Australien im Davis Cup-Halbfinale: Das Wunder von Darwin
Was für eine Aufholjagd: 0:2 lagen die Australier nach den beiden Auftakteinzeln im Davis Cup-Viertelfinale gegen Kasachstan zurück – am Ende zogen sie aber dennoch ins Halbfinale ein.
Als am Freitagabend im nordaustralischen Darwin der Tag zu Ende ging, war dem heimischen Davis Cup-Team der Schock buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Blass und ausdruckslos stellten sich Kapitän Wally Masur und Nachwuchsstar Nick Kyrgios der Presse, die nach Erklärungen verlangte. 0:2 lagen die Gastgeber im Davis Cup-Viertelfinale gegen Kasachstan hinten. Kyrgios hatte zuvor nur einen Satz gegen die kasachische Nummer 2, Aleksandr Nedovyesov, geholt; sein Kumpel Thanassi Kokkinakis wurde von Mikhail Kukushkin regelrecht vorgeführt.
„The Special K’s“ versagten
Was für eine Bruchlandung, nachdem Australien in den Wochen zuvor schon vom möglichen Halbfinale gegen die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien geträumt hatte und der sonst eher im abseits gelegene Tennis-Standort Darwin mit einem üppigen Stadion von Verbandsseite aus bedacht wurde. „Ich fand keinen Zugang ins Match. Nur mein Aufschlag funktionierte“, erklärte Kyrgios schließlich. Und Kokkinakis ließ ausrichten, dass er wohl noch nie schlechter gespielt hätte. „The Special K’s“, Kyrgios und Kokkinakis, hatten versagt, ausgerechnet jetzt. Australien im Davis Cup – das ist eine Nationalangelegenheit.
Es passte zur düsteren Stimmung der Mannschaft, dass kurz vor Beginn der Partie bekannt wurde, wo Bernard Tomic, eine weitere australische Nachwuchskraft, seine vorletzte Nacht zu Ende gebracht hatte: im Gefängnis. Er hatte in Miami zu laut in einem Hotel gefeiert. Nach seinem Ausscheiden in Wimbledon wurde Tomic vom Verband aus der Mannschaft geschmissen – als bester Australier im Ranking. Er hatte sich herablassend über die Verbandsarbeit geäußert. So ergab sich ein ziemlich desaströses Bild des australischen Herrentennis, das in den letzten 18 Monaten einen respektablen Aufstieg hingelegt hatte. Zwischenzeitlich befanden sich 7 Aussies in den Top 100, darunter auffallend viele junge Spieler. Und dann diese Gelegenheit: Davis Cup-Viertelfinale vor heimischen Publikum auf Rasen gegen Außenseiter Kasachstan. Doch die große alte Tennisnation Australien lag hoffnungslos zurück.
Euphorie durch die Oldies im Team
Dachte man. Der Doppelsieg von Sam Groth und Lleyton Hewitt änderte daran wenig, doch im australischen Team machte sich plötzlich Euphorie und Optimismus breit. Die positiven Signale setzten die beiden älteren Profis selbst: Groth, 27, und Hewitt, 34, versprühten frische Energie, der sich auch Teamchef Wally Masur, Coach Joshua Eagle und Berater Tony Roche nicht entziehen konnten. Nach dem Doppel stellten sie ihre Mannschaft komplett um: Statt die „Young Guns“ in die letzten beiden Einzeln am Sonntag zu schicken, sollten nun Groth und Hewitt das Unmögliche noch möglich machen. Einen 0:2-Rückstand hatte Australien in seiner langen und erfolgreichen Davis Cup-Historie erst ein einziges Mal aufgeholt: 1939, vor 76 Jahren, im Finale gegen die USA.