Erfolg auslösen wird. Die Leute hier feiern, als wäre Argentinier Fußball-Weltmeister geworden, sagte Gomez. Olé, olé Delpo, skandierten die Fans in den Straßen von Tandil, etliche blau-weiß-blaue Fahnen schwenkend.
Argentinien hat einen neuen Sporthelden, der nun ein großes Ziel vor Augen hat. Juan Martin del Potro will die erste argentinische Nummer 1 der Tenniswelt werden. Nach seinem Auftritt in New York ist ihm das durchaus zuzutrauen.
Tim Böselermens jordan release dates | what time does jordan 1 release