Kult-Video: Beckers irrer „Match-Roller“ gegen Lendl
Etwas ungläubig steht Boris Becker da. Streckt beide Arme nach oben. Für ein Lächeln fehlt ihm die Kraft. Fast fünf Stunden hat er sich gerade mit Ivan Lendl duelliert und eines der besten und dramatischsten Matches in der Tennis-Historie abgeliefert. Kein Wunder, dass diese Partie auch durch einen ganz besonderen Matchball beendet werden musste. Beckers irrer Match-Roller gegen Lendl oben im Video.
Was war genau passiert?
Es ist der 5. Dezember 1988. Seit 1977 treffen sich zum Jahresende im legendären wie ehrwürdigen Madison Square Garden in New York die besten acht Spieler der Welt. Damals heißt das ganze noch „Masters“. Heute – ein Vierteljahrhundert später – spielen Federer, Djokovic und Co. bei den „Barclays ATP World Tour Finals“ in London den Weltmeister aus. Was Becker und Lendl am 5. Dezember 1988 zeigten, bleibt bis heute unvergessen. Besonders die Schlussphase des Matches ist legendär.
Nach 326 gespielten Punkten ist Becker Weltmeister
Das Match ist von Beginn an umkämpft. Ivan Lendl, der als Favorit ins Endspiel gegangen ist, und Boris Becker liefern sich nicht nur ein Duell auf Augenhöhe, sie liefern sich einen packenden Fight. Vor dem Tiebreak im entscheidenden fünften Satz haben beide Kontrahenten exakt 157 Punkte und 27 Spiele gewonnen. Wahnisnn! Bei Stand von 5:5 und 324 gespielten Punkten musste es einen Matchball geben, entweder für Becker oder für Lendl. Becker geht nach vorne, greift an. Der Tscheche schlägt den Passierball ins Aus. Matchball Becker bei eigenem Aufschlag. Es folgte der beste Ballwechsel der Partie. Einer der besten, auf alle Fälle einer der unvergesslichsten Ballwechsel aller Zeiten. Auch, weil er so ungewöhnlich lang ist für einen schnellen Teppichboden wie damals im Madison Square Garden verlegt. Der Ballwechsel entwickelt sich zum Krimi. Mal ist Becker in der Defensive, mal ist es Lendl, keiner traute sich jedoch, mit dem Weg ans Netz für eine Entscheidung zu sorgen. Dafür sorgt am Ende die Netzkante!
Der 37. Schlag – eine durchgezogene Rückhand von Boris Becker – landet an der Netzkante und fällt knapp hinter das Netz auf Lendls Seite. Der wohl irrste „MATCH-Roller“ aller Zeiten. Aus. Schluss. Vorbei. Nach 4:42 Stunden heißt es 5:7, 7:6, 3:6, 6:2, 7:6 für Becker. Boris Becker ist Weltmeister!
Boris Becker: „Körperlich das härteste Match“
„Am Ende habe ich den Ball nicht gesehen. Ich habe einfach nur gespielt und bin gelaufen. Spielen und Laufen, ich wusste nicht mal den Spielstand“, erzählt Becker nach dem Match. Lendl haderte mit seinem Schicksal und natürlich besonders mit der verdammten Netzkante. „Ich habe zu mir selbst gesagt: ‚Bitte, tue das nicht!’ Aber es geschah. Wenn man das nicht unglücklich nennt, dann kann man nichts unglücklich nennen. Was kann man tun? Es ist herzzerreißend, aber du kannst dagegen nichts machen. Es war ein großartiges Match. Es gab nichts mehr, was ich hätte tun können, um zu gewinnen“, sagt Lendl.
Für Boris Becker war dieses Match ein Meilenstein. „Körperlich gesehen war es das härteste Match, das ich je gespielt habe. Dieses Turnier hat viel zu tun mit Prestige und Stolz. Ivan im Finale geschlagen zu haben, gibt mir noch mehr Befriedigung. Ich spiele das allerbeste Tennis meines Lebens“, analysiert Becker, der anschließend vor Selbstvertrauen strotzt und zwei Wochen später mit Deutschland erstmals den Davis Cup gewinnt.
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